„Life“: Dieses Pantoffeltierchen bringt uns um

(c) Sony/ Alex Bailey
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Daniél Espinosas Sci-Fi-Thriller „Life“ besticht unter anderem durch Originalität beim Design des außerirdischen Lebens: Es entwickelt sich vom harmlosen Einzeller zum Monster. Doch der Plot ist zu schematisch.

Vergangenen Februar gaben Nasa-Astronomen eine Entdeckung bekannt, die zu allerlei Spekulationen einlud: Ein „nur“ 39 Lichtjahre von der Erde entferntes Sonnensystem, hieß es, berge drei Planeten, deren Bedingungen die Entwicklung organischen Lebens zulassen würden. Natürlich befeuerte diese Nachricht Fantasien auf der ganzen Welt: Wie könnte dieses Leben wohl aussehen? Werden wir es jemals zu Gesicht bekommen? Höchstwahrscheinlich nicht – und wenn doch, wie groß wäre die Enttäuschung der Fantasten, falls es sich dabei bloß um ein paar mickrige Einzeller handelt? Außerirdische, so hat uns das Science-Fiction-Genre gelehrt, gibt es in allen Formen und Größen – aber langweilig sind sie nie.

Das gilt insbesondere für die extraterrestrische Menagerie Hollywoods, wobei diese im Grunde nur zwei Extreme kennt: Entweder sind die Aliens friedfertig und wohlwollend („Unheimliche Begegnung der dritten Art“, „Contact“, „Arrival“) oder blutrünstig und vernichtungswütig („Krieg der Welten“, „Independence Day“). Komplexere Visionen erdfremder Wesen finden sich eher in TV-Serien wie „Star Trek“, doch auch dort reicht die Vorstellungskraft der Drehbuchautoren und künstlerischen Leiter selten aus, um das konzeptuelle Paradigma von Menschen- oder Tierähnlichkeit zu überwinden.

Muskel, Auge und Gehirn in einem

Auch Daniél Espinosas Sci-Fi-Thriller „Life“ bringt diesbezüglich nichts Neues aufs Tapet, aber zumindest das Design seiner Weltraumkreatur besticht mit Originalität: Es sieht aus wie eine unheilige Kreuzung aus Amöbe, Seestern und Molluske. Als Fracht einer unbemannten Marssonde landet es in Form eines harmlos anmutenden, nahezu lieblichen Pantoffeltierchens im Versuchslabor der (realen) Raumstation ISS. Die internationale Besatzung zeigt sich anfangs hocherfreut über den Fund: Ein faszinierendes Forschungsobjekt mit den Eigenschaften einer Stammzelle, „Muskel, Auge und Gehirn in einem“.

Als es rapide zu wachsen beginnt, wittern die Skeptiker unter den Astronauten eine Bedrohung – und sie haben selbstverständlich recht.

Das Grundszenario erinnert nicht von ungefähr an Ridley Scotts Genre-Klassiker „Alien“, dessen Motive „Life“ variiert. Auch hier kämpfen Eingeschlossene mit zunehmender Verzweiflung gegen ein übermächtiges, instinktgesteuertes Monster an, und die Körperhorrorelemente des Vorbilds spiegeln sich in ein paar blutigen Szenen wider: Der Killer-Schleimpilz (vor seiner verhängnisvollen Mutation mit dem scherzhaften Spitznamen Calvin versehen) schlüpft an einer Stelle in den Rachen eines Opfers und wurlt dann mit tödlichen Folgen in dessen Eingeweiden.

Warum? Schieben wir es auf den Spieltrieb – denn der im Film als Grund genannte Überlebensdrang des Wesens rechtfertigt dessen systematische und ausgeklügelte Attacken gegen die Crew nur mangelhaft. Spannend ist das Geplänkel trotzdem, zumindest in der ersten Halbzeit. Im Unterschied zu „Alien“ spielt es zum Teil auch im luftleeren Raum, lässt sein Ungeheuer an den Außenwänden der Raumstation herumkraxeln und schöpft daraus Suspense. Wie im Kino starren die verängstigten Protagonisten durchs Bordfenster auf eine Gefahr, die sie nicht zu nah an sich heranlassen wollen, ständig geht es um schützende „Firewalls“ und ihre Haltbarkeit – man ist beinahe versucht, „Life“ als Flüchtlingsparanoiastück zu interpretieren.

Ästhetisch orientiert er sich indes stark an Alfonso Cuaróns schwerelosem Blockbuster „Gravity“. Ohne dessen technische Innovationen wären seine frei flottierenden Digitalkamera-Plansequenzen gar nicht denkbar.

Leider wirkt das emotionale Gewicht, nach dem der Film zwischendurch trachtet, wie unnötiger Ballast. Die Schauspieler (darunter Jake Gyllenhaal, Rebecca Ferguson, Ryan Reynolds und TV-Star Ariyon Bakare) sind viel zu gut für den mageren B-Movie-Stoff: Ihre wohlmeinenden Bemühungen, den Figuren Kontur zu verleihen, bringen den Handlungsfluss nur ins Stocken.

Zwangsdramatisierung

Besonders gegen Ende fällt die Zwangsdramatisierung unangenehm auf, weil der Plot immer schematischer wird. Im Übrigen auch das Monster: Sein amorphes Erscheinungsbild hebt sich zunächst erfreulich von den Durchschnittsbestien der Traumfabrik ab – doch zuletzt blickt man wieder einmal in eine grimmige Fratze mit eingesunkenen Rosinenaugen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2017)

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