„Fast & Furious 8“: Das gut motorisierte Amerika

Breitwandautodrom: In manchen Szenen von „Fast & Furious 8“ spielen nur mehr die Autos die Hauptrollen.
Breitwandautodrom: In manchen Szenen von „Fast & Furious 8“ spielen nur mehr die Autos die Hauptrollen.(c) Constantin
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Die tollkühnen Männer und Frauen in den frisierten Boliden brettern wieder durch die Kinos: Im achten Teil von „Fast & Furious“ geht es größer, schneller, lauter zu – aber stets mit Gurt.

Es gibt viele Möglichkeiten, die „Fast & Furious“-Reihe zu beschreiben: Action-Seifenoper, Breitwandautodrom, Turbounterhaltung. Doch am stärksten ähnelt sie den hochfrisierten Boliden, die sie so gern zur Schau stellt. Angefangen hat alles mit einem moderat budgetierten Retro-B-Movie: Rob Cohens „The Fast and the Furious“ (2001) kreuzte die Handlung des Action-Klassikers „Point Break“ mit der Mackermentalität von „Top Gun“ und dem grobschlächtigen Glamour US-amerikanischer Streetracing-Kultur. Sein Erfolg übertraf alle Erwartungen, seither steigt die Einträglichkeit der Serie mit jeder Folge. Doch im Zug dieser Konjunktur hat sich ihr Profil gewandelt: Sukzessive ließ sie den vergleichsweise bescheidenen (Halb-)Ernst des Originals hinter sich, wurde größer, schneller, lauter, satter – und auch ein entschiedenes Stück alberner. Man tunte die Spezialeffekte, überholte den Look, fügte neue Figuren hinzu wie Ersatzteile. Die PS-Zahl überstieg schon bald jede Norm. Seit Donnerstag brettert das achte „Fast & Furious“-Kapitel durch heimische Kinos – und erscheint als Blockbuster-Monstertruck, als unaufhaltsame Spaßwalze, der man sich besser nicht in den Weg stellt.

Globalisierung befördert Monopolisierung – auch im Kino. Die Reihe „The Fast & The Furious“, dessen letzter Teil Kassenrekorde brach, hat derzeit das Monopol auf „altmodisches“ (sprich: unbeschwertes) Action-Gaudium. Viele Eigenschaften teilt sie sich mit anderen Kinomonolithen von heute: Das Serielle und die Darsteller-Hypertrophie erinnern ans Marvel-Universum, überhaupt wirkt das Kernensemble inzwischen wie eine Superheldeneinsatztruppe. Doch im Vergleich zur Comicfilm-Konkurrenz wirken die „F&F“-Filme regelrecht bodenständig: weitgehend ironiefreies Arbeiterklassen-Popcornkino, das seine liberal-konservativen Werte nicht verbirgt.

In der Welt der furiosen Flitzer dürfen Männer noch richtige Männer (also markig und muskulös) und Frauen noch richtige Frauen (sexy und selbstbewusst) sein. Respekt ist die einzige Währung, die wirklich zählt – Konflikte werden per Straßenrennen gelöst, an deren Ende der Verlierer dem Sieger die Hand reicht. Alles, was man macht, macht man für die „Familie“. Weh dem, der wagt, sie zu bedrohen.

So weit, so hergebracht. Aber zugleich spiegelte die Serie von Anfang an den demografischen Wandel der US-Gesellschaft wider und entwickelte darob zwangsläufig eine progressive Schlagseite.

Wachsendes Staraufgebot

Besagte Familie, eine Art motorisiertes A-Team, ist mittlerweile ein multiethnisches Figurenpatchwork. Rassismus? Ein Fremdwort. Nicht erst seit dem tragischen Unfalltod von Paul Walker fungiert das stetig wachsende Staraufgebot der Filme (Vin Diesel, Dwayne Johnson, Jason Statham, Michelle Rodriguez, Tyrese Gibson) als strahlendes Emblem für den Schmelztiegel Amerika. Auch geschlechterpolitisch wurden Fortschritte gemacht: Obwohl die Mädels ab und zu immer noch von den Jungs gerettet werden müssen, können sie meist ganz gut auf sich selbst aufpassen – und sitzen nicht mehr im Beifahrersitz.

All das gilt nach wie vor auch für den achten Eintrag in die „F&F“-Saga. Auf Englisch trägt er den ominösen Titel „The Fate of the Furious“ – was an die „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“-Melodramatik der Filmreihe gemahnt, die hier einen neuen Höhepunkt erreicht.

Fernsehästhetik

Alphamännchen Dom (Diesel) wechselt nach der Begegnung mit der eiskalten Superterroristin Cipher (Neuzugang Charlize Theron) auf die Seite des Bösen – oder doch nicht? Seine Freunde müssen ihn – und die Welt – vor dem Schlimmsten bewahren. Unterstützt werden sie vom Regierungsagenten Mr. Nobody (Kurt Russell im Bill-Murray-Modus), dessen Grünschnabel-Adlatus (Scott Eastwood) und einem alten Gegner (Statham).

Die Plot-Wendungen sind mannigfach, Fantränen werden fließen. Aber nicht nur TV-Dramaturgie, auch TV-Ästhetik nimmt überhand: Über weite Strecken sieht der Film mit seinen gleichmäßig ausgeleuchteten Reißbrett-Studiokulissen aus wie eine „Navy CIS“-Folge, in die hastig animierte Spektakelsequenzen hineinmontiert wurden. Wirklich originell ist nur eine davon: die Hackerangriffverwandlung einer Roboterautoarmada in einen Blechzombiemob. Andere Über-Stunts, etwa die finale Eismeerflucht vor einem Killer-U-Boot, wirken trotz (oder wegen) ihres Hochdruck-Effektbombasts abgeschmackt und lieblos.

Den Erfolg wird das nicht stören, schließlich versprühen die sympathischen Testosteron-Stars weiterhin Charme und coole Sprüche, besonders das lustige Hickhack zwischen Johnson und Statham wird diesmal hochgespielt. Charlize Theron brilliert als souveräner Bösewicht, Helen Mirren erlaubt sich einen netten Gastauftritt.

Mit „gutem, altem Actionkino“ à la Schwarzenegger oder „Stirb langsam“ hat das trotzdem nur wenig zu tun – denn im Unterschied zu den schmutzigen, schwitzenden, schimpfenden Krach-Bumm-Exzessen der Achtziger nimmt sich „Fast & Furious 8“ nahezu familienfreundlich aus, ganz im Sinn seiner Kernbotschaft. Seine Helden geben Vollgas – doch Airbag und Sicherheitsgurt vergessen sie dabei nie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2017)

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