Bob Dylans hart geprüfte Männer

„Ich zerbreche mir nicht den Kopf darüber, was das alles bedeutet“, sagt Bob Dylan über seine eigenen Songs. Hier ist er bei einer früheren Ehrung zu sehen: 2015 wurde er Person of the Year der Stiftung MusiCare.
„Ich zerbreche mir nicht den Kopf darüber, was das alles bedeutet“, sagt Bob Dylan über seine eigenen Songs. Hier ist er bei einer früheren Ehrung zu sehen: 2015 wurde er Person of the Year der Stiftung MusiCare.(c) Imago/ZUMA Press
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„Moby Dick“, „Im Westen nichts Neues“ und die „Odyssee“ nennt Bob Dylan in seiner Nobelvorlesung als Vorbilder. Und sagt: Der Sinn von Texten sei gar nicht so wichtig.

Wochenlang hat er im Oktober geschwiegen, als er weltweit als neuer Literaturnobelpreisträger bestaunt, gefeiert und auch kritisiert wurde. Er kam auch nicht zur Preisverleihung – wegen anderer Verpflichtungen, wie er erklärte. Kein Zweifel, in der Geschichte des Literaturnobelpreises wird der medienscheue Bob Dylan sicher nicht als „pflegeleichter“ Preisträger verbucht, zumindest nicht für die Akademie in Stockholm.

„Das Dylan-Abenteuer nähert sich dem Ende“, kommentierte die Vorsitzende der Schwedischen Akademie Sara Danius nun am Montag mit leicht ironischem Unterton. Da hatte sie gerade eine Tonaufnahme von Bob Dylans Nobelvorlesung erhalten. Diese gehört zu den Bedingungen, die ein Preisträger erfüllen muss, um auch wirklich das Preisgeld von acht Millionen Kronen zu erhalten (das entspricht ungefähr 820.000 Euro). Innerhalb von sechs Monaten nach der Verleihung muss die Vorlesung gehalten werden, Bob Dylan hat diese Bedingung im letzten Moment erfüllt: Am Samstag wäre die Frist abgelaufen. Anders als gewohnt hat er seine Vorlesung – deren Form von der Akademie nicht genauer festgelegt ist – allerdings nicht in irgendeinem Fest- oder Universitätssaal gehalten, sondern als Video auf YouTube gestellt.

Vor dem Hintergrund von Klaviermusik erzählt Bob Dylan – in einem assoziativ schweifenden, rhythmisch und dynamisch charakteristischen Stil, der stark an seine Songtexte und seine musikalische Vortragsweise erinnert – über die Beziehung seiner Gedichte zu Literatur. Der Nobelpreis habe ihn erst dazu gebracht, genau darüber nachzudenken, sagt er. Natürlich ist seine Vorlesung eine Hommage auf große musikalische Vorbilder, wie Buddy Holly („der mein Leben verändert hat“), Leadbelly oder Woody Guthrie. Bob Dylan erzählt aber auch von Weltliteratur, die ihn beeinflusst habe.

Weit ins Ferne, feindliche Winde

Dazu gehören vor allem zwei Romane und ein Epos: „Moby Dick“ von Herman Melville, „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque und Homers „Odyssee“. Es sind – auch wenn Dylan es nicht eigens betont – allesamt Geschichten, in denen männliche Helden große Strecken zurücklegen, einer feindlichen bis gewalttätigen Umgebung trotzen und um ihr Überleben kämpfen müssen.

Herman Melvilles Roman erzählt von der Jagd Kapitän Ahabs nach dem weißen Pottwal Moby Dick, der ihm einst ein Bein abgerissen hat. Das Buch habe ihn gelehrt, über mehrere miteinander verknüpfte Charaktere zu schreiben, sagt Bob Dylan. Motive daraus fänden sich in mehreren seiner Lieder wieder. „Im Westen nichts Neues“ nennt er eine „horror story“, in der „man seine Kindheit, seinen Glauben an eine sinnvolle Welt und seine Sorge um den Einzelnen verliert. Man kämpft gegen die eigene Auslöschung.“ Hier habe er den Sinn eines Künstlerdaseins in Zeiten des Krieges verstanden. An der Figur des Odysseus fasziniert ihn, wie dieser von den „rastlosen Winden, kalten Winden, feindlichen Winden“ geschüttelt werde, weit reise und weit zurückgeworfen werde. Doch was bedeute das alles eigentlich genau?, fragt er auch. Und bezieht daraus eine poetologische Botschaft: „Ich habe alle möglichen Sachen in meine Songs geschrieben. Und ich zerbreche mir nicht den Kopf darüber, was das alles genau bedeutet.“ (sim)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2017)

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