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Nachruf: Gregg Allman war ein Diener des Blues

Gregg Allman (1947-2017).
Gregg Allman (1947-2017).(c) Universal
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Gregg Allman, Miterfinder des Südstaatenrock, kam am Ende wieder an seinen künstlerischen Ausgangspunkt zurück, den Blues. Jetzt ist er 69-jährig gestorben.

Im Jahr 1972 spielten die Allman Brothers – neben The Grateful Dead und The Band – beim in Watkins Glen stattfindenden „Summer Jam“. Mehr als 600.000 Menschen waren nur für diese drei Bands gekommen. Zum Vergleich: Zum Woodstock-Festival waren etwa 400.000 Seelen gepilgert. Das sagt einiges über die Beliebtheit der Allman Brothers aus. Als eine der damals ganz wenigen gemischtrassigen Bands der USA stampften sie nicht nur das Genre Südstaatenrock aus dem Boden, sondern zelebrierten am liebsten einen Mix aus Blues, Country, Rock und sogar Jazz. Beim „Summer Jam“ beschränkten sich die Allman Brothers auf vier Stunden Spielzeit, aber es gab Nächte, in denen sie sich bis 8 Uhr früh in ihrer Musik verloren.

Aus dieser Zeit stammt auch ihr berühmtes Livealbum „At Fillmore East“, ein Album, das in jeder guten Schallplattensammlung der 1970er-Jahre zu stehen hatte. Im März 1971 aufgenommen, war es letztes Zeugnis für die große Spielfreude, die die Band unter ihrem damaligen Leader Duane Allman, dem um ein Jahr älteren Bruder von Gregg, entwickelt hat. Da umtänzelten einander die Motive der beiden Leadgitarren, während Bass und fauchende Hammondorgel für Erdigkeit in diesem Sound sorgten. Im Oktober 1971 verunfallte Gitarrist Duane tödlich mit dem Motorrad und Gregg, der Orgler und Sänger, musste das Zepter übernehmen. Auf dem 1972 edierten Album „Eat a Peach“ waren noch einige Aufnahmen mit Duane dabei. Darunter das berühmte „Mountain Jam“, ein Stück, das live eine kleine Ewigkeit dauern konnte. Mit Wehmut erinnerte sich Allman 2011 im Gespräch mit der „Presse“ ans frühere Energielevel. „Manchmal dauerte das Stück schon drei, vier Stunden. . .“

Gregg Allman hatte damit geliebäugelt, Kieferchirurgie zu studieren. Am Ende war er jedoch froh, sich für den Rock 'n' Roll entschieden zu haben. „Jeden Morgen um 7 Uhr aufzustehen und in geöffnete Mäuler zu schauen, wäre vielleicht doch nicht so gut für mich gewesen.“ Er hatte sich auf Geheiß seines Bruders innerhalb von wenigen Tagen das Spiel auf der Hammond B-3 beigebracht und entpuppte sich zudem als gewiefter Komponist. Am Debütalbum von 1969 glänzte er mit dem rauchigen Orgelbluesstück „Whipping Post“. In den nächsten Jahren schrieb er viele Klassiker der Band. Das Spektrum reichte da vom mystisch angehauchten „Midnight Rider“ über „Mystery Woman“ bis hin zum 1980er-Jahre-Hadern „I'm no Angel“. Zudem fand er immer wieder Zeit für inspirierte Soloalben. „Laid Back“, die erste Liedersammlung unter eigenem Namen, enthielt neben einer verträumteren Version von „Midnight Rider“ auch Allmans wohl schönste Komposition „Queen of Hearts“. „Ya see the fact is more or less, you're gamblin' with your own happiness“ sang er da mit weher Stimme.

Die Ehe mit Cher zerbrach

Allman war selbst so eine destruktive Spielernatur, wie er sie da porträtierte. Diese Neigung lebte er ab 1975 aus. Aus einer Liaison mit Sängerin und Schauspielerin Cher wurde eine turbulente Ehe, die 1978 zerbrach, weil Allman den zunächst als berauschend empfundenen Celebrity-Lebensstil seiner Frau nicht mehr mitmachen wollte. 1995 wurden die Allman Brothers in die Hall of Fame aufgenommen. Nachdem er seinen desaströsen Auftritt mit der knappen Dankesrede im Fernsehen gesehen hatte, entschloss er sich, endgültig mit den toxischen Substanzen Schluss zu machen. Doch Hepatitis, Zirrhose und Krebs hatten die Leber schon so in Mitleidenschaft gezogen, dass sich Allman 2010 einer Transplantation unterziehen musste. Kurz davor nahm er die Liedersammlung „Low Country Blues“ auf, die als Höhepunkt seiner Laufbahn gilt.

Der Blues war das Werkzeug, mit dem Allman zum Wesen der Dinge vordrang. „Ich hätte als Schwarzer auf die Welt kommen sollen, meine Verkehrtheit hätte dann ihre Kehre gefunden,“ ließ Südstaatenromancier Walker Percy seinen Protagonisten in „Der Idiot des Südens“ sagen. Diese Art von Wende ist Allman in seiner Adaption des Blues früh und lebenslang geglückt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2017)

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