Fernsehen und Politik: Die Satiriker der Nacht

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Es sind viele, und sie schwappen durch soziale Netzwerke auch zu uns: die Late-Night-Talker des US-Fernsehens. Ein Wegweiser durch das immer größer werdende Angebot für das Wahlkampf-Finish.

Stellen Sie sich das doch einmal vor: Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen sind in den kommenden Wahlkampfwochen nicht nur im „Report“ und in der „ZiB 2“ zu Gast, sondern auch in sämtlichen Comedysendungen, um sich dort bereitwillig aufs Witzeglatteis führen zu lassen. Gut, das Bild hinkt schon deswegen, weil es in Österreich mit „Willkommen Österreich“ nur eine solche Sendung gibt. Doch auch in die würde sich kein aktiver politischer Vertreter begeben. Immerhin werden dort derzeit die Präsidentschaftskandidaten vom Duo Grissemann/Stermann ziemlich gut parodiert.

In den USA hingegen gehören Satire und Show zum Politgeschäft. Das wissen auch die Kandidaten für das Präsidentenamt. Deswegen tourten Bernie Sanders, Hillary Clinton und Donald Trump bereitwillig durch die Late-Night-Studios des Landes und saßen etwa bei den beiden Jimmys (Kimmel und Fallon) im Studio. Es entbrannte eine Debatte, ob es überhaupt in Ordnung sei, Trump einzuladen. Für Künstler wie Zach Galifianakis und Samantha Bee käme das nicht infrage.

Längst haben die Showanbieter begriffen, dass sie die Popularität ihrer meist spätnächtlichen Produktionen mithilfe der sozialen Netzwerke steigern können, und filetieren ihre Sendungen in mundgerechte Videos, die sich schnell verbreiten. Auch der scheidende Präsident, Barack Obama, und seine Frau, Michelle, wissen sich dort zu inszenieren. Er liest die gemeinsten Tweets, sie dreht mit James Corden Runden um das Weiße Haus und trällert dabei Missy-Elliott-Raps. Mit Politik hat das freilich nicht mehr viel zu tun.

Die Late-Night-Talker sind das eine, das andere sind kluge Satiriker, die gelungene und mutige Parodien auf Trump und Clinton darbieten, wie etwa das Ensemble von „Saturday Night Live“. Es sind vor allem diese Sendungen, die auch Nichtamerikanern den Wahlkampf verständlich machen.

„SATURDAY NIGHT LIVE (SNL)“ (NBC)

Sie ist der Klassiker unter den TV-Sketch-Shows und das nicht nur wegen ihres Alters. Im Vorjahr feierte „Saturday Night Live“, kurz „SNL“, ihr 40-jähriges Bestehen. Viele der heute sehr bekannten US-amerikanischen Comedians oder Schauspieler sind durch die „SNL“-Schule gegangen. Darunter Bill Murray, Dan Aykroyd und James Belushi, Ben Stiller oder Adam Sandler und im vergangenen Jahrzehnt erfreulicherweise auch Frauen wie Sarah Silvermann und Kirsten Wiig. Tina Fey und Amy Poehler (siehe kleines Bild oben) sind zwar nicht mehr Teil der Stammbesetzung, treten aber nach wie vor vereinzelt in Sketches auf. Auch Jimmy Fallon war Teil des Ensembles, bevor er 2004 seine erste eigene Show bekam.

Mit wöchentlich rund acht Millionen Zusehern ist „SNL“ die reichweitenstärkste Fernsehcomedy der USA. Eine ihrer Stärken ist die Distanz zur Politik aller Lager. Das fiel vor allem im vergangenen Jahr und besonders während des finalen US-Wahlkampfs auf. Anders als bei den liberalen TV-Gastgebern Samantha Bee und John Oliver werden hier sowohl Donald Trump als auch Hillary Clinton parodiert. Gekonnt stellt das Stammteam der Sendung im Wechselspiel mit bekannten Gästen wie derzeit Alec Baldwin die jüngsten „Election Debates“ zwischen Trump (die Rolle des Lebens für Baldwin) und Clinton (schon viel länger, aber immer sehr präzise Kate McKinnon) nach. Teilweise vergehen nur wenige Tage zwischen der Ausstrahlung der echten und der nachgestellten TV-Duelle.

Es sind vor allem Größe und Beliebtheit der Sendung, die Trump und seine Unterstützer – darunter überraschenderweise auch Alec Baldwins Bruder Stephen, der in der Sendung dafür prompt auch verarscht wurde – derzeit veranlassen, lautstark Kritik an „SNL“ zu üben. Mitte Oktober twitterte Trump: „Alec Baldwin's portrayal stinks. Time to retire the boring and unfunny story“. Mit der vergleichsweise nischigen Sendung von Samantha Bee hält sich Trump erst gar nicht auf. Dabei muss man sagen: Obwohl in manchen Sketches die Abneigung der Comedians gegenüber Trump unübersehbar ist, wird auch Hillary Clinton nicht mit Samthandschuhen angefasst. Ihre häufige Erwähnung ihrer Tochter oder der Jahre an Ehemann Bills Seite und ihr geschicktes Ausweichen bei Fragen zu ihrem E-Mail-Skandal bringt Kate McKinnon immer wieder hervorragend auf den Punkt.

Auch wenn es von Anfang die Stärke von „SNL“ war, sich über gesellschaftliche Entwicklungen und politische Protagonisten lustig zu machen, zeigt sich, dass die Sendung in der vergangenen Saison besonders gut in Form war. Offensichtlich konnte sie den Moderatorenwechsel bei der zwanzig Jahre jüngeren Konkurrenz „The Daily Show“ für sich nutzen. Dort übernahm im September 2015 mit dem Südafrikaner Trevor Noah der erste nicht weiße Komödiant das Mikrofon von Jon Stewart; und der Neue ist zwar gut unterwegs, hat teils hervorragende Korrespondenten im Team, muss aber erst zu sich finden.

Aufgebaut ist die Sendung im Grunde wie eine Nachrichtensendung. Zwei Moderatoren begrüßen die Gäste und kommentieren das Geschehen der vergangenen Tage. Dazwischen werden Sketch-Beiträge eingespielt. Seit einiger Zeit probiert „SNL“ eine Gast-Rochade. In der vergangenen Woche war Schauspieler Tom Hanks Promi-Gastgeber und sowohl Moderator im Studio als auch Darsteller in manchen Sketches.

„SNL“ hat zudem von Jimmy Fallon und den anderen Internet-Auskennern gelernt und stellt mittlerweile die besten Sketches aus der aktuellen Sendung im Lauf des Sonntags auf YouTube oder die eigene Facebook-Seite. Die Videos verbreiten sich so rasant in aller Welt. Wer in den vergangenen Monaten keinen einzigen Clip mit Alec Baldwin als Trump-Double gesehen hat, ist entweder nicht auf Facebook oder interessiert sich aus Protest nicht für amerikanische Politik und/oder Medien.

„JIMMY KIMMEL LIVE“ (ABC)

Er ist weniger für seine geschliffenen politischen Witze bekannt als für die Anstiftung zur besonders fiesen Irreführung von Kindern. Seit einigen Jahren ruft Jimmy Kimmel (*1967) Eltern dazu auf, ihre Kinder dabei zu filmen, wie sie ihnen gestehen, ihre Halloween-Süßigkeiten aufgegessen zu haben. Die zahlreich eingeschickten Handyvideos, die viele Tränen oder strenge Kinderworte an die Erziehungsberechtigten zeigen, montiert er jedes Jahr zu einer – zugegeben – äußerst amüsanten Videokollage. Erfunden hat er auch das Format „Celebrities Read Mean Tweets“, gerade las Barack Obama Twitter-Gemeinheiten vor und konterte Trump. Hohe Klickrate im Netz garantiert!

„LAST WEEK TONIGHT WITH JOHN OLIVER“ (HBO)

John Oliver (* 1977) ist der intellektuelle Erzähler des US-amerikanischen Fernsehens. Und schon aufgrund seiner Herkunft eine Besonderheit: Er ist nämlich Brite. Seine Monologe liefern oft eine differenzierte, tief gehende, aber immer auch humoristische Auseinandersetzung mit einem Thema. Das muss nicht zwangsläufig Politik sein. Ist es aber oft. Vor wenigen Wochen nahm er sich in einem viel beachteten Beitrag der Printmedienkrise an. Sogar ein österreichischer Politiker kam kürzlich bei ihm zu Wort: In der Sendung vor der Brexit-Abstimmung im Juni appellierte Oliver an seine Landsleute, gegen den Ausstieg aus der EU zu stimmen. Und spielte schließlich den SPÖ-Europaabgeordneten Eugen Freund ein, der auf Englisch ein offenbar selbst gereimtes Anti-Brexit-Gedicht rezitierte. Olivers Kommentar dazu: „Komm schon, Großbritannien, wenn ein österreichischer Bürokrat mittleren Alters euch mit krassen Halbreimen in einem belebten Flur nicht umstimmen kann, dann kann es niemand!“ Er liefert Unterhaltung mit Niveau.

„THE TONIGHT SHOW“ (NBC)

Jimmy Fallon war im vergangenen US-Wahlkampf nicht in Bestform. Nicht nur Kollegin Samantha Bee (siehe links) nahm ihn wegen seiner zu sanften Art, Gast Donald Trump zu befragen (und ihm durch die Haare zu fahren), aufs Korn. John Oliver war da viel, Jimmy Kimmel etwas kritischer mit dem Präsidentschaftskandidaten. Generell tut man sich aus der Ferne etwas schwer, die beiden Jimmys – Kimmel und Fallon – auseinanderzuhalten. Letztlich ist es reine Geschmackssache, wer einem besser gefällt. Fallon ist sicher eitler als Kimmel – und noch apolitischer. Das zeigt schon seine bekannteste Rubrik. Darin singt er mit Stars wie Madonna oder Adele Coverversionen von sehr bekannten Liedern.

„BETWEEN TWO FERNS“ (Online; Comedy Central)

In dieser Show ist nichts mehr ernst gemeint. Umso erstaunlicher ist, dass sich Prominente und Politiker dennoch seit 2008 den schräg-subtilen Fragen von Comedian Zach Galifianakis (* 1969) stellen. Barack Obama war 2014 zu Gast und schlug sich wacker.
Schon das Studiodesign und die langsame Fahrstuhlmusik sind ironische Zitate. Die beiden Farne, zwischen denen der Interviewer und sein Gast Platz nehmen, sollen an die kargen Studies von Communityfernsehsendern erinnern. Galifianakis produziert die Talkshow für den Websender Funny Or Die und vereinzelt für den Sender Comedy Central.
Als Hillary Clinton Ende September bei ihm zu Gast war, spielte er Werbevideos von Trump ab, um sie aus dem Konzept zu bringen. Und am Ende des Gesprächs sagte er zu Clinton: „We should stay in touch. What's the best way to reach you? Email?“ Trump war übrigens nicht zu Gast. Das interessiere ihn nicht, so Zach Galifianakis.

„FULL FRONTAL WITH SAMANTHA BEE“ (TBS)

Wenn Alec Baldwin die männliche Satire-Entdeckung der Saison ist, ist Samantha Bee (*1969) die weibliche. Obwohl sie erst seit vergangenem Februar ihre eigene Sendung „Full Frontal with Samantha Bee“ hat, hat sich die aus Kanada stammende Komikerin bereits eine treue Fangemeinde von rund einer Million Zusehern erarbeitet. Sie gilt als betont liberal und prononcierte Trump-Gegnerin. So war es vor allem sie, die ihren Kollegen Jimmy Fallon und den Sender NBC massiv kritisiert hatte, in seiner Show im September Trump regelrecht verhätschelt zu haben, anstatt ihm harte Fragen zu stellen. Auf diese Weise würde Trump „normalisiert“ werden.
Sie selbst lernte ihr komödiantisches Handwerk zwölf Jahre lang bei Jon Stewart in der „Daily Show“ und war sichtlich enttäuscht, dass der Sender nicht ihr, sondern Trevor Noah Stewarts Nachfolge anbot. Neben den Frauen aus „Saturday Night Live“ und ihrer viel bekannteren, wenngleich viel weniger politischen Kollegin Amy Schumer eine der wenigen Frauen im Genre der Politsatire. Und die einzige mit eigener Show.

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