Lübeck. Rusta aus Schweden – das sind mehrere Fachgeschäfte in einem. Jetzt will der Discounter von Lübeck aus den deutschen Markt erobern.

Ein Regal mit Girlanden, bunten Pappbechern, alles für die Gartenparty. Eine ältere Dame und ihre Tochter greifen nach einer Gartenlampe, prüfender Blick. Schließlich stellt die Tochter die Lampe wieder zurück. Sie haben Werbung von Rusta gesehen, sind extra nach Lübeck gekommen, um zu testen. Der schwedische Discounter hat vor zwei Wochen eine Filiale in der Stadt nahe der Ostsee eröffnet, die erste überhaupt in Deutschland.

Der Discounter ist eine Mischung aus Baumarkt, Einrichtungsgeschäft, Möbelhaus und Drogeriegeschäft. Billig soll es sein, aber nicht billig aussehen. In Schweden und Norwegen ist Rusta mit dieser Strategie bereits zur festen Größe im Einzelhandel aufgestiegen. Mehr als 100 Filialen hat die 1986 gegründete Kette in den beiden Ländern.

Ausstattung erinnert an schwedisches Möbelhaus

Im abgelaufenen Geschäftsjahr setzte das Unternehmen knapp 460 Millionen Euro um. Doch der skandinavische Markt ist im Vergleich zu dem des großen Nachbarn im Süden klein, Expansion kaum mehr möglich. Auf Deutschland setzt Rusta daher große Hoffnungen.

Die Gestaltung der Ladenräume bei Rusta erinnert etwas an Ikea. Neon-Licht, gefliester Boden, Metallregale. Toilettenpapier im selben Verkaufsraum mit Wandfarbe, Klappstühlen, Kunsttulpen. Knallgelbe Schilder verweisen auf Schnäppchen: 9,90 Euro, 1,90 Euro, 13,99 Euro. Wie der schwedische Möbelgigant hat auch Rusta einen festgelegten Weg zwischen einzelnen Abteilungen auf einer einzigen großen Verkaufsfläche. Wer zur Kasse will, muss erst die Sektionen passieren. Rusta-Geschäftsführer Göran Westerberg nennt das „Flow“, englisch für „Strom“ oder auch eine Sache, die gut läuft. Und das könnte für Rusta in Deutschland zum Programm werden.

Alles muss schnell und einfach einzukaufen sein

Lübeck ist eine Art Versuchslabor. Westerberg will lernen, wie die Kunden hierzulande ticken. Der 46-Jährige steht am Eingang, umgeben von Rabatttafeln und bunter Aktionsware. Mit seinen Lederschuhen, Hemd, Jackett und glänzender Uhr wirkt der Geschäftsmann etwas aus dem Rahmen gefallen. Er spricht Englisch. Das Wort „Lübeck“ bereitet ihm noch Probleme. Es ist mitten an einem Werktag, dennoch ist das Geschäft gut gefüllt. Die Kundschaft würden Marketingstrategen wohl „preissensitiv“ nennen. Senioren mit schmaler Rente, junge Pärchen mit niedrigem oder keinem Einkommen.

Westerberg zeigt auf ein Regal mit Schauma-Shampoo und Fa-Duschgel. „Es war clever, dass wir die Drogerieabteilung an den Eingang gelegt haben“, sagte er zufrieden. Kleine Änderungen müssen aber wohl vorgenommen werden: „Die Gartenstühle im Eingang müssen hier weg.“ Die Auswahl der Produkte je Kategorie ist klein, dafür stehen die Artikel in großer Anzahl in den Regalen. Man konzentriere sich auf massentaugliche Ware, erklärt der Schwede. Und es gibt noch eine Regel bei Rusta: Alles muss schnell und einfach einzukaufen sein und binnen zehn Minuten zum Auto transportiert werden können.

All das passe gut zu den Kunden in Deutschland, die sehr auf den Preis achteten. Dem Rusta-Chef gefällt, dass die Deutschen nicht auf Markenprodukte fixiert sind wie in anderen europäischen Ländern. „Sie akzeptieren neue Marken und No-Name-Produkte schnell, das ist perfekt für uns.“ Beobachtet hat er das bei Ikea und der Kleidungskette H&M, aber auch am Erfolg der Supermarktketten Lidl und Aldi.

„Wir liegen 50 Prozent über dem Verkaufsziel“

Die Bilanz nach den ersten zwei Wochen gibt dem Rusta-Chef Recht. „Wir liegen 50 Prozent über dem Verkaufsziel, das wir uns für den Start gesetzt haben.“ Weitere Mitarbeiter sollen eingestellt werden. Jetzt schon ordnet Westerberg die Filiale unter die Top 20 der umsatzstärksten Niederlassungen ein. „Und das ist erst Lübeck.“ Westerbergs Augen glänzen beim Gedanken an den deutschen Markt. Er hat Großes vor: Schon im Herbst soll in Schwentinental nahe Kiel das zweite Geschäft eröffnen. Rusta konzentriert sich auf kleine und mittelgroße Städte zwischen 50.000 und 250.000 Einwohnern – gemessen an schwedischen Maßstäben sind das Großstädte.

Westerbergs Rechnung geht so: In Deutschland gebe es mehr als 100 Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern. „Bei Städten mit über 50.000 Einwohnern können wir sogar zwei oder mehr Geschäfte eröffnen.“ Macht 500 Rusta-Geschäfte, die in den kommenden Jahren in der Bundesrepublik entstehen könnten. Ein ambitioniertes Ziel. Die etablierte Baumarktkette Obi bringt es nur auf etwas über 600 Filialen.

Die Lust am Selbermachen und Gestalten ist hoch

Sebastian Deppe, Mitgeschäftsführer der Handelsberatung BBE, beurteilt das Konzept des schwedischen Discounters als „erfolgsversprechend“. Kleinstädte seien zum Teil von Ladensterben bedroht. „Rusta füllt hier eine Lücke“. Außerdem sind die Standorte vergleichsweise günstig. Nach den Pleiten der Ketten Praktiker und Max Bahr vor drei Jahren hat sich der Markt entspannt. Die Lust am Selbermachen und Gestalten ist hoch. Der Umsatz im Do-it-yourself-Markt, zu dem auch Gartenbedarf und Raumausstattung gezählt werden, lag 2016 den Marktforschern von Teipel Research & Consulting zufolge bei 48,4 Milliarden Euro. Doch es gibt viele Konkurrenten, die ein Stück vom Kuchen abbekommen wollen.

Allein im reinen Heimwerkersegment buhlen mehr als zehn Ketten um Kundschaft. Marktführer ist die zum Tengelmann-Konzern gehörende Gruppe Obi, gefolgt von Bauhaus und Hornbach. Längst zielen Baumärkte nicht mehr nur auf männliche Kunden ab. Für Rusta könnte dies Konkurrenz bedeuten. „Allein mit einem günstigen Preis wird Rusta nicht überzeugen. Das bieten auch schon Ein-Euro-Länden wie Mäc Geiz oder Tedi“, sagt Marktbeobachter Deppe. Letztlich müssten auch die Qualität und die Mischung überzeugen.

In Lübeck jedenfalls sucht Rusta die Konfrontation mit den Konkurrenten, in direkter Nachbarschaft zum Hagebaumarkt und der Einrichtungskette „Dänisches Bettenlager“. „Keine bessere Gelegenheit, das Konzept zu testen“, begründet Westerberg die Entscheidung. An der Kasse fragt ein Kunde, wann Rusta in einer Großstadt eröffne. Westerberg zögert. Eigentlich will er doch die Großstädte meiden. Dann blickt er zur Schlange wartender Kunden und sagt: „Wir kommen auch irgendwann nach Hamburg“. Falls dort die Kunden Schlange stehen, bekommt vielleicht auch Berlin seinen ersten Möbeldrogeriebaumarkt.