Streit um Genossenschaftsgesetz

Angst vor Vertrauensverlust

Eine Filiale der VR Bank Weimar eG
Ein möglicher Vertrauensverlust aufgrund der Gesetzesänderung ist Thema auf dem landwirtschaftlichen Unternehmertag der 15 Volks- und Raiffeisenbanken in Sachsen-Anhalt. © picture alliance / dpa / Martin Schutt
Von Anke Petermann · 15.05.2017
Es gibt Streit um eine mögliche Genossenschaftsnovelle. Eine Gesetzesänderung soll die Hürden für Genossenschaftsgründungen senken. Nicht alle sind davon begeistert. Kritiker fürchten einen Etikettenschwindel - und Vertrauensverlust.
Vor zwei Jahren hat der Mainzer Software-Unternehmer Thomas Hahner gemeinsam mit anderen eine Dienstleistungs-Genossenschaft gegründet, aus der immer neue Geschäftsideen hervorgehen. Ein Zentrum für Kreative aller Branchen ist damit in den alten Güterhallen am Hauptbahnhof entstanden. Das Unternehmenskonzept musste dem Genossenschaftsverband vorgelegt werden.
"Das ist eigentlich eine ganz tolle Infrastruktur, die da zur Verfügung steht: Die haben Rechtsanwälte, Steuerberater, die das Geschäftsmodell prüfen. Und erst, wenn die gesagt haben, das ist ein tragfähiges Konstrukt, dann kann ich zum Notar laufen und mich eintragen lassen."
Dass Genossenschaften kaum je pleitegehen, schreibt der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband dieser genauen Begutachtung zu. Dazu kommen weitere regelmäßige Pflichtprüfungen. Hilfreich, aber mit vierstelligen Beträgen für Kleinstgenossenschaften kaum zu bezahlen, weiß die Chefin des Fachprüfungsverbands von Produktionsgenossenschaften, mit Sitz in Halle an der Saale:
"Dafür soll ja die Novelle des Genossenschaftsgesetzes Erleichterungen schaffen, in dem zum Beispiel der Prüfungsumfang für die sehr kleinen Genossenschaften deutlich reduziert wird, ohne dass dabei die Schutzfunktion für die Mitglieder vollkommen aufgegeben wird."
Gut, findet Cornelia Wustmann. Doch dass die Novelle außerdem die Größengrenzen für die Pflichtprüfung des Jahresabschlusses weiter anheben will, sei nicht in Ordnung. Auch bei den genossenschaftlichen Spitzenverbänden befürchtet man, dass das zu Etikettenschwindel führen könnte: Es stünde noch Genossenschaft drauf, wo nicht mehr sorgfältig durchgeprüfte Genossenschaft drin ist.

Manche Unternehmen wollen Prüfungen freiwillig beibehalten

Ein möglicher Vertrauensverlust ist Thema auf dem landwirtschaftlichen Unternehmertag der 15 Volks- und Raiffeisenbanken in Sachsen-Anhalt. Die Agrargenossenschaft Weißenschirmbach ist der größte Arbeitgeber der ländlichen Region um Querfurt im Süden von Sachsen-Anhalt. Die anstehende Gesetzesänderung würde dieses Unternehmen nicht von der Prüfung des Jahresabschlusses befreien. Doch die weit weniger umsatzstarke Wärmegenossenschaft als Tochter käme nach der Gesetzesänderung mit einer vereinfachten Prüfung aus. Der Vorstandschef der Agrargenossenschaft sieht darin aber keine Entlastung. "Mit Blick auf den Jahresabschluss überlegen wir...", sagt Norbert Münch,
"…wenn das dann so kommt, dass wir trotzdem die Prüfung freiwillig machen. Denn es sind 50 Genossen, die alle in anderen Wirtschaftsbereichen unterwegs sind, auf Montage sind oder Rentner sind. Und um denen am Jahresende darzulegen, wie wir mit ihrem Geld gewirtschaftet haben, ist das ein hervorragendes Instrument, von außen jemanden sagen zu lassen: 'Hier sind die Zahlen, hier ist alles in Ordnung.' Oder: 'Hier ist ein Risiko, hier müsst ihr mal genauer hingucken."
Auch Jan Röder, Vorstand der Volksbank Halle an der Saale, warnt davor, das Prüfsystem aufzuweichen:
"Wer es nicht schafft, die Kriterien zu erfüllen, die wir bislang haben, sollte sich fragen, ob es Sinn macht, weiterhin wirtschaftlich aktiv zu sein. Denn der Schaden ist dann nicht nur bei den Genossen, der Genossenschaft unmittelbar, sondern auch bei den Geschäftspartnern, das zieht Kreise."

Sicherheiten für die Genossen und ihre Einlagen

Wie auch immer der Streit um die Genossenschafts-Novelle ausgeht, die südpfälzische Denkmalschutz-Initiative zugunsten von Landaus ältestem Haus ist nicht mehr zu stoppen.
Flohmarkt und Menschen vor dem"Hauses zum Maulbeerbaum" in Landau
Flohmarkt im Innenhof des Landauer "Hauses zum Maulbeerbaum", mit dem die Genossenschaft für ihr Projekt zur Erhaltung des Gebäudes dem 17. Jahrhundert werben will.© Deutschlandradio / Anke Petermann
Zum Tag der offenen Tür haben die "Freunde des Hauses zum Maulbeerbaum" in Landaus historische Herberge mit den einzigartigen Wandmalereien aus dem 18. Jahrhundert eingeladen, darunter Fraktur-Verse aus der Luther-Bibel. In nächster Zeit wollen sie die Gründungsprüfung abschließen, so Michael Zumpe vom Genossenschafts-Vorstand.
"Es müssen Geschäftspläne für mindestens drei Jahre vorgelegt werden, und die müssen plausibel sein, und wenn die das nicht sind, gibt es keinen Prüfungsvermerk und gibt es auch keine Eintragung. Das ist vor allem eine Sicherung für die Genossen und ihre Einlagen. Es ist schon auch sinnvoll, wenn auch vielleicht für kleinere Genossenschaften übertrieben bürokratisch, aber im Prinzip ist das schon berechtigt."
Ob die neuen gesetzlichen Erleichterungen nun durchkommen oder nicht: die Genossenschafter bleiben bei der Stange. Zum "Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung" hat der Bund das "Haus zum Maulbeerbaum" erklärt und zugesagt, dem maroden Bau bis zu 300.000 Euro zuzuschießen. Die Stadt Landau will ihn der Genossenschaft übertragen und gibt 600.000 Euro allein für die Stabilisierung aus. Damit hat die Genossenschaft den Abriss verhindert, rechtzeitig zum Luther-Jahr 2017.
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