Baseball in Deutschland

Ballsportler mit viel Geduld und Gefühl

Pitcher Justin Kühn von den Legionären Regensburg.
Pitcher Justin Kühn von den Legionären Regensburg. © imago/Tischler
Von Fritz Schütte · 23.04.2017
Sage und schreibe 600 Baseball-Vereine gibt es in Deutschland. Unser Autor hat zwei von ihnen besucht - die Dohren Wild Farmers und die Legionäre aus Regensburg. Das Vereinsleben zeigt, dass beim Baseball die Lust an der Gemeinschaft wichtiger ist als der schnelle Erfolg.
Stadtführung in Regensburg. Im Keller eines Parkhauses stehen Touristen staunend vor einer Mauer aus wuchtigen Steinquadern.
"Dieses Parkhaus wurde in den Siebziger Jahren gebaut. Damals hat man die Mauer auch wieder entdeckt, und 2008 wurde das hier alles renoviert."
Eine Schautafel zeigt: Die Mauer gehörte zu einer Kaserne, hinter der vor fast zweitausend Jahren sechstausend Soldaten lebten, Legionäre aus allen Teilen des römischen Reiches. Für Römer war Regensburg äußerster Vorposten der Zivilisation. Nördlich der Donau begann die Wildnis.
Infosprecherin: "Am Osttor war die Lagertorinschrift angebracht, die heute im gegenüber dem Parkhaus gelegenen historischen Museum ausgestellt ist."
Heute sind die Legionäre fünf Kilometer entfernt zu Hause: in der Armin-Wolf-Arena, Deutschlands größtem Baseballstadion.
Fanfare und Stadionsprecher: "Ja, herzlich willkommen liebe Zuschauer heute Abend in der Baseballarena beim Spitzenspiel in der ersten Bundesliga Süd, Regensburg Legionäre gegen die Gäste aus Heidenheim. Und hier kommen sie, unsere Jungs: die Mannschaftsaufstellung der Legionäre: erster Schlagmann mit der Rückennummer ein Lukas Jahn."

"Das Bayern München des Baseball"

Regensburg gegen Heidenheim, das Spitzenspiel der Ersten Liga Gruppe Süd, ist ein Muss für Bundestrainer Martin Helmig.
"U-23-Nationalspieler der linke, der andere ist auch Nationalspieler Lukas Jahn, Jimenez im Rightfield U-23 Nationalspieler, im Centerfield Maik Ehmcke hat in Amerika Profibaseball gespielt und ist Nationalspieler. Das ist also hier das Bayern München des Baseballs, sagen wir mal."
Martin Helmig kommt aus Mannheim. Sein Vater Claus hat Baseball von den dort stationierten amerikanischen Soldaten gelernt und später die Mannheim Tornados gegründet, den ältesten deutschen Baseballverein und Rekordmeister.
"Es gab natürlich auch in Berlin Mannschaften und in München, aber nicht so viele wie heutzutage. Man hat ja heutzutage 600 Clubs in Deutschland, was die meisten Leute gar nicht wissen oder was man sich gar nicht vorstellen kann. Das ist nicht so präsent, wie es in der Realität wirklich ist."
Als Jugendlicher hat Martin Helmig Eishockey gespielt, aber als er mit Zwanzig ein Stipendium für die USA bekam, waren die Weichen gestellt.
Ich habe College Baseball gespielt und war dann in der ganzen Welt als Spieler unterwegs, später als Trainer. In Südafrika war ich acht Winter, habe da den Winter verbracht, bin der Sonne nachgereist. Wenn es hier Winter wurde, habe ich dort Baseball spielen dürfen."
Stadionsprecher: "Everybody clap your hands!"
Ein Spieler mit Helm auf dem Kopf versucht mit einer Keule den faustgroßen Ball zu treffen, den ihm ein anderer mit voller Wucht entgegenschleudert. Die anderen Spieler stehen warten. Oft scheint gar nichts zu passieren. Wer keine Ahnung hat, fängt bald an, sich zu langweilen. Höchste Zeit, den Regelerklärer heranzuwinken.
"Los geht's mit der Mannschaft, die den Schläger in der Hand hat. Deren Ziel ist es, den Ball ins Feld zu bringen. Wenn der Ball drinnen ist, dann muss der, der geschlagen hat, so schnell wie möglich zum ersten Kissen - First Base. Wenn er dort gewesen ist, dann zum second base, wenn er dort war, zum dritten Kissen. Und erst dann, wenn er die Platte berührt, gibt es einen Punkt."
Nur die Mannschaft, die schlägt, kann punkten, sagt Markus Brunner. Ein Spieler, der dreimal nicht trifft, ist aus.
Was will die verteidigende Mannschaft? – Die will den Ball so schnell wie möglich fangen. – Nein, die verteidigende Mannschaft will drei "Aus" erzielen. Nach drei "Aus" wird gewechselt. Die erste Möglichkeit ist, der Werfer wirft seinem Freund, dem Fänger, den Ball so zu, dass der mit dem Schläger den Ball nicht trifft. Die zweite Möglichkeit ein "Aus" zu erzielen ist, den Ball schneller zum Kissen zu bringen, als der Läufer dort ist, was jetzt gerade passiert ist."
Wenn der Spieler den Ball mit der Keule so gut erwischt, dass er über den rund einhundert Meter entfernten gelben Zaun fliegt, ist das ein Joker für die angreifende und eine Niete für die verteidigende Mannschaft.
"Kann die Mannschaft den Ball noch zum Kissen bringen? – Nein. – Kann die Mannschaft den Läufer noch berühren? – Nein. – Können die den Ball aus der Luft fangen. – Nein. – Deswegen läuft der beim homerun einmal rund rum und macht die Punkte."
Leider kommen Homeruns nicht so häufig vor, dass es sich lohnt darauf zu warten.
"Die wichtigste Regel beim Baseball ist: Ihr kommt zum Baseball nicht wegen des Spiels, sondern wegen der netten Leute, wegen der Atmosphäre, wegen des Essens, wegen des Trinkens, wegen allem anderen. Wenn es plopp macht, dann schaut man da schnell hin. Passt schon wieder. Und dann kann man weiter tratschen. Das gibt es bei keinem anderen Sport."

Spiel dauert fünf bis sechs Stunden

Auf der Tribüne fahren Kinder mit Rollern umher. Der Hotdogstand ist dicht umlagert. Wie lange ein Partie dauert, lässt sich nicht vorhersagen. Da sich das Rückspiel gleich anschließt, sollte man fünf bis sechs Stunden einplanen.
"Ich komme hier eigentlich immer bei Heimspielen. Wenn ich gesundheitlich in der Lage bin und auch beruflich in der Lage bin, dann bin ich da."
"Ich komme aus Amerika. Ich kann definitiv sagen, dass es in Amerika ein bisschen schneller ist.
"Ich finde es sehr entspannt, also nicht so stressig wie andere Sportarten."
"Für amerikanische Zuschauer ist das hier ja auch nichts. Hier passen jetzt etwa 1600 Leute rein. Das ist, glaube ich, vierte amerikanische Baseballliga, so etwa in der Richtung."
Der erste Baseball dürfte in Regensburg Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre durch die Luft geflogen sein, vermutet Dieter Ondracek. Er ist 73 und Vorstandsmitglied der Legionäre.
"Im Süden, im Osten und im Westen waren Kasernen und am heutigen Goethe-Gymnasium waren die Amerikaner mit ihrer Kommandantur stationiert, und im Schulhof war ein Baseballplatz. Das war für uns Jungens der erste Eindruck vom Baseball, den wir gekriegt haben und der uns damals nicht sehr begeistert hat: einen Ball schlagen, treffen und dann laufen. Da war der Sinn nicht richtig entdeckt worden. Das ist erst später gekommen, dass das eigentlich ein Spiel ist, das mehr als Fußball ist, wo nur das Runde in das Eckige muss, sondern wo man eben laufen, werfen, fangen muss und auch den Kopf mitspielen lassen muss, wo könnte der Ball hingehen, dass ich mich richtig hinstelle, um den Ball möglicherweise zu fangen."
Anders als die Mannheimer entdecken die Regensburger Baseball erst, als die amerikanischen Soldaten längst abgezogen waren. Das war vor dreißig Jahren.
"Da haben sechs junge Abiturienten sich zusammengetan und gesagt, wir wollen Baseball spielen. Dann haben sie bei der Regensburger Turnerschaft angeklopft, und die haben sie dann gnädigerweise aufgenommen. Dann gab es aber sehr bald Konflikte mit den Fußballern wegen der Platzbelegung."
Zehn Jahre später bezogen die Legionäre ihr eigenes Stadion. Es gibt sogar einen Fernsehkanal, der die Spiele im Internet live überträgt. Vor einem Jahr ist das Sportinternat in die Arena umgezogen.
"Im Internat selber haben wir dreißig Zimmer, und dreißig Schüler. Wir sind voll ausgebucht. Momentan sind es zehn Eishockeyspieler und zwanzig Baseballspieler."
Erfolgreiche Baseballspieler haben hier gewohnt, sagt Internatsleiter Martin Brunner: Max Keppler, der jetzt bei den Minnesota Twins unter Vertrag ist oder Donald Lutz.
"Donald Lutz war der erste Spieler, der es in die Major League geschafft hat."
Martin Brunner selbst hat seine Spielerlaufbahn 1996 beendet.
"Ich habe nur eine ganz, ganz kleine, nicht nennenswerte Erfahrung mit Profibaseball gemacht. Ich wurde eingeladen nach Florida von den Montreal Expos. Aber die haben relativ schnell erkannt, dass das nichts für mich ist."
Das klingt ein bisschen unbestimmt.
"Ach, ich war einfach nicht gut genug. Damals in den neunziger Jahren war die Liga in Deutschland immer verglichen mit dem, was heute stattfindet, das waren ja gigantische Welten."
Baseball ist Schönwettersport. Die Saison endet im Herbst mit den Playoffs um die deutsche Meisterschaft.

Ein Film inspirierte die Dohrener zum Baseball

Stefan Müller schließt eine Stahltür auf.
"Hier drinnen haben wir drei Schlagkäfige. Das heißt, da kann eine komplette Mannschaft trainieren. Die Schlagkäfige lassen sich alle zur Decke hochziehen. Das heißt, man kann dann fielding drills machen und Laufübungen, Athletikübungen."
Stefan Müller ist Konditionstrainer, hat Baseball gespielt, musste aber wegen Schulterproblemen früher als geplant aufhören.
"Meine Schule war in der Nähe von einer ehemaligen Amikaserne und da war ein Baseballfeld mit integriert. Unser Englischlehrer kam aus Amerika und hat das dann als Wahlpflichtfach angeboten, und da habe ich dann einfach mitgemacht und dabei so ein bisschen den Funken gefangen. Dann ging es eigentlich relativ schnell, dass man nichts anderes mehr macht."
Im oberen Stock wohnen die Internatsschüler. Einer von ihnen tippt gerade eine Nachricht in sein Smartphone. Philipp Meyer kommt aus Dohren, einem Dorf vierzig Kilometer südwestlich von Hamburg mit einem Baseball-Bundesligaverein, den Wild Farmers.
"Mein Onkel ist ein Gründungsmitglied da, und die haben sich 1990 gedacht: 'Wir haben keine Lust mehr auf Fußball.' Und dann haben die einen Film gesehen: 'Die Indianer von Cleveland'. Und das fanden die dann ziemlich cool und wollten es ausprobieren. Und haben dann angefangen mit Kartoffeln, Holzlatten. Und dann ist es immer mehr geworden und dann haben die sich beim SV Dohren, wo es vorher nur Fußball gab und Tischtennis, einschreiben lassen. Und das ist es immer größer, immer größer geworden, und dann kam irgendwann ein ziemlich guter und erfahrener Coach, und dann sind wir in die erste Liga sogar aufgestiegen mit einem Dorf, das 1000 Einwohner hat und auch mit einem Stammkader, die alle aus Dohren sind oder zwei Kilometer entfernt wohnen plus zwei Amerikaner. Ein kleines Baseballdorf. Fußball ist dort eher eine Randsportart."
Onkel Bernd kommt gerade von der Arbeit nach Hause. Er muss lachen: "Die Indianer von Cleveland" mit Charly Sheen als kurzsichtigem Werfer mit Spitznamen "Wild Thing", dem eine riesige Brille zum Durchbruch verhilft.
'"Die Indianer von Cleveland"' ist ein typischer amerikanischer Sportfilm: mit einer Gurkentruppe zum großen Erfolg."
Szene aus "Die Indianer von Cleveland" von 1989mit Corbin Bernsen, Charlie Sheen und Tom Berenger (v.l.n.r.)
Das filmische Vorbild: "Die Indianer von Cleveland" mit Corbin Bernsen, Charlie Sheen und Tom Berenger (v.l.n.r.)© imago stock&people
1990 war das, erinnert sich Bernd Sievers. Die DFB-Auswahl war gerade dabei, Fußballweltmeister zu werden und die Dohrener Dorfjugend auf Busreise in Ungarn. Und da meinte einer, er hätte einen Film über Baseball gesehen und das scheine im Gegensatz zu Fußball richtig Spaß zu machen.
"Dann sind wir nach Hause gekommen, haben uns den angesehen und gesagt: 'Ja, das machen wir.' Und am nächsten Tag sind wir halt losgefahren nach Hamburg, haben uns ein paar Bälle besorgt, Schläger. Wir konnten uns nur zwei Handschuhe leisten und dann sind wir bei uns auf den Spielplatz. Man hat ja gesehen, wer welche Ausrüstung trägt. Und dann: Rucksack, Kissen rein, Mofahelm auf. Und das war dann der Catcher. Ja, so hat das dann angefangen. Und irgendwann waren wir dann 25 Leute und dann sagte einer: 'Ja, da muss hier wohl ein bisschen mehr draus werden. Mein Papa hat keinen Bock mehr auf Fußballtrainer. Den frage ich mal.' Dieter Lange. Dieter stand eines Abends bei uns drinnen und sagte: 'Mach ich.' Und da ist er dann wirklich losgezogen, nach Hamburg gefahren zu den Vereinen und hat zugeguckt, Kontakte aufgebaut und dann irgendwann hieß es: Probetraining. Hamburg Skeezicks kommen nach Dohren, um den Dohren Wild Farmers Baseball zu zeigen. Auch auf dem Spielplatz. Da waren fast 1000 Zuschauer da."
Er bekommt noch Gänsehaut, wenn er sich daran erinnert, wie die Skeezicks auf den Platz kamen und er das erste Mal das Geräusch von Baseballschuhen hörte.
"Klick, klack mit diesen Metallstollen."
Baseballspieler ticken anders als Fußballer. Wer mit einer Keule einen Ball treffen will, muss davon ausgehen, dass es nicht immer klappt. Wer angelt, kommt ja auch mal ohne Fisch nach Hause.
"Ich sage, wenn man von zehn Schlagversuchen drei trifft, dann kann ich 'drüben', sage ich jetzt mal in Anführungszeichen, Millionen verdienen. Das ist gerade das Interessante, den jungen Spielern das beizubringen. Das ist ja eine unheimliche Kopfsache: 'Du hast drei von zehn getroffen. Du bist toll.' – "Wie? Aber neun von zehn sind doch besser." – Aber das ist halt unheimlich schwer, das wirklich zu vermitteln."
Bernd Sievers holt die Vereinschronik hervor - 20 Jahre auf 640 Seiten. So lange hat es gedauert, bis die Wild Farmers ganz oben standen.
"Wir sind dann 2009 mit einem sehr starken Jahrgang Vizemeister geworden und ein Jahr später Deutscher Meister mit den Junioren, Altersklasse sechzehn bis achtzehn. Das war schon ein großes Highlight."

Baseballer teilen sich Vereinsheim mit Fußballern

Der beste Platz ist hinter dem Stadionsprecher auf einer Art Jägerhochstand. Hinter der elektronischen Anzeigetafel Felder, so weit das Auge reicht, rechts die Holztribüne und links ein paar Fans der "Dortmund Wanderers", die sich zum Auswärtsspiel Liegestühle mitgebracht haben.
"Zur Zeit haben wir eine erste und eine zweite und eine dritte, eine Juniorenmannschaft, eine Schülermannschaft, und Minis haben wir noch. Ja, das ist schon irgendwie so eine kleine Kultur hier."
Das Vereinsheim teilen sich die Baseballer mit den Fußballern. Stimmt, Fußball gibt es auch noch. Viele sind nur hingegangen, damit die Eltern Ruhe geben.
"Die Eltern haben das halt gesagt und dann hat man zehn Jahre Fußball gespielt, und dann ist es hier mit Baseball losgegangen. Wir sind glaube ich, alle gleichzeitig angefangen. Wir sind so ein Jahrgang."
Anfangs ist es frustrierend, mit der Keule nach dem Ball zu schlagen. Um so schöner ist dann der Erfolg.
"Wenn man den richtig trifft, ohne dass die Finger am Schläger vibrieren, dann fühlt sich das schon ganz gut an. Man soll dann eigentlich loslaufen, aber irgendwie guckt man dem Ball dann immer hinterher."
Im Baseball wird Buch geführt über jeden Wurf und jeden Schlag. In den USA reichen die Annalen bis in vorletzte Jahrhundert zurück. Es gibt im Baseball anders als im Fußball keine aussichtslose Situation. Das Blatt kann sich jederzeit wenden.
"Wir hatten das einmal in Berlin: da lagen wir acht zu null hinten im achten Inning, und da haben wir wirklich im achten Inning neun Runs in einem Inning gemacht, und haben letztendlich gewonnen, obwohl wir das ganze Spiel super weit hinten waren. Das ist so die Spannung, die das Spiel mit sich bringt."
Im Unterstand warten die Spieler, die gerade nicht an der Reihe sind, und feuern den Mannschaftskameraden an, der schlägt. Johst Dallmann ist Pressesprecher der Farmers, Trainerassistent und Manager.
"Ich bin hier der erste Fan gewesen. Da war ich so elf Jahre alt, als das hier gegründet wurde. Da haben wir als kleine Jungs zu geguckt und irgendwann ging es dann hier so los: die erste offizielle Saison. Da gab es noch keine Jugendabteilung. Da waren wir halt auch immer dabei und in der Saison darauf haben sie das erste Mal eine Jugendmannschaft angeboten, und seitdem bin ich dabei."
Johst führt die Verhandlungen mit Neuzugängen.
"Ich war im Winter in Australien und dann hat Johst gefragt, ob ich wieder nach Dohren kommen will",
erzählt Caleb Fenimore. Er und Jared Ney, die beiden Amerikaner im Team, wohnen bei Gastfamilien.
Jared ist aus Kalifornien. Kurze Wege, gute Freunde. Das ist unser Erfolgsrezept", sagt er. Langeweile kennen die beiden nicht. Sie trainieren die Jugendmannschaft und Caleb hat gerade Besuch von seinen Eltern.
"In Rushville in Indiana, wo wir her kommen, sieht es genauso aus wie hier", sagt Calebs Vater.
"Kleiner Ort, rund rum Kornfelder. Dohren ist wie eine große Familie", findet Frau Fenimore. "Alle sind sehr nett."
"Die verdienen 450 Euro. Das ist nicht viel. Und für die ist das einfach nur ein Jahr Aufenthalt. Zum Beispiel Martina hatte auch einen Gast. Das ist im Grunde ein weiterer Sohn geworden für sie – Ja. – Der war 2010 hier, und der Kontakt hat sich über die Jahre gehalten. Das lieben die Spieler auch."

Der Aufstieg der Dohren Wild Farmers

Die Baseballhochburgen Regensburg und Paderborn locken mit Internaten. So etwas hat Dohren natürlich nicht zu bieten.
"Die Jugend ist Deutscher Meister geworden – 2010 – und da haben wir dann natürlich ganz viele Sportler an diese Leistungszentren verloren. Die Scouts sind überall unterwegs. Und beim Nachwuchs fehlen uns die prägnanten Kräfte und die sind ja, wie Philipp, in Regensburg. Aber es war ja so: Ich glaube nicht, dass Philipp hier Abitur gemacht hätte. Aber in den Leistungszentren ist es ja so: Wenn keine guten Schulnoten, dann auch kein Baseball. Und das ist natürlich so eine Geschichte. Dann holt man natürlich aus so einem jungen Menschen ganz schön viel raus."
"Als die Junioren wiederkamen von der Deutschen Meisterschaft, da sagte irgendwer aus Jux: 'Jetzt gehen die auf dem Rathausbalkon.' Wir haben aber gar kein Rathaus hier und dann hat jemand, ich glaube Henrik war das, von seinem Bauernhof einen Anhänger hingefahren. Der wurde dann geschmückt, und da wurden die Jungs draufgestellt. So wird das in Dohren gemacht als Ersatz für den Rathausbalkon."
Lars Erhorn ist 34 und spielt immer noch in der Ersten Liga. Sein schwarzer Baseballhelm bedeckt nur das rechte Ohr. Das sieht pfiffig aus. Er deutet auf das Vereinsheim im Hintergrund.
"Der Sportverein ist ja 1974 gegründet worden. Da standen da rechts Container. Und dann irgendwann, ich glaube 1993, wurde dieses Haus gebaut und 1990 wurden wir gegründet."
Sein Vater war damals Bürgermeister, und im Clubraum müsste noch die Petition hängen, die er von den Jugendlichen bekommen hat.
"Ich weiß auch nicht mehr genau den Wortlaut, der draufsteht, aber so etwa: 'Wir, die Jungs aus dem Dorf, wollen jetzt einen Baseballverein gründen, wir haben ein paar Mal gespielt und… ja, alles klar… wo können wir hin? Wie können wir loslegen?' Und dann ging es los."
"Durch den Freundeskreis einfach mal ein bisschen mittrainiert. Da war ich zwölf, und jetzt ist es so geblieben, dass man jetzt das zwanzigste Jahr da spielt."
Der Kader der Farmers ist mittlerweile so gut besetzt, dass Andreas Igl auch mal anderen den Vortritt lassen kann.
"Ja, das war ganz schön, so von ganz unten, letzte Liga, sich Stück für Stück hoch zu arbeiten und zu sehen, was wir für gute Spieler herangezüchtet haben, die es dann auch bis nach drüben gepackt haben."
Zwei Farmers haben sogar in den USA gespielt.
"Das sind alles Jungs aus dem Dorf. Der Daniel Thieben kommt hier ein Stück weiter die Straße runter her. Maik Ehmcke aus Dohren-Gehege, das sind alles die Jungs von rund rum hier."
Die beiden Amerikafahrer sind mittlerweile wieder zurück. Maik spielt in Regensburg und Daniel in Paderborn. "Der ist heute sogar hier", sagt Lars. "Der Lange da hinten mit den dunklen Haaren."
"Ich bin damals aufs Internat gewechselt nach Regensburg, habe da bessere Perspektiven gesehen für meine Entwicklung, und habe dann ja auch den Sprung geschafft nach Amerika, habe dort drei Jahre gespielt. Dann hieß es halt: die Karriere ist vorbei in Amerika. Ich musste mich dann um entscheiden entweder Regensburg, Paderborn oder Dohren. Ja, und dann gab es ein paar Vertragsverhandlungen und dann war es im Endeffekt dann halt Paderborn."
In ein paar Wochen wird Daniel mit den Paderborn Untouchables gegen seinen alten Club antreten und gegen seinen Bruder Oliver.

Bälle werfen als tägliches Training

Auf der Wiese neben dem Spielfeld spielen Kinder, Baseball natürlich. Dennis hockt auf dem Rasen, hält den Handschuh hoch und fängt den Ball, den Paul mit viel Effet wirft, immer in der gleichen Höhe wie ein Uhrwerk.
"Also es ist nicht einfach so: Ja, ich gehe zweimal im Jahr zum Training, dann bin ich gleich der Beste. Also, man muss schon da sich durchsetzen und auch richtig zum Training gehen. – Und tut auch zuhause was, nimmt sich jeden Tag mal so eine Kiste Bälle und wirft mal. Das machen ich und Dennis. Wir treffen uns hier und dann werfen wir ein paar Bälle."
Natürlich könnte man auch Schlagen üben. Aber das ist blöd zu zweit, weil man den Ball immer suchen muss.
"Wenn man jetzt, sage ich mal, elf oder zwölf ist, dann trifft man schon viele Bälle, aber halt auch nicht jeden. Es kommt halt auch auf die Erfahrung an."
Im Stadion ist das erste Spiel ist zu Ende. Die Farmers bilden einen Kreis und stecken die Köpfe zusammen.
"Wir sind auf jeder Position besser als die. Manchmal sieht es nicht so aus. Aber da steckt schon Qualität hinter. Auch wenn wir das manchmal gut verbergen können. (...) Wir haben in der Offensive einen mehr drauf als die."
In der Pause vor dem zweiten Spiel hat die Baseball-AG der Grundschule aus dem Nachbarort ihren großen Auftritt, deren Leiter kein Geringerer ist als David Wohlgemuth, der Trainer der Bundesligamannschaft.
"Und wenn wir so spielen in der AG: den Ball schön weg schlagen und alles, dann werden wir auch ein schönes Spielchen haben. – Wo spiele ich? – Ja, das teilen wir gleich auf. Wir gehen als erstes ins Feld, okay?"
Auf der Gegenseite versucht Antje Hassenpflug den Kader der Wilden Mini-Farmer zu ordnen.
"Die kleinen haben Vorrang. Die haben überhaupt keine Spiele und keine Turniere."
"Ich bin durch meine Kinder dazu gekommen. Und so hat sich das dann nach und nach ergeben, dass sie jemanden brauchten, der sich um die Jugend und die Organisation kümmert. Und so bin ich dann hier rein gerutscht und mache das schon gefühlte zehn, fünfzehn Jahre. Ich weiß es nicht."
"Ball angucken und weg hauen! Ein bisschen an die Knie denken und laufen!"
"Gut, dann bist du dran. – Und danach ich! – Ja, du bist auch dran."
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