USA-Reise auf Freitag verschoben

Worauf Merkel beim Treffen mit Trump achten sollte

Die Kombo zeigt den neuen US-Präsidenten Donald Trump und Bundeskanzlerin Angela Merkel
Collage: US-Präsident Donald Trump (l.) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (r.) © dpa-Bildfunk / AP /Alex Brandon / Rainer Jensen
Helmut Willke im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 14.03.2017
Ein Schneesturm ist dazwischen gekommen: Bundeskanzlerin Merkel fliegt erst am Freitag zu US-Präsident Trump. Unterschiedlicher könnten die beiden nicht sein - charakterlich und in ihrem Politikstil. Der Soziologe Helmut Willke gibt Tipps für das erste Treffen.
Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag bei ihrem US-Besuch mit Präsident Donald Trump zusammentrifft, könnten nach Einschätzung des Soziologen Helmut Willke die Unterschiede größer nicht sein. "Denn jemand, der so rational und auch so klar naturwissenschaftlich geprägt denkt wie unsere Bundeskanzlerin, trifft hier auf jemanden, der tatsächlich ein populistischer, narzisstischer Sprücheklopfer ist", erklärte der Professor für Global Governance an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen am Dienstag im Deutschlandradio Kultur. Das Treffen wurde wegen eines Schneesturms im Nordosten der USA auf Freitag verschoben worden.

Genügend gemeinsame Interessen für einen Deal?

Bei diesem Aufeinandertreffen von verschiedenen Kulturen gehe es nun darum, sich in die Sprache des anderen hineinzudenken, so Willke. Ratsam sei es für Merkel, einen Deal anzustreben. Dann treffe sie die Sprache von Trump, der genau darauf aus sei. "Es gibt genügend gemeinsame Interessen, die auch zwischen rational einerseits und sehr emotional und egoistisch andererseits teilbar sind", so Willke. Es müssten nur diejenigen Punkte in den Vordergrund geschoben werden, die letztendlich einen gemeinsamen Vorteil- und eine Win-win-Situation erzeugen.
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Das Interview im Wortlaut:

Korbinian Frenzel: Können Sie sich zwei unterschiedlichere Politikertypen vorstellen als Donald Trump und Angela Merkel? Das dürfte wahrscheinlich schwierig werden. Und vielleicht gab es eine höhere Macht, die beiden noch ein bisschen Bedenkzeit geben wollte, bevor sie erstmals persönlich aufeinandertreffen. Wegen eines Schneesturms konnte Angela Merkel nicht jetzt schon nach Amerika reisen, sondern erst am Freitag wird das passieren. Die Begegnung zwischen der Kanzlerin und dem Präsidenten, sie dürfte ein äußerst interessantes Ereignis werden, charakterlich natürlich, aber vor allem auch darüber hinaus. Welcher Politikstil ist es, der sich durchsetzt: der vielleicht manchmal eher spröde Ansatz, die spröde Rationalität, die Merkel verkörpert, oder die schrille, postfaktische Konfusion, die ein Donald Trump ins Weiße Haus gebracht hat? Fragen, die wir klären mit Helmut Willke, Professor für Global Governance an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen, guten Morgen!
Helmut Willke: Guten Morgen!
Frenzel: Knallen da zwei ganz unterschiedliche Ideen aufeinander, was Politik, was politische Führerschaft ist und sein soll?
Willke: Ja, das definitiv. Das ist kaum unterschiedlicher denkbar. Denn jemand, der so rational und auch so klar naturwissenschaftlich geprägt denkt wie unsere Bundeskanzlerin, trifft hier auf jemanden, der tatsächlich ein populistischer, narzisstischer Sprücheklopfer ist zunächst einmal und eben auch ein politischer Amateur. Das heißt, er hat schon andere Qualitäten, das darf man nicht unterschätzen, aber als Politiker ist er erstens ein unbeschriebenes Blatt und zweitens tatsächlich ein Amateur, der wenig von der politischen Maschinerie und leider auch extrem wenig von der Demokratie versteht.
Frenzel: Ein Amateur, der aber dennoch vielleicht viel mehr den Zeitgeist verkörpert als Angela Merkel, die vielleicht eher für eine alte Elite steht?
Willke: Nein, das würde ich so nicht sagen. Der Zeitgeist, da haben Sie völlig recht, der ist aber eher eine Gefährdung der Demokratie, denn es ist ein populistischer, nationalistischer, isolationistischer Zeitgeist, der hoch problematisch ist, der aber verständlich ist, weil eben viele Bürger und Bürgerinnen durch die gegenwärtige Lage der Welt, durch Globalisierung, durch eine Wissensgesellschaft, die allmählich sich formt, überfordert sind und deshalb genau solchen einfachen, simplifizierenden Parolen und Sprüchen folgen, die ja nicht nur bei Trump auftreten, sondern die eigentlich europaweit verteilt sind.

"Der Apparat wird Trump formen"

Frenzel: Ja, wir haben gerade vor einer guten halben Stunde über Geert Wilders in den Niederlanden gesprochen, ähnlicher Ansatz. Die Frage ist natürlich: Sind das Stimmungen, ist das Rhetorik oder ist das auch irgendwas, was konkret und dann eben auch andere Politik wird, also substanziell?
Willke: Das glaube ich eher weniger. Also, es ist ja immer die große Frage, ob der sehr mächtige amerikanische Politikapparat, der ja sehr vieles einschließt, von den Ministerien über den industriell-militärischen Komplex, ob dieser Apparat Trump eher formt als Trump diesen Apparat. Das ist zu erwarten, denn es war bei Präsident Obama ja sehr ähnlich, der auch vieles vorhatte und wenig umgesetzt hat. Das ist bei Trump auch zu erwarten. Das Problem ist, dass Trump sozusagen auf eine populistische Strömung setzt, die in der Tat sehr ernst zu nehmen ist und die mit sehr tiefgreifenden Veränderungen unserer Welt zu tun hat, sodass diese populistischen Strömungen auch nicht schnell weggehen werden. Also, man kann beispielsweise sehen, dass etwa die Gefährdung der heimischen Industrie durch Auslagerung, durch Outsourcing, durch Delegationen in Billiglohnländern, für die USA vor allen Dingen nach Mexiko, natürlich Arbeitsplätze bedrohen. Und nun kommt jemand, der sagt, ich schaffe diese Arbeitsplätze zurück – ein Versprechen, das er definitiv nicht halten kann, da diese Arbeitsplätze ja nicht primär durch Verlagerung verloren gehen, sondern durch Digitalisierung und durch neuronale Netze und durch künstliche Intelligenz und durch Roboter und Ähnliches. Das heißt also, diese großen Versprechungen werden gar nicht haltbar sein. Und dann ist die Frage, wie seine Anhängerschaft reagiert.
Frenzel: Sind Sie da so sicher, dass die nicht haltbar sein werden? Ich musste noch mal ein bisschen über den Lehrstuhl nachdenken, für den Sie stehen, Global Governance. Das ist ja auch so eine Idee der 90er-Jahre, eine Disziplin, die gedanklich verknüpft ist mit der Idee der weltweiten Kooperation, der Abhängigkeit voneinander.
Willke: Ja, richtig.

Wird Trump seine Versprechen halten können?

Frenzel: Ist die de facto so groß, dass eine einzelne Regierung, selbst wenn es die amerikanische ist, das Rad nicht mehr zurückdrehen können wird, zurück in eine Art modernen Nationalismus?
Willke: Ja, da bin ich überzeugt davon. Diese Dynamik der Globalisierung und auch der Vernetzung, der globalen Vernetzung, der globalen, wechselseitigen Abhängigkeiten, lässt sich definitiv nicht zurückdrehen. Sie lässt sich verlangsamen, sie lässt sich natürlich mit verschiedenen Problemen in bestimmte Phasen des Auf und Abs sozusagen hineinbringen. Es wird keine lineare, gleichgerichtete Entwicklung sein. Aber insgesamt lässt sie sich auf gar keinen Fall aufhalten, auch deshalb, weil sie ja insgesamt tatsächlich einen großen Vorteil für alle beteiligten Länder bringt. Wir wissen sehr präzise, dass Isolationismus und gerade auch Protektionismus schon mittelfristig eigentlich das eigene Land schädigen. Wir wissen, dass das die Wettbewerbsfähigkeit verringert und so weiter und so weiter. Das sind immer nur sehr kurzfristige, natürlich auf einer kurzfristigen Politik gut spielbare Melodien, die sich ganz schnell rächen und dann sozusagen die Schwierigkeiten im eigenen Land – das zeigt sich jetzt auch in Frankreich oder auch in Italien – eher verstärken. Das heißt also, ich denke schon, dass es sehr anspruchsvoll ist, diese Hintergründe tatsächlich einigermaßen zu verstehen, und für den Normalbürger wird das immer schwieriger werden, weil tatsächlich die globalen Probleme komplexer und undurchsichtiger werden. Aber wenn man so will, die Rache der Realität, die Rache der Tatsachen, die kommt dann schon.
Frenzel: Schauen wir noch mal auf diese beiden Personen, die dann jetzt am Freitag zusammenkommen werden: Man kann es ja so wenden, wie Timothy Garton Ash es getan hat kurz nach der Trump-Wahl, da hat er kurzerhand Angela Merkel zum neuen "Leader of the free world" erklärt, also zur Anführerin der freien Welt. Das ist ja der Titel, der traditionell dem amerikanischen Präsidenten zusteht. Ist sie das? Reist sie so dahin?

Merkel als Leader of Europe in den USA

Willke: Nein, das kann man sicher nicht sagen, das würde sie auch ablehnen, weil das eine Zuschreibung ist, die auch faktisch gar nicht stimmt. Es ist eher so, dass die Chinesen gewissermaßen eine Weltrolle übernehmen, zu übernehmen versuchen, die Amerika gerade freiwillig aufgibt. Aber für Europa steht Frau Merkel schon, für Europa spricht sie schon. Und dann ist die Frage, welchen Stellenwert Europa eigentlich in der amerikanischen Perspektive, in der amerikanischen Politik einnimmt, und der ist gegenwärtig eher gering. Das heißt also, selbst wenn sie als Leader von Europa angesehen würde, dann ist das noch lange kein Qualitätsausweis für eine amerikanische Europapolitik. Und wenn man sich das Kabinett von Trump ansieht, dann kann einem ja bald das Bangen und Grausen kommen, was auch die darin enthaltene politische Linie, was die darin enthaltene Kompetenz angeht.
Frenzel: Was raten Sie denn der Bundeskanzlerin ganz konkret, wenn sie auf Donald Trump trifft am Freitag, wie soll sie mit ihm umgehen?
Willke: Also, es geht in allen diesen Aufeinandertreffen von verschiedenen Kulturen eigentlich darum, in der Sprache der anderen zu denken. Und ich würde deshalb raten, tatsächlich, dass sie die Vorstellung hat: Wir müssen einen Deal machen. Wir müssen einen Deal machen, der wirklich auf ein wechselseitig vorteilhaftes Abkommen hinausläuft. Das heißt, es gibt genügend gemeinsame Interessen, die auch zwischen rational einerseits und sehr emotional und egoistisch andererseits teilbar sind. Und auf diese gemeinsamen Interessen kommt es eigentlich an. Dann, glaube ich, trifft sie die Sprache von Trump, der gewissermaßen auf Deals aus ist und der gewissermaßen den eigenen Vorteil sucht. Das ist völlig legitim und auch rational. Es müssen nur diejenigen Punkte in den Vordergrund geschoben werden, die letztendlich einen gemeinsamen Vorteil- und eine Win-win-Situation erzeugen.
Frenzel: Mal sehen, ob es das geben wird, Win-win am Freitag. Helmut Willke, Professor für Global Governance an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Willke: Ich danke Ihnen, danke, ciao!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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