Zum Inhalt springen
Fotostrecke

"War Machine": Blockbuster als TV-Film

Foto: Netflix

Kriegssatire "War Machine" mit Brad Pitt Der teuerste TV-Film aller Zeiten

Ein Film mit einem Budget von 60 Millionen Dollar und einem Weltstar in der Hauptrolle läuft gemeinhin auf der großen Leinwand an. Nicht so die neue Netflix-Produktion "War Machine" mit Brad Pitt.

Großmäulig durch die Gegend stapfen und mit den militärischen Möglichkeiten einer Supermacht prahlen - kommt einem das irgendwie bekannt vor? Nein, es geht nicht um Donald Trump in Brad Pitts Film "War Machine". Das Buch, auf dem der Film beruht, ist von 2012. Es handelt nicht von Trump - aber es geht durchaus um Themen, die mit ihm zu tun haben.

Militärische Allmachtsfantasien, Arroganz, politisches Chaos. Pitt spielt einen General, der im Film Glen McMahon heißt - unschwer zu erkennen als Stanley McChrystal, Viersternegeneral und Kommandeur der US-Streitkräfte und Unterstützungstruppen in Afghanistan. Bis zum Juni 2010. Da veröffentlichte die Zeitschrift "Rolling Stone" ein Porträt über den General und zeichnete ihn als Militaristen am Rande des Größenwahns, für den sämtliche Politiker in Washington "Weicheier" waren, inklusive Vizepräsident Joe Biden und Präsident Barack Obama.

Ein politischer Skandal. Obama ließ den General umgehend ins Weiße Haus einfliegen und feuerte ihn. Pitt und sein Drehbuchautor und Regisseur David Michod machen aus der Polit-Episode eine Satire auf die Hybris des US-Militärapparats. General McMahon ist davon überzeugt, die Konfrontation der westlichen und der islamisch geprägten Welt im Handstreich allein durch militärische Macht lösen zu können. Ihm ist egal, dass es sich dabei um einen komplexen Konflikt handelt, dessen Wurzeln bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen.

Pitt überzeichnet das militärische Alphatier gnadenlos, er chargiert in der Rolle McMahons wie noch nie in seiner Karriere: eckige Bewegungen, breitbeiniger Gang, verkniffene Mimik, ins Lächerliche gesteigerte Reibeisenstimme. "Wir sind hier, um Afghanistan neu aufzubauen", tönt Pitts General, während in Wahrheit gar nichts weitergeht. Mit Präsident Karzai (von Ben Kingsely als infantiler Idiot gespielt) lässt sich nichts anfangen, die angesetzten Wahlen sind offensichtlich manipuliert, die von McMahon geforderten neuen Truppen will Washington auf keinen Fall bereitstellen.

Regie und Drehbuch gehen nicht ganz so in die Vollen wie Pitt mit seiner Darstellung. Oft wirkt Michods Film ratlos angesichts der komplexen Themas, wechselt mehrfach die Tonlage von schriller Satire zu gefühligem Drama, verrennt sich in Nebenstränge. Mehr dramaturgische Konzentration auf das Wesentliche hätte "War Machine" gutgetan.

Die in Washington lange vertretene Theorie des nation building aber zerpflückt der Film sehr schön: Es ist eben sehr schwierig, Menschen die Vorzüge der Demokratie nahezubringen, indem man ihr Land besetzt und sie mit vorgehaltener Waffe zur Freiheit nach westlichem Verständnis zwingt. Mit militärischer Macht ist diese Aufgabe unmöglich zu erfüllen.

Fotostrecke

"War Machine": Blockbuster als TV-Film

Foto: Netflix

In einem Land mit dem größten Verteidigungshaushalt der Welt, den Trump noch einmal aufstocken will, ist das eine kontroverse Geschichte. Und "War Machine" genau die Art von Film, die die meisten US-Kinogänger eher nicht goutieren. Kürzlich erst floppte Ang Lees Irakkriegsdrama "Die irre Heldentour des Billy Lynn". Wohl auch deshalb ließ sich Pitt auf einen ungewöhnlichen Deal ein: Nicht ein Hollywoodstudio stemmte das Budget von 60 Millionen Dollar für "War Machine", sondern die Streamingplattform Netflix. Ein kluger Schachzug, weil Pitt auf diese Weise potenziell mehr Zuschauer erreichen wird als im Kino.

Denn für Netflix ist "War Machine" genau der richtige Stoff: Die Abonnenten wollen Filme sehen, die etwas wagen. Zudem sind die Streaminggiganten Netflix und Amazon gerade dabei, nach dem Fernsehen auch das Filmgeschäft radikal zu verändern.

Vorbei sein sollen die Zeiten, in denen Konsumenten mehrere Monate warten mussten, bis ein Film nach seinem Einsatz in den Kinos endlich auch zu Hause im Fernseher ankam. Wenn Netflix einen Film überhaupt noch ins Kino bringt, dann nur, um sich für die Oscarverleihung zu qualifizieren.

Auch "War Machine" wird nur deshalb parallel zur Streamingpremiere einen kurzen Kinoeinsatz in New York und Santa Monica bekommen. Zunächst war der Film auch für die Filmfestspiele in Cannes im Gespräch, die am Samstag zu Ende gehen. Dort brachte Netflix dann stattdessen zwei andere Filme im Wettbewerb unter und zog sich den Zorn der französischen Kinobesitzer zu, weil der Konzern sich weigert, sie in Frankreich ins Kino zu bringen.

Konkurrent Amazon ist im Filmgeschäft mit einer anderen Strategie noch erfolgreicher. Das Unternehmen bringt seine Filme wie ein klassischer Verleiher zuerst in die Kinos, bevor es sie dann online verwertet. Der Lohn waren 2017 drei Oscars, unter anderem für das Drama "Manchester by the Sea".

Beide Unternehmen investieren zusammen rund zehn Milliarden pro Jahr in ihr Programm, zunehmend in große und teure Filme. Netflix leistet sich das Fantasy-Drama "Bright" mit Will Smith für rund 90 Millionen Dollar, das noch in diesem Jahr starten wird. Martin Scorseses Gangster-Thriller "The Irishman" mit Robert De Niro soll noch teurer werden. Amazon will künftig gleich zwölf Filme im Jahr produzieren. Und auch Apple steht dem Vernehmen nach in den Startlöchern, um eigene Inhalte zu produzieren.

Niemand kann sagen, ob und wie die Kinos diesen Wandel langfristig überleben werden. Gut möglich, dass in der näheren Zukunft auch Kinofilme bereits nach wenigen Tagen gegen entsprechende Bezahlung im Heimkino abrufbar sind. Die großen Studios arbeiten an entsprechenden Plänen. Noch aber lebt das Kino. Brad Pitts neue Projekte nach "War Machine" starten jedenfalls wieder ganz klassisch auf der großen Leinwand.

Im Video: Der Trailer zu "War Machine"

Netflix
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.