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Biennale-Ausstellung: Das sind die Highlights

Foto: Anne Imhof/ Foto: Nadine Fraczkowski

Biennale in Venedig Kommen wir nun zur Kunst

Am Samstag wird die wichtigste Kunstausstellung der Welt eröffnet: Auf der Biennale in Venedig geht es um Chaos und Konzentration, um Müßiggang und ums Mitmachen. Deutschland legt einen starken Auftritt hin.

Kartons und Plastikkisten begrüßen den Besucher, überall Gerümpel, auf Tischen quetschen sich ein Mischpult, Plattenspieler und Mikrofone unter Kabelsalat, zerstreut liegen Fotografien und halbfertige Bilder herum, Pinsel, Klebstoff, Kosmetik, Spielzeug. Auf einem Sofa lümmelt eine Frau mit Pantoffeln an den Füßen, sie schaut etwas lustlos auf ihr Handy.

Moment Mal ...

Sollte das hier nicht der erste Raum der weltweit wichtigsten Kunstschau sein, der Hauptausstellung im Arsenale-Hafen Venedigs? Ist der Besucher versehentlich Backstage gelandet?

Ist er nicht. Es ist wieder Biennale-Zeit. Und alles vibriert nur so vor Kreativität, Kunst so weit das Auge reicht, Venedig ist der Bienenstock der Kunstwelt. Doch Arbeit braucht auch Ruhe - und so stehen das Sofa und das kreative Chaos für den Anfang von allem. Hier entspringt Neues, und die Frau auf der Couch ist US-Künstlerin Dawn Kasper, die ihr Atelier unter dem Werktitel "The Sun, the Moon and the Stars" für sieben Monate in den zentralen Hauptpavillon verlegt hat. Tausende Besucher schauen Dawn Kasper von nun an täglich bei der Arbeit zu.

Die 57. Biennale ist ein Rückzug ins Private

So privat beginnt die Biennale-Schau "Viva Arte Viva", auf der die Kunst sich in diesem Jahr selbst feiern will. Sie distanziert sich von der nachdenklichen letzten Biennale der global-politischen Arbeiten, die Direktor Okwui Enwezor 2015 kuratierte. Die diesjährige Kuratorin Christine Macel konzentriert sich auf den Kunstschaffenden selbst. Es ist eine Schau mit Künstlern, von Künstlern und für Künstler. Eine Schau über die Fragen, die Künstler stellen und die Arbeitsweisen, die sie entwickeln.

Die 57. Biennale ist ein Rückzug ins Private, eine Besinnung auf den Einzelnen. Die Schau "Viva Arte Viva" zeigt mit großer Klarheit in neun thematischen Abschnitten, wie Kunst entsteht, womit sie sich beschäftigt und welche Fragen sie stellt. Sie beginnt mit dem Innenleben des Künstlers und seiner Kreativität, widmet sich dann in weiteren Abschnitten Gefühlen, der Gemeinschaft und der Umwelt. Es geht um künstlerische Tradition, um Spiritualität und über die Frau und ihre Sexualität, es gibt einen Ausstellungsteil nur über Farben und schließlich einen über Zeit und Unendlichkeit.

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Biennale-Ausstellung: Das sind die Highlights

Foto: Anne Imhof/ Foto: Nadine Fraczkowski

Aber was wäre die Kunst ohne den Betrachter? Partizipation ist Kuratorin Macel ganz wichtig, denn sie findet, Kunst sei ein "Katalysator zwischenmenschlicher Beziehungen". Deshalb häufen sich im Arsenale und den Giardini in diesem Jahr die Aktionen zum Mitmachen: Der Besucher türmt bunte Würfel bei Rasheed Araeens "Zero to Infinity", er näht seine Visitenkarte auf Leinwand für David Medallas "Stitch in Time", er tanzt eine Performance in Anna Halprins "Planetary Dance". Man kann auch unter Ernesto Netos Netz-Baldachin von Huni-Kuin-Indianern aus dem Amazonas etwas über Schamanen lernen oder mit Migranten beleuchtete Holzkristalle in Olafur Eliassons "Green Light Project" basteln.

Viel dieser Kunst aus dem Kollektiv findet sich im Ausstellungsteil "Pavillon der Gemeinschaft", der mit seinen Mitmach-Aktionen den Besucher auf besondere Art einfängt. Aber auch der Abschnitt "Pavillon der Freuden und Ängste" berührt mit ängstlichen Porträts des syrischen Künstlers Marwan und qualvollen Fotoarbeiten Tibor Hajas.

Deutschland ist vielfältig vertreten

Der "Dionysische Pavillon", der sich dem Körper der Frau und ihrer Sexualität vor allem durch Kunst von Frauen nähert, zeigt eindrucksvolle Werke wie die groteske begehbare Installation "Grotta profunda" der Französin Pauline Curnier Jardin und einen Performance-Raum der irischen Künstlerin Mariechen Danz. Das hebt die Frauenquote, denn insgesamt sind Künstlerinnen auf der Biennale mit einem knappen Drittel der Beiträge unterrepräsentiert. Ein Verhältnis, das ohne diesen weiblichen Themenraum noch düsterer gewesen wäre.

Vielfältig vertreten hingegen ist Deutschland, sechs deutsche Einzelkünstler zeigen Werke in der Hauptausstellung, viele weitere der insgesamt 120 eingeladenen Künstler leben und arbeiten in Berlin. Und mit Anne Imhofs Performance "Faust" zeigt Deutschland einen der stärksten Länderpavillons.

Mit dabei sind Schriftbilder der deutsch-italienischen Grafikerin Irma Blank und die skulpturalen Wandinstallationen von Franz Erhard Walther, die den Betrachter einladen, sich mit dem Werk auch körperlich auseinander zu setzen. Ein Raum ist den so verletzlich wirkenden großformatigen Tuschezeichnungen auf Reispapier von Kiki Smith gewidmet, einen weiteren füllt der Berliner Maler und Multimedia-Künstler Andy Hope 1930 mit neuen Gemälden und Skulpturen. Michael Beutler konstruierte eine Werft aus Holz im Außenbereich des Arsenale und Fiete Stolte zeigt mit "Printing My Steps" seine Fußabdrücke in Kupfer.

"Viva Arte Viva" wirft die Frage auf, ob solch Eigenbespiegelung der Kunst angemessen ist in einer Zeit, in der es so viele drängendere Themen zu geben scheint, in der Menschen sich gegenseitig in Kriegen, Krisen und mit Populismus bedrohen. Die Antwort dieser Biennale ist, dass eine Welt der Krisen die Reflektion durch die Kunst umso mehr braucht. Kunst bereitet den Boden für individuellen Ausdruck und Freiheit. "Die Kunst kann die Welt nicht verändern", sagte Biennale-Präsident Paolo Baratta zur Eröffnung. "Aber sie hilft uns dabei, uns mit uns selbst zu versöhnen und menschlich zu bleiben in diesen schwierigen Tagen."


57. Kunst-Biennale "Viva Arte Viva" vom 13.05 bis 26.11.2017 in Venedig .

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