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Neuer US-Präsident: Trump - Popfigur

Trump und die Medien Goofy gewinnt

Als sei ein Westernheld auf die Realität losgelassen worden: Donald Trump hat die Grenze zwischen Fiktion und Politik aufgelöst. Die US-Medien rüsten auf, um ihn zu entlarven, doch es ist fraglich, ob sie ihm je beikommen können.

Zu Trumps Amtseinführung wappnen sich die großen US-Medien mit Vernunftstrategien: Je irrationaler du agierst, desto rationaler begegnen wir dir. So kündigte etwa die "Washington Post" an, jeden Tweet Trumps unmittelbar auf seinen Wahrheitsgehalt abzuklopfen; Factchecking in Hochgeschwindigkeit. Die "New York Times" investierte fünf Millionen Dollar in die Berichterstattung über die Trump-Regierung. Und am Mittwoch publizierte Kyle Pope, Chefredakteur der "Columbia Journalism Review", eine öffentliche Kampfansage, adressiert an Trump: "Wir glauben an eine objektive Wahrheit, und wir werden Sie daran messen."

Was aber, wenn sich im neuen Präsidenten ein grundsätzlich neues Verhältnis von Rationalität und Emotion verdichtet, das die Regeln sachlicher Kritik außer Kraft setzt?

Zwei unterschiedliche Erzählungen, die unsere Zeit prägen, macht der Kulturkritiker Georg Seeßlen zum Kerngedanken seines neuen Buchs "Populismus als Politik": "(…...) wenn man vom Postfaktischen in der Politik spricht, könnte man auch genausogut von einer endgültigen Verschmelzung von Politik und Pop reden", so Seeßlen.

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Seesslen, Georg

Trump!: POPulismus als Politik

Verlag: Bertz und Fischer
Seitenzahl: 144
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Preisabfragezeitpunkt

20.04.2024 14.53 Uhr

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Die politische Sphäre sieht sich demnach der Logik und Vernunft verpflichtet, ist besessen davon, Unerklärbares auszuschließen. Ein Präsident Trump ist hier nicht vorgesehen - deshalb herrscht Konfusion, dringt er doch ein. Ihr gegenüber steht die Erzählung des Pops, in der nicht logische Verknüpfungen, sondern Emotionen zählen, Angst, Begierde, kindlicher Trieb und Wildheit. Sie will sich durch Regelübertretungen von der Vernunft befreien. In ihr gehört ein Trump zum Programm.

Unsere eigene Widersprüchlichkeit spiegelt sich in diesen zwei Erzählungen, die sich feindlich gegenüberstehen, aber auch nicht ohne einander können - weil der blinde Fleck der einen die Hellsicht der anderen ist: So akzeptieren wir in der Popkultur Figuren, die gerade aufgrund emotionaler Ignoranz der Gesellschaft den Spiegel vorhalten: Goofy, der dumm wie Brot ist, aber Micky versehentlich doch den entscheidenden Hinweis im Kriminalfall liefert. Kapitän Haddock, der ausgerechnet vom verwöhnten Herrschersohn für seine Wutausbrüche geliebt wird. Pippi Langstrumpf, die sich nur an der eigenen Größe misst, nicht an den Vorstellungen der Lehrerin, als sie mal ausnahmsweise den Schulunterricht besucht.

"Der witzigere Kandidat gewinnt immer"

Solche ungezügelten Charaktere entlarven die Legitimation von Herrschafts- und Machtverhältnissen, zeigen, wie einfach Systeme von Anstand, Wissen oder Besitz zu übertölpeln sind. Und sie sind übrigens in Fiktionen häufig fast immer die sympathischeren, während ihre vernünftigeren Gegenüber - Tim, Micky, Tommy und Annika - affektbeherrscht und langweilig bleiben.

Erschütterungen entstehen aber laut Seeßlen nun, wenn die Sphäre des Pops mit der der Politik verschwimmt. 2013 legte Peer Steinbrück Silvio Berlusconi im Entertainmentfach ab, indem er ihn als "Clown" bezeichnete. Heute unterstützt das Internet die Symbiose von Pop und Politik als Vehikel und Antrieb immer stärker: Pop wird Politik, wenn die Musiker, die bei der Amtseinführung von Trump auftreten, mit einem Shitstorm rechnen müssen. Und Politik wird Pop: Das Netz wringt ihn selbst aus Angela Merkel heraus, vor einigen Tagen ging ein Foto viral, das die Kanzlerin in vermeintlicher Partypose zeigt:

Obama beherrschte als Präsident die Gesetze der viralen Pop-Inszenierung perfekt, wenn er etwa in der Sendung des Entertainment-Talkers Jimmy Fallon rappte. "Der witzigere Kandidat gewinnt immer", sagte der Regisseur Judd Apatow vor der US-Wahl. Und nach Trumps Sieg: "Auch wenn der Präsident selten lacht und einen verrückten Sinn für Humor hat, ist er doch viel witziger als Hillary Clinton ."

Schon Trumps mit Emotionen gespickten Wut-Tweets ("Unfair!") funktionieren als Witz, als Karikatur des Zuckerbergschen Internetmythos, nach dem soziale Netzwerke durch ihren demokratischen Zugang Aufklärung und Wissen für alle bringen. Am Ende wird dann aber halt doch der größte Troll Präsident! Was hätten wir gelacht, wenn wir nicht so viel hätten weinen müssen.

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Neuer US-Präsident: Trump - Popfigur

Trump agiert in der politischen Sphäre nach den Regeln des Pop, wie ein Westernheld, der auf die reale Welt losgelassen wurde: Seeßlen identifiziert in Trump etwa die Figur des Volkshelden, der das Authentische, Altgewachsene gegen das Progressive, Liberale, Queere verteidigt. Die Volkshelden-Erzählung, auf der fast jeder Italo-Western, jeder Batman- und jeder Star-Wars-Film basiert, ist die des bewaffneten Manns, der die Gerechtigkeit selbst in die Hand nimmt, weil ein verkommenes Establishment nur sich selbst bereichert. Der Outlaw rächt sich, indem er zeigt, wie gut man außerhalb ihrer Wahrheiten leben kann.

Jede rationale Entlarvung macht Trump noch mehr zum Volkshelden

Ebenso bedient Trump auch die ur-amerikanische Fiktion des Selfmademan: In Filmen und Serien erlauben wir uns die Wahrheit, dass Reichtum und Macht nicht sauber entstehen können, mit dem Mafiafilm oder Politthriller existieren ganze Genres für diese Erzählung. In der politisch-rationalen Sphäre würde diese Erkenntnis aber beispielsweise einen Mythos von Chancengleichheit aushebeln. Weil Trump zwischen beiden Sphären pendelt, gelingt ihm das Kunststück, als Popfigur das Establishment zu entlarven, während er gleichzeitig nie dafür haftbar gemacht wird, dass er - als Reichgeborener und Besitzer eines undurchsichtigen Firmenkonglomerats - selbst zu ihm gehört.

Deshalb wird ihm eben sachliche Kritik kaum beikommen können. Macht ihn innerhalb der Pop-Erzählung doch jede rationale Entlarvung noch mehr zum Volkshelden - und die, die ihn entlarven wollen, noch mehr zum Establishment.

Vermutlich müssten neue Wege gefunden werden, um mit einer Figur wie Trump umzugehen; wobei auch Seeßlen hier keine Lösung anbietet. Nochmal zur Westernfiktion zurück: Vielleicht wäre eine Duell-Situation eine gute Erzählung gewesen, um Trump zu begegnen. Bernie Sanders hätte womöglich ein guter Gegenspieler sein können, da er eine - halt nur politisch anders gerichtete - Erzählung eines systemfremden Volkshelden bediente. Im Moment ist aber keiner mehr da für den Showdown.