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Margarete Stokowski

Warten auf die Apokalypse Hey Siri, ist schon Endzeit?

Irgendwas stimmt da nicht: Angeblich wird die Menschheit immer intelligenter - während sie gleichzeitig das Ende der Welt herbeiführt.
Verwüstete Landschaft nahe Joplin, Missouri (Archiv)

Verwüstete Landschaft nahe Joplin, Missouri (Archiv)

Foto: ERIC THAYER/ REUTERS

Was fängt man an mit der Behauptung, dass die Menschen angeblich immer klüger werden? Delfingleich aufstrebende Graphen zeigen uns, dass der Durchschnitts-IQ der Leute immer höher wird, im Großen und Ganzen, und mit leichten Schwächen bei den Amerikanern, aber so schnell geben wir die nicht auf.

Schön, eigentlich. Einen unangenehmen Beigeschmack kriegt die Sache nur durch das sogenannte real life, wo von der Feststellung, dass wir als Menschheit heute schlauer sind als vor 30 oder 60 Jahren, hauptsächlich die ernüchternde Erkenntnis bleibt, dass wir früher strunzdumm gewesen sein müssen. Aber immerhin, es geht bergauf. Zumindest noch eine Weile.

Blöd wiederum, dass der nicht gerade als dämlich geltende Astrophysiker Stephen Hawking den Menschen nur noch 100 Jahre zum Leben auf der Erde gibt. Nicht aus Hinterhältigkeit, sondern aus wissenschaftlichen Gründen. Kinder, die heute geboren werden, haben eine Lebenserwartung von mehr als 70 Jahren, das heißt, die kommen noch komplett irdisch durch, aber deren Kinder werden es zumindest auf der Erde nicht lang machen und - wenn Hawking recht hat - aufgrund der Teilapokalypse einen größeren biografischen Bruch erleben, was zumindest sicherstellt, dass an den neuen Wohnorten therapeutische Berufe eine süße Zukunft erwartet.

Der Terror ist schuld

Warum laber ich so? Der Terror ist schuld. Immer, wenn wieder an nahen Orten Anschläge waren, und wenn es dann Solidaritätsaktionen oder Benefizkonzerte oder vergleichbare gute Veranstaltungen gibt, denkt man (ich): gar nicht so schlimm, die Menschen. Man könnte sich doch noch auf sie einlassen.

Und oft, wenn Menschen etwas so Übles erlebt haben wie einen Unfall, Todesfall, extreme Gewalt oder eine schwere Krankheit, neigen sie dazu, Kleinscheiß als Kleinscheiß zu erkennen und sich auf wichtige Sachen zu konzentrieren (oder sie drehen durch). Sie kündigen ihren Scheißjob und backen öfter Kuchen oder lernen, sagen wir mal, "Crying at the Discoteque" auf der Harfe zu spielen.

Man könnte jetzt die Hoffnung haben, dass die neue Allgegenwart von Terrormeldungen in Kombination mit der Ansage von Stephen Hawking eine ähnliche Wirkung auf die Leute hat. Dass sie sich einen Tick mehr aufs Wesentliche konzentrieren, genau wie ihr leicht verblasstes Carpe-Diem-/#Yolo-Tattoo es längst fordert, aber leider hinten überm Arsch, wo sie es selbst nie sehen, und von anderen lässt man sich so was Plattes nicht so einfach erzählen.

Dabei sollen wir doch angeblich immer schlauer werden, aber offenbar ist damit nicht die Art von Schläue gemeint, mit der man sein Leben besser einrichtet, sondern nur die, mit der man fähig wird, zu kapieren, was die Typen von Apple da wieder vorgestellt haben, um zu beweisen, dass es so etwas wie falsche Bedürfnisse doch gibt, dass die sich aber oft hinreichend gut anfühlen: "Hey Siri, ist schon Endzeit?" - "Es ist Endzeit. Soll ich passende Musik suchen?" - "Bitte."

Vielleicht fange ich einfach jetzt schon an, mich fremdzuschämen für das, was auf den verrottenden Resten der Erde eines Tages von den hochintelligenten Sexrobotern vorgefunden wird, die die einzigen sein werden, die überleben. Insgeheim wünsche ich mir, dass sie wenigstens einen Funken Trauer spüren über diese eigenwillige Spezies, die irgendwann zwischen Beutelwolf und Moorente ausgestorben sein wird, aber vielleicht werden sie auch einfach unsere Facebook-Chats als Trash-Romane lesen, jeden Tag eine neue Sprache lernen und den Rest der Zeit Sex haben mit ihren abwaschbaren, geilen Körpern, die aus unerfindlichen Gründen alle Frauenformen haben.

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