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Sci-Fi Horror "Alien: Covenant" David und Grobian

Muss man alles machen, was die Fans wollen? In "Alien: Covenant" versucht Regisseur Ridley Scott, die Metaphysik seines altgedienten Kreaturen-Horrors in einen nostalgischen Action-Schocker zu gießen - und scheitert.
Sci-Fi Horror "Alien: Covenant": David und Grobian

Sci-Fi Horror "Alien: Covenant": David und Grobian

Foto: 20th Century Fox

Spät in "Alien: Covenant", als sich der rabiate und zähnefletschende Xenomorph auf seine entsetzlich zerfetzende Art und Weise aus seinem Gastkörper befreit, glitscht ein fassungslos beistehendes Crew-Mitglied auf der entstandenen Blutlache aus. Wenig später geht es einer weiteren, ebenso panischen Astronautin genauso. Beide Ausrutscher enden denkbar verhängnisvoll.

Im Kino, so ein ungeschriebenes, aber ehernes Gesetz, soll man denselben Gag nie zweimal machen. Es sei denn, man hat einen wirklich guten dramaturgischen Grund. Nun ist diese Regel in der Ära der Sequels und Prequels natürlich schon lange außer Kraft: Stoffe, so scheint es, werden im modernen Hollywood-Kino nicht mehr erfunden, sondern nurmehr variiert, in ihrer Mythologie erweitert, in Zeitleisten verschoben, mit neuem Personal angereichert und dann, wenn nötig, wieder reduziert.

Diesem Verdauungs- und Blähungs-Mechanismus ist auch die "Alien"-Saga längst zum Opfer gefallen. Oder besser gesagt: Mit "Alien: Covenant", dem sechsten Film der Reihe, kehrt die Story um das mörderische Biest aus dem All einerseits zu seinen Horror-Wurzeln zurück. Zugleich landet sie jedoch mitten im Fleischwolf der Plot-Verbiegungen und faulen Kompromisse, dem solche generationenübergreifenden Franchise-Unternehmungen selten entrinnen können.

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"Alien: Covenant": Kreaturen unter sich

Foto: 20th Century Fox

Wer noch nie einen "Alien"-Film gesehen hat, bekommt hier den Thrill des "Facehugger"-Splatters und andere säuresaftigen Action-Spezialitäten der einst von H.R. Giger entworfenen Kreatur noch einmal hinreichend blutrünstig serviert. Wer das "Alien" jedoch seit dem genredefinierendem Original von 1979 kennt, hat es wahrscheinlich durch seine Metamorphosen in den Filmen von James Cameron, David Fincher und, leider, Jean-Pierre Jeunet begleitet - und weiß um die Wirkmacht dieser Kreatur gewordenen Angst-Allegorie auf weibliche Anima, Geburts-Horror, Vergewaltigung sowie männliche Schöpfer-Hybris und Allmachts-Fantasie. So kompetent und bildstark "Alien: Covenant" auch inszeniert ist: Man weiß, was kommt.

Auch Regisseur Ridley Scott wusste um die drohende Unvereinbarkeit von Nostalgie und Neuerfindung, weshalb er sich zunächst, bei seinem Comeback mit dem ersten "Alien"-Prequel "Prometheus" (2012), für einen gänzlich neuen Angang entschied. Das Monster kam weder im Filmtitel vor, noch im Film selbst, sieht man von einem Flitzer-Auftritt ganz am Ende ab. Stattdessen gab es eine exzellent besetzte Meditation über den möglicherweise doch sehr gottlosen Ursprung der Menschheit.

Raus aus der Requisitenkammer

"Prometheus" hatte seine Schwächen, was Dramaturgie und Plausibilität betrifft, wirkt aber in der Rückschau inspirierter und mutiger als so ziemlich alles, was "Alien: Covenant" zu bieten hat. Scott, bald 80 Jahre alt, gab nach dem Kritiker- und Publikums-Unmut über "Prometheus" zu, er habe die Sehnsucht der Fans nach der ikonischen Killerfigur unterschätzt. Also holte er sie für die nun beginnende Serie von prädatierenden "Alien"-Filmen als CGI-Geschöpf wieder aus der Requisitenkammer. Am Ende der Reihe soll die Handlung des Originals stehen.

Wie das funktionieren soll, bleibt bis auf weiteres ein Rätsel. "Alien: Covenant" tut sich schwer genug, die Ereignisse von "Prometheus" auch nur ansatzweise logisch zu verarbeiten. In der Mythologie der Reihe werden hier mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet, manches erscheint nachgerade unsinnig. Zudem schleppt der auf physische Alien-Action getrimmte Film schwer an seinem metaphysischen Ballast. Originalität und Spannung bleiben dabei auf der Strecke, als Wow-Effekt taugt höchstens die erhabenen Naturkulisse Neuseelands, die hier zum zauberbergigen Xeno-Terrain wird.

Der doppelte Fassbender

Doch erst mal geht es zurück ins düster-beengte Gänge-Labyrinth des Originals. Zehn Jahre nach "Prometheus" spielend, beginnt "Alien: Covenant" an Bord eines Raumfrachters. Die Ladung: Mehr als 2000 Siedler im Cryo-Schlaf und Hunderte Embryonen für die Besiedlung eines fernen Planeten.

Die Crew wird unsanft geweckt, nachdem eine Neutrino-Explosion im All das Schiff durchschüttelt. Der Kapitän (ein lustíges Mini-Cameo) schafft es nicht aus seiner Schlafröhre, der nur bedingt führungsbereite, aber fromme Oram (Billy Crudup) übernimmt das Kommando. Die Übersicht an Bord hat jedoch, wie üblich in "Alien"-Filmen, ein Android. An Bord der "Covenant" heißt er Walter und wird von Michael Fassbender ("Shame", "Macbeth") gespielt.

Nachdem ein ominöser Notruf abgefangen wird, ändert Oram die Reiseroute, um auf einem anderen erdähnlichen Planeten ganz in der Nähe zu landen, der, man staunt, bisher komplett übersehen wurde. Ohne sich groß mit Sonden oder Proben aus sicherem Orbit aufzuhalten, wird gelandet - und die ersten, zunächst interessant variierten Alien-Attacken lassen nicht lange auf sich warten.


"Alien: Covenant"

USA 2017

Regie: Ridley Scott
Buch: John Logan, Michael Green, Dante Harper, Jack Paglen
Darsteller: Michael Fassbender, Katherine Waterston, Billy Crudup, Danny McBride, Demián Bichir
Produktion: Scott Free Productions, Brandywine Productions, 20th Century Fox
Verleih: Fox
Länge: 122 Minuten
FSK: ab 16 Jahren
Start: 19. Mai 2017


Wer die Menschlein ebenfalls sehnsüchtig erwartet, ist der aus "Prometheus" bekannte Android David (ebenfalls Michael Fassbender), der sich auf dem offenbar barbarisch entvölkerten Planeten wie eine sehnig-zottelige Kreuzung aus Iggy Pop, Robinson Crusoe und dem Serienkiller Jame Gumb aus "Das Schweigen der Lämmer" eingerichtet hat. In einem leeren Palast träumt er sich mal in die Rolle von Shelleys Weltzerstörer Ozymandias hinein, mal gibt er den eitlen Dorian Gray, mal Frankenstein - ein Zitate faselnder, von Rache an seinem menschlichen Schöpfer besessener, universell begabter Cyborg mit Gottkomplex.

Die für einen Action-Film absurd kammerspielartige Szene, in der David seinem moderneren, aber qua Programmierung weitaus weniger flamboyanten Nachfolger Walter das Flötenspiel beibringt, gehört zu den Höhepunkten von "Alien: Covenant". Nicht nur, weil man dem feinnervigen Schauspieler Michael Fassbender sogar in einer Zwillingsrolle gebannt zusieht, sondern weil dieser mit Gothic-Motiven und spätromantischen Fragen und Ideen pseudo-philosophisch garnierte Aspekt der "Alien"-Saga spürbar das ist, womit auch Regisseur Ridley Scott noch seine größte inszenatorische Leidenschaft verknüpft.

"Alien: Covenant" - Kino-Trailer ansehen:

Der Mensch ist hier trotz guter Darsteller (Danny McBride, Demián Bichir) nurmehr reihenweise geopferter Nebendarsteller. Er muss als Alien-Geburtshelfer dienen, oder wird zur Heroine wider Willen wie die burschikose Wissenschaftlerin Daniels (Katherine Waterston), die schon mal die Unterhemd-Toughness von Sigourney Weavers Ripley-Charakter in "Alien" vorweg nimmt.

Im Spannungsfeld zwischen den gleichermaßen grauenerregenden Geschöpfen aus technischer und animalischer Perfektion, stößt die Menschheit eventuell auf die Essenz ihres Daseins. Wenn sie die Blockbuster-Mühle lange genug überlebt.