Von "Asterix" bis "Maus" Comics, die Kohle machen
Timur Vermes wurde 1967 in Nürnberg als Sohn einer Deutschen und eines 1956 geflohenen Ungarn geboren. Er studierte Geschichte und Politik und wurde dann Journalist. 2012 veröffentlichte er den satirischen Roman "Er ist wieder da", von dem mehr als eine Million Exemplare verkauft wurden. Auch sein zweiter Roman "Die Hungrigen und die Satten" schaffte es auf Platz eins der SPIEGEL-Bestsellerliste.
Vor Kurzem hat im Forum ein Comichändler geschimpft: "Jedes (preisgekrönte) Comic welches hier in den letzten Jahren [...] vorgestellt wurde, ist absolutes Kassengift, und das zu Recht." Das ist natürlich nicht schön. "Kassengift" könnte noch Pech sein, aber "zu Recht" heißt: die Auswahl geht konsequent am Interesse der Käufer vorbei.
Ich wollte daher von dem Händler wissen, was denn dann sein Wunsch-Kassengegengift wäre. Geantwortet hat er nicht - aber Comichändler gibt's ja mehr. Zum Beispiel Uli Trautner von Ultra Comix in Nürnberg. Dank seiner Hilfe kommt jetzt: Was über Comics auf SPIEGEL ONLINE steht, wenn es nach der Rendite geht.
1. Die Klassiker: Asterix, Tim & Struppi, Gaston, Spirou & Fantasio
Was ist drin?
Nostalgie und Qualität, Letzteres jeweils vor allem bei den Bänden der Originalautoren. Beim (Wieder)Lesen fällt auf: Erstklassig gezeichnet sind sie alle, "Tim & Struppi" setzt mit der eigenwilligen "Ligne claire" optisch besondere Maßstäbe. Die Stories sind jedoch bei den Klassikern oft arg Enid-Blyton-haft und fordern dem erwachsenen Leser mitunter große Nachsicht ab. Mit Ausnahme von "Asterix": Wo der Text von Goscinny stammt, spielt "Asterix" in einer eigenen Liga.
Warum wurde es bisher nicht besprochen?
Mal abgesehen davon, dass Sie gerade erst etwas zum 90. von Asterix-Zeichner Uderzo gelesen haben: Historisches gibt's bei den Kollegen von einestages.
Asterix, Band 1-36, Ehapa, je 12 Euro
Spirou & Fantasio, Carlsen, je 9,99 Euro (Serie), 12 Euro (Spezial)
Gaston, Carlsen, je 9,95 Euro
Tim & Struppi, Carlsen, je 9,99 Euro
Tim und Struppi 1: Tim im Kongo: Kindercomic ab 8 Jahren | Ideal für Leseanfänger*innen | Comic-Klassiker (1)
Preisabfragezeitpunkt
20.04.2024 00.10 Uhr
Keine Gewähr
2. The Walking Dead
Was ist drin?
Zombies. Wandelnde Leichen, die normale Menschen beißen wollen, damit die auch wandelnde Leichen werden. "Walking Dead" ist innovationsfrei und humorarm. Es gilt: "Wiedersehen macht Freude". Der Zombie ist wie immer, die Optik risikolos, die Handlung so neu wie bei "Dinner for One". Immer wieder geht wer allein dahin, wo man nicht allein hinsollte, durchsucht Keller oder leere Häuser, wo er entweder gebissen wird oder vor Leichen erschrickt. Wer die (langsamen!) Zombies nur wegsperren will, wird als naiver Gutmensch entlarvt, offenbar ist es als Markenkern unverzichtbar, dass man Untoten in den Kopf schießt oder den Schädel einschlägt. Doch die Kill-Frequenz sinkt: Bei Band 25/26 ist das Ganze nur mehr eine Art Intrigenstadl, in dem Überlebende über die Aufteilung der entvölkerten Gebiete streiten. Zombies tauchen bloß noch auf, damit man nicht vergisst, was man liest. Außergewöhnlich sind allenfalls zwei Dinge: Erstens wird endlos geschwallt, und zwar immer dasselbe. The Talking Dead, sozusagen. Wie schlimm es ist, Zombies zu töten. Schade, dass die Welt von früher weg ist. Was man vorher gemacht hat. Schade, dass irgendwer tot ist. Dann läuft zuverlässig eine Träne aus dem Augenwinkel. Sad. Zweitens: Grandios dreist ist das "Walking Dead"-Malbuch. Denn die Serie erscheint ohnehin in Schwarz-Weiß, eigentlich eignet sich jeder Band als Malbuch.
Warum wurde es bisher nicht besprochen?
McDonald's macht Standardfritten, ist aber dennoch kein Restauranttipp. Für Qualitätszombies empfehle ich Geof Darrows perfide-subversive Overkill-Orgie "Shemp Buffet".
The Walking Dead, Cross Cult 1-26, Cross Cult, 18 Euro
The Walking Dead, Softcover, Band 1-7, Cross Cult, 8,99 Euro
The Walking Dead Kompendium, je acht Bände in einem, Cross Cult, 50 Euro
The Walking Dead - Das Malbuch, Cross Cult, 12,95 Euro
Shaolin Cowboy: Shemp Buffet, Cross Cult, 25 Euro
Preisabfragezeitpunkt
20.04.2024 00.10 Uhr
Keine Gewähr
3. Maus
Was ist drin?
Art Spiegelman verarbeitet in seinem Holocaust-Geniestreich aus den Achtzigerjahren die Erinnerungen seines Vaters an Auschwitz. Die Geschichte ist gewitzt, detailreich und wird im Funny-Animal-Stil erzählt: die Juden sind Mäuse, die Nazis Katzen etc. Einzigartig ist, dass dies weder verharmlost noch die präzise Schilderung stört. Wie Spiegelman die Mechanismen erst im besetzten Polen, dann im Lager und letztlich in jedem totalitären Regime aufzeigt, die perverse, aber unabänderliche Logik des Tauschens von Nahrung, Gefälligkeiten, Privilegien, die letztlich das Überleben erst ermöglicht, in einem Medium, das dafür als denkbar ungeeignet galt, all das sucht bis heute seinesgleichen - und zeigt, dass der Comic gleichberechtigt neben Theater, Film und Buch bestehen kann.
Warum wurde es bisher nicht besprochen?
Na ja, "Maus" ist mit über 30 Jahren old news. Umso erfreulicher, dass sich der Doppelband immer noch gut verkauft. Gut verkauft sich übrigens auch Guy Delisle, den ich nur deshalb hier abhake, weil er gerade besprochen wurde.
Art Spiegelman, Die vollständige Maus, Fischer, 14,95 Euro
Guy Delisle, Geisel, Reprodukt, 2017, 29 Euro
Guy Delisle, Shenzhen, Reprodukt, 2006, 20 Euro
Guy Delisle, Pjöngjang, Reprodukt, 2007, 20 Euro
Guy Delisle, Aufzeichnungen aus Birma, Reprodukt, 2009, 24 Euro
Guy Delisle, Aufzeichungen aus Jerusalem, Reprodukt, 2012, 29 Euro
Preisabfragezeitpunkt
20.04.2024 00.10 Uhr
Keine Gewähr
4. Storm
Was ist drin?
Storm begann 1976 als Weltraumabenteuer. Der Held strandet wieder auf der Erde, die aber ganz anders aussieht und von Barbaren beherrscht wird. Der Vorteil: Man bekommt die Conan-Optik und kann doch Raumschiffe einstreuen, für die Zielgruppe "Jungs und solche, die es bleiben wollen". Doch so charmant Naivität sein kann (Mike Grells "Warlord" aus den Siebzigern etwa), bei Storm triefen Klischees, grausige Dialoge und widersprüchlichster Quatsch aus jeder Seite. Der kräftige Tölpelfreund kriegt Vogelkacke und Obstmatsch ins Gesicht, und was gerade noch ein Problem ist, wird zwei Bilder später ignoriert. Als Trost gibt es Brüste im Barbaren-BH und Helden, deren Hals breiter ist als der Kopf, dazu Bilder der Fantasy-Schlüsselreize Muskeln, Waffen, Raumschiffe, Monster. Wie beim Porno ist die Handlung nur Vorwand für weitere Bilder, bis eben das Heft voll ist. Und hier wie dort ist nur wenig geil, dafür vieles notgeil. Es heißt, nach dem Tod von Schöpfer Don Lawrence hätte die Qualität nachgelassen. Ich kann versichern: Die Saga erreicht auch nach über 40 Jahren problemlos das Prädikat "unterirdisch".
Warum wurde es bisher nicht besprochen?
Weil Storm echt schlimm ist. Wie die "Camper" bei RTL als Comedy. Wer Storm gelesen hat, weiß wie herrlich reduziert, stringent und zwingend Marvels "Conan" ist. Schwerter und Raumschiffe gibt's besser, aber derzeit nur auf Englisch: Frank Millers "Ronin". Weitere Vorschläge?
Storm, Band 1-29, Splitter, je 15,80 Euro
Frank Miller, Ronin, DC Comics, ca. 20 Euro
Preisabfragezeitpunkt
20.04.2024 00.10 Uhr
Keine Gewähr
5. I hate Fairyland
Was ist drin:
Eine Parodie. Die kleine Gertrude wird eines Tages ins Feenland gesaugt, das man aber verlassen kann, wenn man den Schlüssel findet. Das dauert angeblich nur ein oder zwei Tage. 27 Jahre später sitzt Gertrude immer noch da, sieht noch immer aus wie mit zehn und tötet reihenweise Zwerge und Elfen mit Äxten, Kanonen, allem. Dazwischen gibt es Namenswitze und sarkastische Bemerkungen. Die Optik erinnert an das, was Karikaturzeichner in Urlaubsorten anbieten. Und genauso wirkt der Inhalt: Sieht erst lustig aus, verbraucht sich aber schon nach zwei Seiten, weil "I hate Fairyland" keinerlei Dynamik hat. Da eskaliert nichts, der Klamaukregler ist stets sofort am Anschlag. Wie ein Feuerwerk nur aus Kanonenschlägen: Irgendwann ist man taub. Kann am Alter liegen: Ich mochte früher "Clever & Smart", auch da war das Thema egal, entscheidend war die Variation. Aber "Clever & Smart" waren irgendwann durch, im Unterschied zu, sagen wir, "Laurel & Hardy". Weil die Gags aufbauen und das Tempo wechseln können.
Warum wurde es bisher nicht besprochen?
Weil ich's nicht kannte. Mein Fehler: Wenn irgendwas Neues sich wie geschnitten Brot verkauft, sollte kann man's durchaus a) merken und b) aufgreifen. Bei der Gelegenheit: "Clever & Smart" werden ab Januar 2018 bei Carlsen neu aufgelegt.
I hate Fairyland, Popcom, 14 Euro
Preisabfragezeitpunkt
20.04.2024 00.10 Uhr
Keine Gewähr