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ARD-Krimi "Goster": Marlowe lässt grüßen

Foto: HR/ Katrin Denkewitz

Krimi-Groteske "Goster" Gestört, aber geil

Arthouse-Kino in der ARD? In dem Krimi "Goster" irrt ein Ermittler ohne Gedächtnis durch ein surreales Frankfurt - ein Wagnis, wie man es im Fernsehen selten sieht.

Zwei Männer am Tresen. Während der eine schlüpfrige Frauengeschichten ausbreitet, starrt der andere entgeistert ins Leere. In diesem schleierhaften Blick liegt schon der ganze Charakter der Figur Goster (Bruno Cathomas) - und in gewisser Weise auch die unterhaltsame Rätselhaftigkeit des ganzen Films. Kurz darauf kommt es, angestachelt durch die verbalen Schweinereien, zu einer Kneipenschlägerei, an deren Ende der Kommissar den Mond erschießt. Der hat dann ein Loch, aus dem rot das Blut fließt.

Didi Danquarts "Goster", nach einer Novelle von Gerhard Zahner, wird vom Hessischen Rundfunk als "Psychothriller" verkauft, oder besser: unterverkauft. Tatsächlich ist es eine Mischung aus Pulp, Poesie und Philosophie, Real- und Animationsfilm, Komik und Spannung - ein Wagnis, wie man es im Fernsehen selten sieht.

Surreal ist schon der Fall selbst: Hinter der verschlossenen Tür eines leeren Zimmers, aus dem sich soeben ein nackter Mann zu Tode stürzte, fällt wie von Geisterhand ein tödlicher Schuss. Einziger Zeuge der Tat ist der vornamenlose Kommissar Goster, den im Trubel ein Infarkt ereilt - er kann sich danach an nichts mehr erinnern. Schon gar nicht an einen Täter. Könnte es sein, dass die Waffe sich aus eigenem Antrieb gelöst hat? Bald häufen sich ähnliche Fälle, die auf einen Aufstand der Knarren gegen ihre Besitzer hinweisen.

Kommissar mit heiß laufender Libido

Unterdessen treibt Goster, zergrübelt und sexuell unterversorgt, in Begleitung seiner aufreizenden Kollegin Hannelore (Julia Riedler) auf der Suche nach seinem Gedächtnis durch ein hochsommerliches Frankfurt. Die Aufklärung des Falls tritt dabei zusehends in den Hintergrund, die Befindlichkeiten und Marotten des Helden nehmen immer mehr Raum ein. Die fiebrigen Phantasmagorien nehmen noch zu, als dem Kommissar auf einmal eine mysteriöse Blondine (Lise Risom Olson) nachstellt. Steht ihr Erscheinen mit dem Fall in Verbindung? Oder nur mit der heiß laufenden Libido von Goster?

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ARD-Krimi "Goster": Marlowe lässt grüßen

Foto: HR/ Katrin Denkewitz

Regisseur Didi Danquart zieht bei seiner Verfilmung einer Novelle von Gerhard Zahner alle Register des Pulp, seine Freude an Stilisierung und Verfremdung ist in beinahe jeder Szene spürbar. Den Kommissar in seinem Film hätten sich Friedrich Dürrenmatt und Raymond Chandler nach der Lektüre von Brecht gemeinsam ausgedacht haben können.

Danquart spielt mit multiplen Splitscreens, bei jedem Schnitt rauscht das neue Bild mit einem Fauchen seitlich rein. Kauft Goster Schuhe, trägt er eine Kiste mit der Aufschrift "Schuhkarton" nach Hause. Trinkt er Bier oder Cola, steht "Bier" oder "Kola" auf der Flasche. Besprechungen halten die Polizisten in einem alten Mini ab, und die Erinnerung an eine verflossene Liebe wird als kleiner Film im Film inszeniert - auf wenn dieser zum Fortgang der Handlung nichts beiträgt. In diesem Sinne wirkt es wie eine gewollte Verfremdung, wenn manche Dialoge wie abgelesen klingen und die Schauspieler hölzern agieren.

Überhaupt ist "Goster" (Buch: Markus Busch) eine einzige Feier der luxuriösen Abschweifungen ins Absurde oder Komödiantische, von denen manche dann eben doch auf die richtige Fährte verweisen. Der surreale Umstand, dass es sich um einen "Krieg der Waffen" gegen die Menschen handeln könnte, bleibt unaufgelöst. Angeboten wird eine eher enttäuschende, weil konventionelle Lösung. Auch bleiben viele Fäden unverknüpft, laufen Handlungsstränge ins Leere aus.

Zwar scheitert dieses Wagnis am Ende an dramaturgischen Nebensächlichkeiten wie Logik und Stringenz, hält aber durch Humor und seine ungewöhnliche Ästhetik bis zuletzt bei der Stange. Wer vergleichbare Experimentierfreude sehen will, muss dafür schon ins Arthouse-Kino gehen.


"Goster", Dienstag, 23.00 Uhr, ARD