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Vierte Staffel von "OITNB": Neue Häftlinge, neuer Ärger

Foto: Dimitrios Kambouris/ Getty Images

"Orange is the New Black"-Stars im Interview "Kopf ab!"

Am Freitag startet die vierte Staffel von "Orange is the New Black". Hier verraten die Stars Kate Mulgrew und Lea DeLaria, was die Serie ausmacht - und erklären den besonderen Geschmack ihrer Fans.
Zur Person Kate Mulgrew
Foto: Alberto E. Rodriguez/ Getty Images

Katherine "Kate" Mulgrew, Jahrgang 1955, wurde mit ihrer Rolle als Captain Kathryn Janeway in "Star Trek Voyager" berühmt, die von 1995 bis 2001 lief. Mulgrew war damit die erste Frau, die eine Hauptrolle als Captain in einer TV-Serie spielte. Seit 2013 ist sie in "Orange is the New Black" ("OITNB") als Galina "Red" Reznikova zu sehen. Für die Rolle war Mulgrew 2014 für den Emmy nominiert.

Zur Person Lea DeLaria
Foto: Dimitrios Kambouris/ Getty Images for GLAAD

Lea DeLaria, Jahrgang 1958, war 1993 die erste offen lesbische Comedian, die einen Auftritt in einer Late-Night-Show hatte. Sie hat als Stand-up-Comedian, Jazzsängerin und Synchronsprecherin gearbeitet, bevor sie 2013 die Rolle der Carrie "Big Boo" Black in "OITNB" übernahm.

SPIEGEL ONLINE: Ms DeLaria, Ms Mulgrew, "OITNB" hat sich stark verändert. In den ersten zwei Staffeln standen die persönlichen Konflikte der Figuren im Vordergrund. Mit der dritten Staffel hat sich die Serie eines eher abstrakten Themas angenommen: dem Gefängnissystem. Manchen Fan hat das nicht überzeugt. Wie erleben Sie die Entwicklung der Serie?

Mulgrew: Leute haben sich an der dritten Staffel gestoßen? Na Gott sei Dank! Dafür sind wir ja da, um Gefühle aufzumischen. Aber es stimmt, diesen Wandel hin zu einem stärkeren Themenfokus hat es gegeben. Das geht alles auf unsere Serienschöpferin Jenji Kohan zurück. Die ersten zwei Staffeln hat sie genutzt, um klar zu machen, wer wir als Figuren sind. Jetzt hat sie sich entschlossen, wichtigerer, übergeordneter Themen anzunehmen. Damit fordert sie dich als Zuschauerin heraus, selbst eine Schippe draufzulegen. In der vierten Staffel wird es nun auf vielen Ebenen noch düsterer und tiefgründiger.

SPIEGEL ONLINE: Auch auf die Gefahr hin, dass Zuschauer abspringen?

DeLaria: Wer springt hier ab? Kopf ab, wer hier abspringt! Spaß beiseite, es sind ja nur eine Handvoll von Leuten, die da nicht mitgehen wollen, und das ist okay. Aber wem die dritte Staffel nicht emotional genug war, hat nicht aufmerksam hingeschaut. Es gab ja die Geschichte um Pensatuckys Vergewaltigung, und zwischen Pensatucky und Boo ist sehr viel passiert.

Mulgrew: Die Serie fordert von seinem Publikum Aufmerksamkeit und Einsatz. Das ist hier keine Soap! Behalt bloß den Ball im Auge, sonst verlierst du den Anschluss.

SPIEGEL ONLINE: Wann erfahren Sie von den größeren Veränderungen in der Serie?

Mulgrew: Jamais! Das wird uns nie erzählt. Wir erfahren von größeren Veränderungen erst ganz zum Schluss, manchmal erst an dem Tag, an dem wir drehen. 'Übrigens', heißt es dann, 'du wirst aufgeknüpft. Übrigens, du verlierst die Person, die dir am meisten bedeutet.' Das ist dieser unberechenbare Moment des Lebens, den wir so oft vergessen, weil uns das Fernsehen so faul macht. Aus der Unberechenbarkeit schöpft unsere Serie ihre Lebendigkeit.

SPIEGEL ONLINE: Aber ist das nicht irritierend für Sie, wenn Sie nicht wissen, wohin sich die Serie und Ihre Figur entwickeln?

Mulgrew: Beängstigend ist das!

DeLaria: Absolut. Aber ich glaube, das ist für alle Serienschauspielerinnen und Schauspieler gleich.

Mulgrew: Also, für mich ist es doch sehr anders. Bei allen Sachen, an denen ich fürs Fernsehen gearbeitet habe, wusste ich, in welche Richtung es geht. Ich wurde immer informiert. Das gibt dir das Gefühl, wichtig zu sein. Aber das ist nicht die Wirklichkeit. In der Wirklichkeit weiß man nicht, was einen am nächsten Tag erwartet - und schon gar nicht, was einen im Gefängnis erwartet. Das ist ein Ort voller Gefahren! Warum sollte uns Jenji etwas wissen lassen, was uns als Schauspielerinnen nur einengt?

SPIEGEL ONLINE: Warum einengen?

Mulgrew: Du darfst den Schauspielern keine Vorahnung anmerken. Sonst funktionieren die Überraschungen nicht. Alles muss sich möglichst natürlich entwickeln. Deshalb ist die Serie so aufregend, wie sie ist.

SPIEGEL ONLINE: Wann kommt die Serie für Sie thematisch zusammen? Schon, wenn Sie drehen oder erst, wenn Sie die fertige Serie sehen?

Mulgrew: Sie kommt nur in einzelnen Momenten zusammen, nicht in einer sauberen Abfolge von Szenen, die einen Zusammenhang herstellen. Die Serie ist nichts als eine Aneinanderreihung von Momenten, in denen etwas durchscheint. Genau das macht Jenji so unheimlich gut - ich kenne keinen Showrunner, dem das so gelingt. Shonda Rhimes (Macherin von "Grey's Anatomy", "Scandal", Anm. d. Red.) würde vermutlich den Anspruch erheben, dass es ihr auch gelingt. Aber nicht mit Jenjis Finesse und intellektueller Strenge.

Szene aus der letzten Folge von Staffel 3

Szene aus der letzten Folge von Staffel 3

Foto: Netflix

SPIEGEL ONLINE: Die dritte Staffel endete mit einer furiosen Schlussszene, in der alle Insassinnen ausbrechen und in einen nahe gelegenen See springen und schwimmen. Dort kamen so viele Erzählstränge zusammen, dass man das Gefühl hatte, dass alles auf diese eine Szene hinausläuft.

Mulgrew: Aber als die Szene kam, wussten wir überhaupt nichts davon.

DeLaria: Wir waren völlig überrumpelt!

Mulgrew: Und die, die nicht bei der Szene mitspielen sollten, waren wie vor den Kopf gestoßen: 'Was soll das bedeuten?' 'Was heißt das für meine Figur?'

DeLaria: Und uns war so kalt, das hast du vergessen zu erwähnen!

Mulgrew: Mir war nicht kalt, ich saß auf dem Steg.

DeLaria: Dafür habe ich dich beneidet, dass du dich nicht nass machen musstest.

SPIEGEL ONLINE: Die Szene im See war eine der wenigen, die fast das ganze Ensemble vereint hat. Laverne Cox hat erzählt, dass Sie sich ansonsten kaum sehen - außer bei Interviewrunden.

Mulgrew: Haha, Laverne arbeitet doch nur, wenn keine Interviewrunden anstehen! Nein, die Frau macht echt viel Pressearbeit, deshalb weiß sie, wovon sie redet.

DeLaria: Das stimmt schon, als Ensemble kommen wir ansonsten nur bei den Szenen in der Cafeteria zusammen. Und davon gibt es nur sehr wenige - aus gutem Grund. In der ersten Staffel gab es sehr viele Szenen in der Cafeteria, die ewig lang zum Drehen brauchten. Die sind wahnsinnig schwierig umzusetzen! Mir ist aufgefallen, dass wir mit jeder Staffel weniger Szenen zusammen haben.

Mulgrew: Gleiches gilt auch für die Szenen in der Küche. Die waren sehr intensiv, weil wir auf kleinstem Raum spielen mussten. Ich vermisse es, diese Szenen zu drehen.

SPIEGEL ONLINE: Was steht für Ihre Figuren in Staffel vier an?

Mulgrew: Wir dürfen natürlich nichts verraten, aber lassen Sie es mich so sagen: Einige düstere Dinge werden aufgedeckt, und nur einige wenige von uns sind eingeweiht.

SPIEGEL ONLINE: Ms DeLaria, gehören Sie dazu?

DeLaria: Nein.

Mulgrew: Es sind wirklich nur sehr wenige, die davon wissen. Aber was passiert ist, hat das Zeug dazu, uns alle ins Verderben zu stürzen.

SPIEGEL ONLINE: Welche andere Seite gibt es an Red in dieser Staffel zu entdecken?

Mulgrew: Ihre Rücksichtslosigkeit, versehen mit einem komödiantischen Twist. Wir sehen, dass es mir leicht fällt, sehr schnell große Entscheidungen zu treffen - und dabei zu lächeln, weil ich erwarte, dass man mir Gefolge leistet.

SPIEGEL ONLINE: Und was gibt es an Boo zu entdecken?

DeLaria: Boo wird zeigen, wie stur sie ist - und wie unbarmherzig. Es tut gut, diese Seite von ihr zu zeigen, und ich bin gespannt, wie die Leute auf diese Entwicklung reagieren werden.

SPIEGEL ONLINE: Ms DeLaria, Sie haben vor "OITNB" auch als Queer-Aktivistin gearbeitet. In welchem Verhältnis stehen Ihr politisches Engagement und die Arbeit an einer Serie im Mainstream-TV?

DeLaria: Ich habe als Stand-up-Comedian gearbeitet, als Sängerin, Schauspielerin und Aktivistin und mich in jedem Bereich ganz offen als Butch-Lesbe gezeigt. Die Serie zeigt nun das, was ich der Welt seit 33 Jahren zu zeigen versuche - und das so viel erfolgreicher! Ich habe erlebt, wie die Serie die Sicht der Menschen darauf verändert hat, was eine Butch-Lesbe ausmacht. Die Serie hat so vielen Stereotypen ein Gesicht gegeben und so die Menschen hinter den Klischees sichtbar gemacht.

SPIEGEL ONLINE: Dafür wird "OITNB" ja auch gefeiert - dass sie so vielfältige Frauenfiguren und Darstellerinnen präsentiert und das Fernsehen für beides öffnet. Nun stehen noch drei Staffeln an. Fast wird man ein wenig ungeduldig, wann man Sie oder Laverne Cox in anderen Rollen zu sehen bekommen wird.

Mulgrew: Das werden Sie schon noch! Wir drehen erst einmal die nächsten Staffeln ab, dann werden Sie sehen, wohin es alle verschlägt. Als diese Frauen werden tolle Rollen spielen. Die, die stark sind, werden sich durchsetzen.

SPIEGEL ONLINE: Die Dreharbeiten sind sehr anspruchsvoll, nebenbei können Sie kaum an etwas anderem arbeiten.…

DeLaria: Ja, die verschlingen sechs Monate im Jahr.

Mulgrew: Aber so muss es auch sein. Einer Sache wie dieser muss man sich mit Haut und Haaren verschreiben, nicht nur ein wenig. Sonst geht etwas verloren. Bei dieser Serie wird wirklich auf Details geachtet. Du musst auf den Punkt vorbereitet sein und deine Hausaufgaben gemacht haben.

SPIEGEL ONLINE: Was meinen Sie mit Hausaufgaben?

DeLaria: Am Abend vor dem Dreh gehe ich meine Szenen immer wieder durch, um für mich zu klären, warum meine Figur das so macht. Das klingt jetzt nach Schauspielergehabe, aber ich mag es nicht, Szenen zu oft zu proben, sonst fängt der Text an, künstlich zu klingen. Darum muss ich möglichst viel für mich vorab geklärt haben. Die Autoren leisten aber auch unglaubliche Arbeit. Ich habe die längste Zeit in einer Branche gearbeitet, die von mir erwartet, dass wenn ein Text Lücken hat, ich sie fülle. Bei "OITNB" erleben wir aber diesen Luxus, dass alles schon aufgeschrieben ist und wir uns ganz auf das Spiel konzentrieren können. Deshalb: lieber richtig ranklotzen und Hausaufgaben machen - wer weiß, wann du noch mal so verwöhnt wirst!

SPIEGEL ONLINE: Wie viel Kontakt zu Jenji Kohan haben Sie während des Drehs?

Mulgrew: Sie ist in Los Angeles und kommt nur zu den Folgen ans Set, die sie selbst geschrieben hat - das sind in der Regel die erste und die letzte Folge einer Staffel. Die letzte ist meistens die längste, weil so viele Cliffhanger eingebaut werden müssen. Wenn Jenji dann am Set ist, sind alle noch einmal konzentrierter bei der Arbeit, weil man sie nicht enttäuschen will. Es wird nicht improvisiert, sondern gespielt, was auf dem Blatt steht. Ich mag diese Disziplin.

SPIEGEL ONLINE: Ms DeLaria, ist es das, was Sie bei einer Netflix-Programmpräsentation mit den "Regeln von Kate Mulgrew" gemeint haben, denen Sie am Set folgen?

DeLaria: Oh ja! Kate ist die Glucke in unserer Truppe. Wir sind alle sehr dankbar, dass sie dabei ist. Sie ist einfach die vielseitigste Schauspielerin von uns. Mit ihr zu drehen, heißt, Schauspielunterricht zu kriegen. Ich bin eine verdammte Stand-up-Comedian und gebe alles, um zu einer echten Schauspielerin zu werden. Mit Kate gehe ich für vier Jahre auf die Schauspielschule.

Mulgrew: Interessant, das zu hören - denn ich empfinde es als mein Privileg, mit dir zu drehen. Aber das macht wohl die Serie aus. Ja, ein paar von uns machen das schon länger. Und ein paar haben vorher was ganz anderes gemacht. Aber aus welchem Grund auch - dieses Ensemble ist wie ein Soufflé.

SPIEGEL ONLINE: Ein Soufflé?

Mulgrew: Ja, du rührst alles zusammen, setzt es ein wenig Hitze aus - und sieh mal, was dabei rauskommt!


Die vierte Staffel von "Orange is the New Black" ist ab Freitag komplett auf Netflix zu sehen

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