Serie "Snatch":Harry Potters bester Freund ist jetzt ein Gangster

Serie "Snatch": Es gibt eine Karriere nach Harry Potter, aber unter der Sonnenbrille steckt auch diesmal der liebenswert-schusselige Sidekick: Rupert Grint als adeliger Gangster Charlie in Snatch.

Es gibt eine Karriere nach Harry Potter, aber unter der Sonnenbrille steckt auch diesmal der liebenswert-schusselige Sidekick: Rupert Grint als adeliger Gangster Charlie in Snatch.

(Foto: Matt Squire/Crackle)

"Snatch" war vor 17 Jahren ein Kinohit. Jetzt versucht eine Serienadaption mit Rupert Grint an die Skurrilität des Originals heranzureichen.

Von Johanna Bruckner

Psychisch auffällig sind Gangster im Fernsehen oft. Da gibt es die Sorte, die gewissenlos Zähne rausbricht und Schlingen zuzieht. Und dann gibt es die Tony Sopranos, die unter Panikattacken leiden, weil sie Job und Familie nicht auf die Kette bekommen. In der Serienadaption des britischen Gangsterfilms Snatch kommt nun ein weiteres Krankheitsbild der Populärpsychologie dazu: der Vaterkomplex. Das passt insofern gut ins Erbe, weil das Original des britischen Regisseurs Guy Ritchie aus dem Jahr 2000 wegen genau solcher Absurditäten weltweit ein Kinohit war und heute Kultcharakter hat. Wahnwitzige Dialoge, schwarzer Humor, überdrehte Gewalt - heute ist das Gangsterfilm-Standard. Und daran hält sich auch Regisseur und Produzent Alex De Rakoff bei seiner Serieninterpretation, die von Dienstag an beim Pay-Sender AXN zu sehen ist.

Während in Ritchies Vorlage herrlich zerknautscht aussehende Kriminelle in der Midlife-Crisis Jagd auf Diamanten machten, folgt Snatch, die Serie, drei Jünglingen mit babyglatter Haut und Angst vor großen Wummen. Zunächst läuft es zwar noch richtig gut im Leben der Londoner Kleinkriminellen Albert, Charlie und Billy: Sie haben Glück (der Transporter, den sie kapern, ist mit Goldbarren beladen), Frauen (um Dynamik reinzubringen kommen auf drei Mini-Gangster zwei Frauen) und das richtige Maß an Herausforderung (aus Gold Geld machen). Wenn da nur nicht die Sache mit den Vätern wäre.

Die Serie spielt 17 Jahre nach dem Original

Der von Albert sitzt seit Jahren im Knast. Das hindert ihn aber nicht daran, dem eigenen Sohn mit seinem Status als Bankräuberlegende Druck zu machen. Die Gespräche mit Sohn und Frau finden via Tablet statt - Bankräuberlegenden-Privilegien. Für eine nahtlose Internetverbindung ist ein Handlanger zuständig. Wenn der klischeemäßig mit mehr Muskeln als Hirn ausgestattete Mann auf der Suche nach drei Balken für optimalen Empfang über den Gefängnishof walzt, ist das nicht nur lustig anzusehen. Es ist auch ein cleverer Zug der Macher.

Sie liefern den Fans der Filmvorlage gimmickeske Details, machen gleichzeitig aber klar, dass ihre Serie 17 Jahre nach dem Original spielt. Diese Gratwanderung zwischen Anleihen und eigenen Ideen funktioniert vor allem im ersten Drittel der zehn Episoden. Auch weil die Besetzung stimmt.

Irgendwann scheint egal, was hier warum passiert. Hauptsache, verrückt

Da ist zum Beispiel Rupert Grint als Charlie. Grint wurde als bester Freund von Harry Potter in den Verfilmungen der Buchreihe bekannt und spielt in Snatch einmal mehr den liebenswert-schusseligen Sidekick. Auch der adelige Charlie könnte eine Familientherapie gut gebrauchen: Der Vater baut im Salon Cannabis an, die Mutter geht mit dem Handwerker fremd und der Butler hat ein Alkoholproblem. Oder Clubbesitzer Sonny Castillo, gespielt von Gossip-Girl-Darsteller Ed Westwick. Castillo zieht sich in einer Episode mehr Koks durch die Nase, als in seinem Nachtclub im ganzen Monat konsumiert wird, und ist dementsprechend emotional instabil. Beim Foltern wendet er bevorzugt Küchentechniken an: Das Opfer wird fest in Klarsichtfolie eingewickelt und zum Weichkochen in die heiße Sauna gelegt.

Regisseur De Rakoff ist sichtlich bemüht in Sachen Skurrilität an das Original heranzureichen. Leider zu oft zu bemüht. Irgendwann scheint egal, warum hier was passiert - Hauptsache verrückt. So wird das Gangster-Trio vervollständigt von Amateurboxer Billy, der oft seelenvoll in die Kamera blickt, für den Plot aber nicht nötig wäre. Hätte man ihm nicht einen Vater ins Buch geschrieben, der an eine Figur aus der Vorlage erinnert. Im Film gab Brad Pitt - nicht ohne Selbstironie - einen maulfaulen Zigeuner mit Waschbrettbauch und Eisenfaust. In der Adaption tanzt das britische Wandersvolk in schmuddeligen Feinripp-Unterhemden ums Lagerfeuer.

Schön aussehen und Sonnenbrille rumschrieben

Das wirkt umso befremdlicher, weil die übrige Serienästhetik an den elitären Chic aus Gossip Girl erinnert. Wenn die Möchtegern-Gentleman-Gangster Albert und Charlie durch Londons Straßen laufen, tragen sie Anzüge vom Maßschneider und Designer-Sonnenbrillen, dazu läuft coole Musik. Die zu Beginn durchaus unterhaltsame Serie verliert sich mit zunehmendem Verlauf in solchen Oberflächlichkeiten. Das wird am deutlichsten an der Hauptfigur des Albert. So liebevoll sämtliche Nebenfiguren ausgestaltet sind, so flach bleibt dieser Charakter. Darsteller Luke Pasqualino hat vor allem zwei Aufgaben: schön aussehen und die erwähnte Designer-Sonnenbrille lässig auf der Nase hoch- und runterschieben.

Am Ende ist man geneigt, sich einen Gangster der klassischen Psychowrack-Sorte in die Serie zu wünschen (Staffel zwei ist bereits in Arbeit). Einen, der Albert mal so richtig vermöbelt und dabei irre grinst.

Snatch, AXN, dienstags um 21.50 Uhr.

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