Confed Cup:Löw verblüfft mit Experimenten

  • Joachim Löw gibt seinen Kader für den Confed Cup bekannt und gibt sechs Neuen eine Chance.
  • Auf dem Turnier liegt allerdings gar nicht sein Fokus, sondern schon auf der WM 2018. Viele Routiniers werden dafür geschont.
  • Dennoch hat der Bundestrainer für den Sommer einen Wunsch.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Es gibt ein paar Gewissheiten im Leben des Joachim Löw, an denen ist nicht zu rütteln. Die Sonne geht auf, der Espresso ist warm, und der Confed-Cup, der findet halt statt. Was hilft es, dass die Fußballszene, insbesondere die deutsche, über Sinn und Unsinn dieses Testturniers im Vor-WM-Jahr diskutiert; dass sich Vereinsvertreter sowie sogar Reinhard Grindel als DFB-Präsident und neues Mitglied des Fifa-Rates kritisch über das Turnier äußern; und dass Löw selbst angesichts der zunehmenden Belastung seiner Spieler "wahrscheinlich nicht traurig" wäre, falls es den Confed-Cup in vier Jahren tatsächlich nicht mehr geben würde.

Aber für diesen Sommer 2017 gilt Löws ebenso lakonisches wie korrektes Motto: "Fakt isch, der Confed-Cup findet statt." Also muss er aus diesem lästigen Event auch irgendetwas machen. Und er hat sich dazu entschieden, daraus ein großes personelles Experiment zu machen. Lange hatte Löw über die Zusammensetzung seiner Equipe gerätselt, am Mittwoch sitzt er entspannt in der DFB-Zentrale und präsentiert das Personaltableau für die Fahrt nach Russland (15. Juni - 2. Juli). Und das ist dann noch ein Stück verblüffender ausgefallen, als die meisten erwartet hatten.

Löw-Kandidaten wie Gnabry spielen in diesem Sommer beim U 21-Turnier in Polen

Herausgekommen ist ein 23 Mann starker Kader, dessen Mitglieder zusammengerechnet auf weniger Länderspiele kommen als die im Sommer geschonten Thomas Müller und Mesut Özil alleine (156 versus 169). Der Pariser Julian Draxler (28) und der Kölner Jonas Hector (27) sind die Akteure mit der größten Nationalelf-Erfahrung, und in Gestalt von Kevin Trapp (Paris), Marvin Plattenhardt (Hertha BSC), Lars Stindl (Gladbach), Diego Demme (Leipzig), Kerem Demirbay, Sandro Wagner (beide Hoffenheim) sowie Amin Younes (Ajax Amsterdam) finden sich dort gleich sieben Spieler ohne jedes A-Länderspiel wieder.

Zu jedem Neuling findet der Bundestrainer ein lobendes Wort, der Demme sei ein kleiner Gattuso, der Wagner ein offener und direkter Typ, der Younes ganz stark im Eins-gegen-Eins, der Stindl sehr flexibel - und bei Demirbay mag vielleicht auch eine Rolle gespielt haben, dass sich der deutsche Verband bis zuletzt in einem Wettstreit mit dem türkischen Verband um die Dienste des Hoffenheimer Mittelfeldmannes befand. Aber es ist auch keine sehr gewagte Prognose, dass das Gros dieses Septetts über den Sommer hinaus kaum Karriere in der A-Elf machen wird.

Das aufstrebende Talent spielt lieber bei den Großen

Dieser Kader ist zumindest in dieser fundamentalen Form durchaus unerwartet. Es war zwar klar gewesen, dass Löw die Stammkräfte Manuel Neuer, Jérôme Boateng, Mats Hummels, Sami Khedira, Toni Kroos und Thomas Müller schonen würde; und dass Akteure wie Ilkay Gündogan oder Benedikt Höwedes verletzt ausfallen. Aber nun hat Löw noch diverse andere arrivierte Akteure gestrichen: Mario Gomez, "den kenne ich doch schon", auch Karim Bellarabi oder André Schürrle - und auch Marco Reus. Gerne hätte er Reus dabei gehabt, so sagt das Löw, aber dessen großes Ziel sei die WM 2018. Darauf sei alles ausgerichtet, "und es ist ganz gut, dass er sich in Ruhe auf die neue Saison vorbereiten kann".

Und dann ist da noch die Sache mit der U 21. Das gehört ja auch zum Löw'schen "Sommer der Herausforderungen", dass parallel zum Confed-Cup noch eine EM des ältesten Nachwuchsjahrganges stattfindet und dass er sich deshalb eng mit dem Trainerkollegen Stefan Kuntz abgestimmt hat. Beim DFB finden sie ein erfolgreiches Abschneiden der U 21 wichtig, aber andererseits spielt das normale Talent nun mal lieber bei den Großen mit als bei den Kleinen. Jetzt sind die Kader so geraten, dass etwa Leon Goretzka, Leroy Sané oder Matthias Ginter zum Confed-Cup reisen - Spieler wie Serge Gnabry, May Meyer oder Jonathan Tah hingegen nach Polen.

Beim DFB versuchen sie den Eindruck zu erwecken, als würde das nichts bedeuten. Ein Einsatz im U-Team sei "keine Degradierung", die Eingruppierung "keine Entscheidung" mit Blick auf die WM 2018. Motto: Wir haben einen tollen Kern (den wir schonen) und dann viele potenzielle Kräfte - dieses Signal würden sie gerne aussenden, und am Mittwoch versuchen sie das auch mit der Art der Kaderpräsentation zu unterstreichen. Zu erwarten wäre gewesen, dass der DFB erst die Confed-Cup-Reisegruppe vorstellt und dann die U 21-Akteure. Stattdessen gehen sie positionsweise vor, erst alle Torhüter für beiden Turniere, links der Confed-Cup, rechts die U 21-EM, dann entsprechend alle Abwehrspieler, schließlich alle Offensivkräfte.

Sportlich will Löw angesichts seiner Kaderwahl keine großen Vorgaben machen. "Wir haben kein Ziel gesetzt, dass wir Erster, Zweiter, Dritter werden müssen", sagt er. Er weiß, dass sein Kader gut genug sein müsste, um eine Wiederholung von 1999 zu vermeiden, als die DFB-Elf in der Vorrunde des Confed-Cups ausschied. Aber er weiß auch, dass ihm wohl niemand böse wäre, sollte das Turnier im Halbfinale gegen Portugal enden. Löws wahres Ziel ist ein anderes. "Wenn wir nur zwei, drei Spieler Richtung Weltklasse schieben und sie auf ein neues Niveau heben, bin ich überglücklich", sagt er: "Dann hätten wir alles erreicht."Der Confed-Cup sei da für ihn nur eine "Zwischenstation", denn, so fügte Löw ungewohnt pathetisch an: "Weltmeister zu werden, ist etwas für die Ewigkeit."

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