Tennis:Warum Scharapowa beim Comeback nicht getestet wurde

Tennis - WTA - Rome Open - Maria Sharapova of Russia v Mirjana Lucic-Baroni of Croatia

Sie ist wieder da: Scharapowa nach ihrer Sperre

(Foto: REUTERS)

Deutsche Doping-Kontrolleure äußerten ihren Kontrollwunsch - doch Formalitäten sprachen dagegen. Ein Fall, der verwundert.

Kommentar von Johannes Aumüller

Die Vertreter der nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) sind aufgebracht, und niemand kann es ihnen verdenken. Ende April feierte die russische Tennisspielerin Maria Scharapowa beim Turnier in Stuttgart ihr Comeback - nach 15-monatiger Dopingsperre. Da war es nachvollziehbar, dass diese Rückkehr nicht nur Fans und Konkurrenz interessierte, sondern auch die Doping-Bekämpfer. Also schickte die deutsche Nada an Scharapowas Comeback-Tag Kontrolleure nach Stuttgart. Doch die mussten ihren Versuch aufgeben.

Der Grund: Der Tennis-Weltverband versagte den Zutritt. Kontrollwunsch hin, Kontrollwunsch her, es gebe nun mal die Anlage J der internationalen Test-Standards. Und da steht drin: Wenn eine nationale Anti-Doping-Agentur bei einem internationalen Wettbewerb testen möchte, muss sie das beim Fachverband 35 Tage vorher anmelden. Und das war nicht geschehen.

Es sagt viel über das Tennis aus, wenn Spieler um Dopingtests herumkommen können

Formalitäten sind auch und gerade im Kampf gegen Pharmabetrug wichtig und richtig. Aber der vorliegende Fall lässt vor allem zwei Schlüsse zu. Erstens sagt er viel übers Anti-Doping-Verständnis eines Weltverbands aus, wenn unter Verweis auf solche Regularien Spieler um Tests herumkommen können. Zweitens ist es notwendig, diesen Passus so zu verändern, dass eine Nada zumindest unter bestimmten Umständen spontane Tests auch ohne Extra-Erlaubnis der Fachföderation durchführen kann.

Denn nationale Anti-Doping-Agenturen wie die deutsche - oder andere aus Westeuropa oder Nordamerika, die sich in der "Inado" organisiert haben - sind in ihrem Tun viel unabhängiger und zielstrebiger als die internationalen Fachverbände. Zwar gibt es noch immer diverse Kritikpunkte. Das Kontrollsystem ist weiter viel zu ineffektiv, wie die aktuelle Jahresstatistik der deutschen Nada beweist: Von 12 646 Tests führten nur 20 zu Sanktionen - dabei ist durch die Arbeit der Justiz, mediale Enthüllungen und anonyme Athleten-Umfragen längst klar, dass der Prozentsatz an Dopern wohl im zweistelligen Bereich liegen dürfte.

Manche administrative Entscheidung verwundert, und völlige Unabhängigkeit lässt sich nicht attestieren, solange Vertreter des Sports im Aufsichtsrat sitzen.

Aber das neue Anti-Doping-Gesetz stärkt die Nada. Und nach vielen Jahren, in denen die Organisation eher ein Rädchen des Sportgewerbes war, tritt die aktuelle Führung um Andrea Gotzmann und Lars Mortsiefer klarer und kritischer auf. Sie prangerte an, dass das Internationale Olympische Komitee Russland trotz dokumentierten Staatsdopings an den Spielen in Rio teilnehmen ließ; sie äußerte "erhebliche Zweifel" am neuen Anti-Doping-Konzept des IOC; und sie macht es öffentlich, wenn wie im Tennis-Fall von Stuttgart die Verbände im Anti-Doping-Kampf zwar gemäß Anlage J, aber nicht gemäß der sachlichen Notwendigkeit handeln. Alles völlig zu Recht. Da ist es kein Wunder, wenn solchen Nadas immer öfter Widerstand aus dem organisierten Sport erwächst.

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