Lufthansa:Auf die endgültige Einigung muss Lufthansa noch warten

Lufthansa: Was nach Einigung aussieht, ist nicht immer auch eine. Trotzdem gibt die Lufthansa-Erklärung Grund zu Optimismus.

Was nach Einigung aussieht, ist nicht immer auch eine. Trotzdem gibt die Lufthansa-Erklärung Grund zu Optimismus.

(Foto: AFP)

Die Gefahr eines weiteren Pilotenstreiks ist wohl gebannt. Konzern und Piloten haben eine Ebene erreicht, die zu verlassen sich keiner mehr trauen wird.

Kommentar von Detlef Esslinger

Es wäre großartig, falls es tatsächlich so kommt, wie es nun kommen soll. Aber vorerst ist es ratsam, die Formulierungen beider Seiten sehr wörtlich zu nehmen. Was die Lufthansa am Mittwoch verkündete, war eine "zunächst noch unverbindliche Grundsatzeinigung". Die Vereinigung Cockpit (VC) sprach von einer "Absichtserklärung", die eine "große Chance" bedeute. In den Worten des Vorstands wiederum bedeutet dies: Er hält "die Überführung dieser Grundsatzeinigung in rechtlich verbindliche Verträge zum jetzigen Zeitpunkt für überwiegend wahrscheinlich".

Spätestens ein derart gedrechselter Satz macht deutlich: Vorstand und Piloten haben sich nun nicht in ihrem jahrelangen Konflikt geeinigt. Sie haben sich nur geeinigt, sich endlich zu einigen.

Lokführerstreiks sind im Vergleich pillepalle

Nur? Eigentlich ist eine Absichtserklärung nicht die ganz große Nachricht. Eigentlich könnte man sie kurz zur Kenntnis nehmen und sodann die Absichtserklärer bitten: Meldet euch, wenn ihr so weit seid. Dieser Fall aber ist anders. Man muss sich nur die vergangenen Jahre nochmals vor Augen führen: Fast fünf Jahre dauert nun dieser Tarifkonflikt; als er begann, war gerade Fußball-EM, in Polen und der Ukraine. In 14 Streiks vernichteten die Kontrahenten mehr als eine halbe Milliarde Euro. Am Ende hatten sie sich so ineinander verhakt, dass sie Gunter Pleuger zum Schlichter beriefen; nur einem Mann, der während des Irak-Kriegs der deutsche UN-Botschafter war, trauten beide Seiten noch zu, dem jeweiligen Gegenüber gewachsen zu sein. Im Vergleich zum Pilotenkonflikt waren die Lokführerstreiks pillepalle.

Die Bedeutung der Absichtserklärung ergibt sich weniger aus dem Inhalt als aus dem Ton, den die Beteiligten wählen. Die VC offenbart zwar eine gewisse Skepsis. Sie nennt die kommenden Monate "eine große Herausforderung". Aber jetzt vermeidet die Pilotengewerkschaft jede Schärfe in ihren Worten. Der Lufthansa-Vorstand spricht gar von einem "neuen sozialpartnerschaftlichen Ansatz" sowie, dass beide Seiten "langfristigen Tariffrieden anstreben". Vor allem ist er diesmal so weise, seine Erklärung nicht mit finsteren Ankündigungen zu flankieren. Vier Wochen ist es erst her, dass er den Spruch des Schlichters Pleuger nur unter der Maßgabe akzeptierte, anderswo 85 Millionen Euro am Personal zu sparen - was sogleich die Flugbegleiter erzürnte. Womit weitere Gespräche dringlich wurden.

Lufthanseaten nennen sich die Beschäftigten des Konzerns traditionell. Doch das in dem Wort zum Ausdruck kommende Gemeinschaftsgefühl hatte sich in den zurückliegenden Jahren verflüchtigt. Verteilungskonflikte prägten das Klima - zwischen Vorstand und Belegschaft, zwischen Belegschaft und Belegschaft. Das ist keine Konstellation, in der man im Wettbewerb gegen Billigflieger und die subventionierte Konkurrenz vom Persischen Golf bestehen kann. Was die Pilotengewerkschaft nun eine "große Herausforderung" nennt, ist in Wahrheit dies: über die auszuarbeitenden Tarifverträge wieder ein gemeinsames Verständnis vom Geschäftsmodell und vom Umgang miteinander zu finden.

Die Piloten haben sich Sicherheit erstreikt

Mindestens zwei Dinge lehrt dieser Konflikt. Der Vorstand zog aus der Konkurrenzlage den Schluss, den Konzern umzubauen - und bestand darauf, das sei eine "unternehmerische Entscheidung", bei der Gewerkschaften nichts mitzureden hätten. So mag die Rechtslage sein. Wer derlei in einer Firma tut, in der nur wenige Arbeitnehmer in Gewerkschaften organisiert sind, soll das gern tun und dann sehen, wie er mit womöglich demotiviertem Personal klarkommt. Die Lufthansa-Belegschaft hingegen ist hoch organisiert. Hier kam der Versuch des Durchpeitschens einer Vernichtung von Vermögen gleich. Diese Methode wird der Vorstand nie wieder wählen.

Aber auch die Gewerkschaften untereinander brauchen neue Umgangsformen. Langfristig müssen VC, Verdi und die Unabhängige Flugbegleiter-Organisation (UFO) ihre Tarifverhandlungen gemeinsam oder wenigstens koordiniert führen; ein Gespräch von Vertretern der drei Gewerkschaften mit dem Vorstand vor zwei Wochen war vielleicht das Samenkorn dazu. Ein Betrieb ist immer eine Leistungsgemeinschaft aller, die dort arbeiten; das ist bei der Lufthansa nicht anders als bei jeder Hinterhofwerkstatt. Die Berufsgruppe der Piloten hat sich nun zwar Sicherheit erstreikt - sie bezahlt dies aber mit geringeren Gehaltssteigerungen, als andere Berufsgruppen sie für sich durchgesetzt haben. Wozu also all der Krach, all die Sonderwege? Ganz langsam scheint sich im Konzern die Einsicht durchzusetzen, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann.

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