Ozean-Konferenz:Wem das Meer gehört

Sonnenaufgang in Cullercoats

"Alle Staaten haben die Pflicht, die Meeresumwelt zu schützen"

(Foto: dpa)

Können Staaten auf dem Ozean machen, was sie wollen? Und wie lassen sich illegale Fischerei und Vermüllung stoppen? Seerechtlerin Nele Matz-Lück über Verantwortung auf den Weltmeeren.

Interview von Christoph Behrens

Diese Woche haben sich Meeresforscher und Politiker in New York zur ersten Ozean-Konferenz der Vereinten Nationen getroffen (hier mehr zu den Ergebnissen der Konferenz). Doch wer ist für das Meer eigentlich zuständig - und wie könnten die Ozeane künftig besser geschützt werden? Nele Matz-Lück ist Professorin für Seerecht an der Universität Kiel und Mitglied des Exzellenzclusters "Ozean der Zukunft". Im Zentrum ihrer Forschung stehen neben dem Seerecht das Umweltvölkerrecht und völkerrechtliche Verträge.

SZ.de: Frau Matz-Lück, wem gehört das Meer?

Matz-Lück: Teile des Meeres stehen unter der Hoheit der Küstenstaaten. In anderen Teilen haben die Staaten nur exklusive Rechte über die Ausbeutung der Ressourcen. Wieder andere gehören niemandem, hier gelten im Wesentlichen die Freiheiten der "Hohen See". Das kennzeichnet eine große Schwierigkeit: Verschiedene Akteure dürfen auf dem Meer viele verschiedene Dinge regeln. Einem Fischschwarm ist es aber völlig egal, ob er von einem Hoheitsgebiet ins nächste schwimmt.

Ist diese Art der Verwaltung noch zeitgemäß?

Ja, denn klare räumliche Zuordnungsregeln braucht man, wenngleich Durchsetzungsrechte z.B. zum Umweltschutz besser geregelt werden sollten. Ich kann mir eine Verwaltung ohne verschiedene Zonen nicht vorstellen. Gleichzeitig ist diese Einteilung problematisch. Wir denken über den Ozean nach wie über Land, das man unterteilen kann wie Parzellen. Auf dem Land kann man einen Zaun ziehen, auf dem Meer nicht. Ich habe aber auch keine bessere Lösung anzubieten.

Können die Staaten in ihrem Bereich oder auf hoher See uneingeschränkt agieren?

Ganz uneingeschränkt nicht. Es gibt vielfältige internationale Regeln und Abkommen - zum Beispiel das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen und das Abkommen über weitwandernde Fischarten. Das müssen Staaten in Zonen unter ihrer Hoheit und gegenüber eigenen Schiffen durchsetzen. Auch auf hoher See sind in vielen Bereichen regionale Fischereimanagement-Institutionen für die Fischerei zuständig. Alle Staaten haben die Pflicht, die Meeresumwelt zu schützen, dazu zählen auch lebende Ressourcen. Diese Regel ist aber ziemlich unkonkret. Insgesamt gibt es teilweise ein Regelungsdefizit, vor allem handelt es sich aber um ein Umsetzungsdefizit. Selbst wenn man alle Staaten dazu bekommt, einen Vertrag zu ratifizieren, ist es schwierig, die Verpflichtungen durchzusetzen. Das sehen wir beispielsweise bei der Problematik der illegalen, ungeregelten und undokumentierten Fischerei in den verschiedenen Meereszonen.

Brauchen wir eine Art Pariser Vertrag für die Meere, ähnlich dem weltweiten Klimaabkommen?

Das haben wir ja für die Ozeane, und sogar stärker als für das Klima. Das Seerechtsübereinkommen (SRÜ) von 1982 ist ein sehr umfassender Rahmenvertrag. Er legt die Staaten viel stärker fest als der Klimavertrag, der ja überwiegend auf freiwilligen Verpflichtungen beruht. Also noch mehr Verträge sind eigentlich nicht zielführend, außer vielleicht bei spezialisierten Themen wie zu bestimmten Verschmutzungsquellen, zum Fischfang mit bestimmten Methoden oder dem Schutz einzelner Arten.

Was wäre denn für den Schutz der Ozeane zielführend?

Das ist schwer zu sagen. Wichtig ist vor allem, dass die Staaten den verbesserten Schutz auch wollen. Die UN-Konferenz in New York ist eine reine politische Konferenz mit vielen Absichtserklärungen. Die Staaten müssten diese aber auch in nationale Politik umsetzen und durchsetzen. Dazu fehlt häufig der politische Wille.

Der Meeresumweltschutz nimmt international schon eine große Rolle ein. Viele ökologischen Probleme sind lange bekannt. Das erste Abkommen zur Verhinderung der Ölverschmutzung stammt aus den 1930er Jahren. Der Umweltschutz ist also nichts Neues - aber viele der Probleme sind einfach schwer zu regeln. Zum Beispiel der Plastikeintrag von Land, oder dass Düngemittel über Flüsse ins Meer gelangen. Die Staaten sind nicht gewillt, das zu regeln, weil es ihre eigenen Territorien betrifft. Ich hoffe sehr, dass sich das ändert. Da gibt es immer mal wieder regionale Ansätze: Marokko hat kürzlich Plastiktüten verboten, auch einzelne Städte in Kalifornien wollen mit solchen Verboten verhindern, dass Plastiktüten ins Meer wehen. Das sind kleine Schritte. Aber es ist kein neues Problem.

Auch existierende Abkommen scheinen derzeit in Frage zu stehen. China beansprucht beispielsweise große Teile des südchinesischen Meers für sich, was dem Seerechtsübereinkommen zuwiderläuft. Was kann das Völkerrecht hier ausrichten?

Das ist eine Problematik, wo das Völkerrecht an seine Grenzen stößt. Wir beobachten diese Souveränitätsstreitigkeiten auch anderswo, beispielsweise in der zentralarktischen Region, also bezüglich der Frage: Wem gehört der Nordpol? Es wird auf dem Ozean immer Konflikte geben, bei denen das Recht an seine Grenzen kommt. Die Situation im südchinesischen Meer ist unglaublich komplex, hier wird über so gut wie alles gestritten, über historische Gebietsansprüche, Inseln, Rohstoffe, Schifffahrt. Alleine mit noch mehr rechtlichen Regeln kommen wir da nicht weiter.

Was können Institutionen wie der Internationale Seegerichtshof in Hamburg hier ausrichten?

Das verbindliche Streitbeilegungssystem ist ein Herzstück des Seerechtsübereinkommens. Der Seegerichtshof hat neben verschiedenen anderen Fragen auch schon zu einzelnen Territorialstreitigkeiten Entscheidungen getroffen, beispielsweise in einem Gebietsstreit zwischen Myanmar und Bangladesch, oder - gegenwärtig noch in der Hauptsache anhängig - zwischen Ghana und der Elfenbeinküste. Traditionell wurden solche Streitigkeiten eher von Schiedsgerichten oder dem Internationalen Gerichtshof entschieden.

Das Meer wird häufig als Allmende bezeichnet, als gemeinsames Gut. Welche Schwierigkeiten birgt das?

Man kann sagen, dass die Hohe See ist ein gemeinsames Gut ist, zu dem jeder Zugang hat. Das macht das Meer anfällig für die "Tragedy of the Commons": Ein Einzelner kann der Gemeinschaft schaden, indem er zu viele gemeinsame Güter ausbeutet. Beim Meer hat man versucht, der uneingeschränkten Ausbeutung mit der Einrichtung der Exklusiven Wirtschaftszonen vorzubeugen. Also indem man den Bereich von 200 Seemeilen vor der Küste eines Staats in Bezug auf die Ausbeutung von Ressourcen quasi privatisiert.

Die Hoffnung des verbesserten Schutzes hat sich aber nicht durchgehend erfüllt. Küstenstaaten verfügen über Ressourcenrechte in teilweise riesigen Gebieten verfügen. Teilweise fehlt aber der Wille zur nachhaltigen Bewirtschaftung, teilweise fehlt die Kapazität. Am Meeresboden ist man einen ganz anderen Weg gegangen. Hier vergibt die Internationale Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority - ISA) Lizenzen zur Ausbeutung der mineralischen Ressourcen des Tiefseebodens. Auf der Hohen See werden Fischbestände nur partiell gemeinsam verwaltet. Auf die Ressourcen der Hohen See ist das Konzept des gemeinsamen Erbes der Menschheit aber nicht anwendbar. Das wäre auch schwer durchzusetzen. Dazu bräuchte man eine Art Weltbehörde, die etwa für den Fischfang Quoten für alle festlegt und die Gewinne gerecht verteilt - das ist schwer vorstellbar.

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