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Fühlen sich sichtlich wohl in ihrem neuen Club: die fünf Macher vom "Toast Hawaii".

© Doris Spiekermann-Klaas

Club "Toast Hawaii" in Prenzlauer Berg: Im Programm: Zirkus und Porno-Karaoke

In Prenzlauer Berg hat ein neuer Club eröffnet. Und der hat’s in sich, besonders auch in der kommenden Walpurgisnacht.

Prenzlauer Berg ist berühmt für Soja-Latte und Spätzle-Attacken. Weniger für die Siebziger-Jahre-Spezialität aus Weißbrot, Schinken und Dosenananas, überbacken mit Scheiblettenkäse, genannt Toast Hawaii. Genau wie sein Name sticht auch der Eingang des neuen Clubs „Toast Hawaii“ in der Danziger Straße 1 hervor: Er ist umrahmt von einem geschwungenen türkisen Holztorbogen mit Meerjungfrau-Verzierung und einem kleinen Balkon – Überreste des Cabaret-Clubs „Horns & Hooves“, der hier vorher sein Glück versucht hat. Laute Musik schallt von drinnen auf den Gehweg. Leuchtende Schilder weisen darauf hin, dass sich dort, die Treppe hinunter, eine Bar befindet. Eine Mischung aus Revue-Theater, Jahrmarkt und Stundenhotel.

Drinnen sieht es ähnlich aus. Die Treppe führt in den Rachen einer riesigen Raubkatze, deren Innenleben nicht gerade dem Minimalismustrend entspricht. Die Wände sind mit edlen Rapportmustertapeten in Gold und Hellblau geschmückt. Dazu rubinfarbener Teppichboden, Sessel und Betten. Sitzgelegenheit bietet außerdem ein altes Boxauto, das zu den restlichen Jahrmarkts- und Zirkusreliquien passt. Teile von Karussells und Autoscootern zieren Bar, DJ-Pult und Bühne. Die hat Kulka, einer der fünf Gründer des Toast Hawaiis, von seinem Onkel bekommen.

Der 34-jährige Kulka kommt aus einer Zirkusfamilie, seinem Großvater gehörte der Zirkus Atlantik, erzählt er, „einer der ersten Zirkusse in Ost-Berlin. Der wurde vom DDR-Regime aber mehrfach sabotiert – die Löwen wurden freigelassen und so was!“ Eine Art Familienbetrieb ist für Kulka auch das Toast Hawaii. Das hat er gemeinsam mit seinen Freunden Ginger, Mäysel, Kai und Crise Anfang des Jahres begonnen aufzubauen. Sie alle sind große Alexander-Marcus-Fans, daher auch der Name des Clubs – der Sänger hat einen Song mit dem Titel „Hawaii Toast“.

Zirkusrequisiten und burlesque Anmutungen

Der Club soll aber nicht nur zum Feiern von Alexander-Marcus-Hits da sein, das würde das Publikum auch sehr begrenzen, sondern ein Ort für Veranstaltungen jeder Art werden: „ein Space für Kreative“, sagt Kulka. An den Wochenenden veranstaltet er einen Indoor-Designermarkt, der immer von 10 bis 18 Uhr stattfinden soll. Abends gibt es verschiedene Veranstaltungen, zum Beispiel die laut Kulka beliebte „Porno-Karaoke“. Dabei werden laut Veranstalter „oldschool-trash-Pornos von den partylustigen Gästen nachgesprochen und synchronisiert“. Aber auch Liveacts sollen auftreten, wie die befreundete Band The Metafiction Cabaret.

Bunt: im Innern des Clubs.
Bunt: im Innern des Clubs.

© Doris Spiekermann-Klaas

Die steht beim Eröffnungswochenende des Clubs an Ostern auf der Bühne. Mit blutverschmierten Händen werfen Marc C. Behrens und Johanna Malchow Scheine ins Publikum. Die Augen der weiß geschminkten Gesichter weit aufgerissen, singen sie „I am the economist / calculating owes and risks“ („Ich bin der Ökonom / Kalkuliere Schulden und Risiken“). Nicht gerade subtil, aber wirkungsvoll: Das Publikum jubelt und tanzt, singt den Song mit, als wäre er ein Radiohit.

Behrens und Malchow sind Teil von The Metafiction Cabaret. Die Berliner Band mischt ihre Songs mit theatralen und zirkushaften Elementen. Die Orte, an denen sie normalerweise auftreten, passen dazu: Gegründet wurde die Band 2013 bei einem Theaterfestival, ihren ersten Auftritt hatte sie im Berliner Kabarett-Theater Distel. Es folgten Auftritte im Cabaret-Hangar der Fusion, einem großen Musik- und Kunstfestival in der Nähe von Berlin. Auch auf dem Simsalaboom waren Metafiction Cabaret schon dabei, einem Zirkusfestival. Da organisierten sie den „Jahrmarkt des Scheiterns“. Und natürlich das Toast Hawaii mit seinen Zirkusrequisiten und burlesquen Anmutungen.

Was genau The Metafiction Cabaret machen, ist schwer zu definieren. Die Songs sind rockig, mit Einflüssen von klassischen Chansons bis Punk. Bei ihren Auftritten tragen sie Kostüme und viel Schminke, haben Kunstblut dabei, Glitzer und andere Requisiten, die sie wahlweise auf ihren Körpern oder der Bühne verteilen. „Die machen aber ganz schön viel Dreck“, kommentiert eine Zuschauerin den Auftritt im Toast Hawaii. Auch klassisch Brecht’sche Elemente sind immer wieder zu finden, etwa das Heraustreten aus der Illusion durch direkte Ansprachen des Publikums und textliche Metaebenen. „In unseren Texten gibt es gefühlt immer fünf Metaebenen“, sagt Sängerin Johanna Malchow.

Die Bühne des Ladens - für Bands und andere Aufführungen wie Nacktkaraoke.
Die Bühne des Ladens - für Bands und andere Aufführungen wie Nacktkaraoke.

© Doris Spiekermann-Klaas

„Wir wollen den Punk ins Theater bringen“

Auch das Düstere ist Teil der Performance. Im Musikvideo zu „The Economist“ räkelt Sänger Behrens sich mit einer Giftschlange vor barocker Kulisse. In der nächsten Szene spielt die Band auf einem Berg aus Leichen, Menschen werden von einem Schlauchboot in die Spree geschubst. In einem weiteren Video nimmt die Frontfrau mit viel Geschrei, Kunstblut und Konfetti eine Abtreibung beim Frontmann vor.

Behrens und Malchow sind beide freie Schauspieler, kennen sich vom Theater. Er singt und schreibt die meisten Texte, sie singt ebenfalls. Und spielt manchmal E-Geige. Die beiden anderen Bandmitglieder sind Pianospieler Kai Günther und Schlagzeuger Richard Wutzke. Günther und Wutzke kommen aus der Punk- bzw. Hardcore-Richtung. „Wir wollen den Punk ins Theater bringen“, sagt Günther. „Und andersrum: Das Theater rausbringen aus diesem Verstaubten, rein in die Popkultur.“ Es geht viel um Freiheit, viel darum, Grenzen aufzubrechen. Wir machen ja alle noch andere Projekte“, erzählt Sänger Behrens, „aber das hier ist unser ‚Freiraumschiff', das landet dann, wenn wir irgendwo auftreten, und ermöglicht allen, an Bord zu kommen und frei zu sein.“

Ab kommendem Sonntag, den 30. April, landet dieses Freiraumschiff regelmäßig im Toast Hawaii. Einmal im Monat soll dort die Veranstaltung „Fir Le Fanz“ mit wechselndem thematischen Überbau stattfinden. Los geht es, passend zum Termin in der Nacht vor dem 1. Mai, mit der Walpurgisnacht. „Wir errichten eine betretbare Theaterinstallation. Die Gäste werden in Gut und Böse eingeteilt, müssen gegen Schnaps Aufgaben lösen und am Ende gibt es dann eine Vermählung zwischen Gut und Böse“, erzählt Behrens, dessen theatralisches Lachen gut in einer solchen Szenerie vorstellbar ist. „Alles freiwillig natürlich!“, fügt er hinzu. Wem das zu gruselig ist, der kann einfach am Bar-Karussell sitzen bleiben. Mit genügend Gin Tonic dreht es sich bestimmt irgendwann.

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