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Kultur: Held der inneren Unsicherheit

„pop reloaded“: Der Hamburger Bahnhof in Berlin feiert den Maler Michel Majerus

Gerade erst hatte die breitere Öffentlichkeit begonnen, ihn wahrzunehmen: Seine Aktion im Sommer 2002, als er das Brandenburger Tor mit einem Fotobild des Sozialpalasts an der Pallasstraße verhängte, hatte ihn zumindest in Berlin auch in die Schlagzeilen gebracht. Die Diskussion um die Wiederkehr der Malerei, die seit zwei Jahren durch die Feuilletons geistert, hat sich auch auf seine großflächigen, poppig bunten Bilder gestützt. Von Wolfsburg bis Basel, von London bis Paris waren seine Werke in den einschlägigen Ausstellungen vertreten. „actionbutton“, die derzeit im Hamburger Bahnhof zu sehende Überblicksschau der Bundeskunstsammlung, hat eines seiner Bildmotive sogar zum Titel erhoben. Der 35-jährige Michel Majerus war auf dem besten Weg, einer der Stars der jungen deutschen Kunstszene zu werden. Doch im November vergangenen Jahres starb er bei einem Flugzeugabsturz auf einer Heimreise nach Luxemburg.

Dass Michel Majerus’ Bilder auf beunruhigende Weise vom Tod erzählen, als habe er eine Vorahnung gehabt, gibt seinem Werk vielleicht mehr Tragik und Schwere, als er beabsichtigte. Spielerisch, anspielungsreich wirken die von ihm gewählten Motive. Und doch: Seine Ausstellungen trugen Titel wie „if we are dead, so is it“, „letzte tage“ oder „Sein Lieblingsthema war Sicherheit. Seine These – es gibt sie nicht“. Seine Bilder zeigen Car-Crashs, Düsenjäger, tanzende, fallende Sterne, tragen Schriftzüge wie „blood allover“ oder „Your ideas get you killed“. Und sie wirken, als sei der Maler im Schaffensprozess nur kurz unterbrochen worden, scheinen auf klug berechnete Weise unfertig: Manchmal ist der Farbauftrag so dünn, dass man meint, die Leinwand darunter hervorleuchten zu sehen – doch dieser Eindruck ist gewollt: Mit dünnen Farbstrichen hat Majerus seinen Bildern eine Durchsichtigkeit, eine Brüchigkeit verliehen, die der plakativen Farbigkeit widerspricht.

Der Verweis auf die Pop-Art, die ständig präsenten Bezüge auf Warhol, Lichtenstein, deKooning zeigen, wie stark Majerus Alltagskultur und Popkultur, Oberfläche und Zitat reflektiert hat. Nicht der malerische Gestus, sondern die Konstruktion am Computer prägt sein Werk. Wäre alles nach Plan gegangen, hätte man diese Arbeitsweise im Werkraum des Hamburger Bahnhofs mitverfolgen können: Majerus plante, mit Hilfe eines riesigen Öldruckers die für die Ausstellung gedachten Arbeiten erst vor Ort, vor den Augen der Zuschauer herzustellen. Bild für Bild, Tag für Tag sollten sich die weißen Wände füllen, und erst wenn die Ausstellung beendet gewesen wäre, wäre sie fertig gewesen.

Der Tod des Künstlers kam dazwischen. Stattdessen zeigt Kurator Joachim Jäger im Hamburger Bahnhof nun einen groß angelegten Zyklus, den Majerus während seines Los Angeles-Aufenthalts 2001 malte. Zwanzig großformatige Acrylbilder, in den Formaten 280 mal 400 cm, sind wie gigantische Filmstills nebeneinander gehängt. Zwei davon, darunter das titelgebende „actionbutton“, hat Veit Loers für die Bundeskunstsammlung angekauft und zeigt sie im Untergeschoss. Weitere Teile sind längst in Privatbesitz um die Welt verstreut und waren für die Ausstellung nicht mehr zurückzuholen.

In dieser Fülle, in dieser Konzentration hat man Majerus, der in Berlin bislang nur (dafür aber regelmäßig) in der Galerie neugerriemschneider ausstellte, noch nicht gesehen. Da flitzen luftige „splash bombs“ über die Leinwand, haben Roboter und Düsenjäger ihren Auftritt, schreien Schriftzüge wie „Shots“, „Trash Pop“ oder „Painkiller“ dem Besucher ihre Botschaft entgegen. Es ist ein Fest der Farben, eine deutliche, selbstbewusste und sehr, sehr verführerische Sprache, die Majerus in seinen Bildern spricht. Ans Ende der Ausstellung hat Joachim Jäger ein Bild gestellt, das nach einem kleinen roten Schriftzug „gib auf“ heißt. Größer, leuchender jedoch steht darauf „Start“.

Michel Majerus, pop reloaded, Werkraum 15, Hamburger Bahnhof, bis 31. August, Mo bis Fr 10 bis 18 Uhr, Sa und So 11 bis 18 Uhr.

Christina Tilmann

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