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Die Braut schaut ins Auge. Eva Green und Josh Brolin in „Sin City 2“.

© epd/Sony

Im Kino: "Sin City 2": Fegefeuer der Grausamkeit

Brachiale Pulp-Unterhaltung: Robert Rodriguez’ und Frank Millers Comic-Verfilmung „Sin City 2“.

Von Jörg Wunder

Der Schlagetot Marv (unter einer dicken Schicht Schminke: Mickey Rourke) erwacht auf dem Highway, neben sich ein geschrottetes Polizeiauto und die Leichen mehrerer Männer. Er kann sich an nichts erinnern und versucht, den überaus brutalen Verlauf dieser für seine Verhältnisse stinknormalen Samstagnacht zu rekonstruieren.

„Just another Saturday Night“ ist eine von vier ineinander verschachtelten Geschichten des umstrittenen Comicvisionärs Frank Miller („The Dark Knight Returns“, „300“), die als „Sin City 2: A Dame to Kill For“ verfilmt wurden.

Neun Jahre nach dem künstlerisch ambitionierten, kommerziell erfolgreichen Vorgänger „Sin City“ geht es also weiter mit dem großen Hauen und Stechen, Hacken und Schlitzen, Schießen und Foltern in jenem Fantasie-Sündenbabel, das in einer imaginären Nachkriegsära die Architektur von New York mit der Topografie von Los Angeles verbindet.

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Auf die Leinwand gebracht wurde das gut hundertminütige Gemetzel wiederum von den Regieberserkern und Brüdern im Geiste, Robert Rodriguez und Frank Miller. Wie im ersten Teil ist die blutrünstige Handlung in extrem stilisierte Schwarzweiß-Bilder mit markanten Farbtupfern (Blutstropfen, blaue Augen, glühende Zigaretten etc.) getaucht. Doch was im Jahr 2005 durchaus revolutionär war und die minimalistische Grafik von Millers Comicvorlage kongenial ins Filmgenre übertrug, wirkt heute ein wenig angestaubt, zumal sich der Verfremdungseffekt nicht gut mit der 3-D-Konvertierung der Bilder verträgt.

Auch Joseph Gordon-Levitt und Josh Brolin sind bei "Sin City 2" dabei

Inhaltlich bewegen sich die Geschichten auf unterschiedlichem Niveau: Während Marvs Odyssee und die abschließende Episode mit dem Rachefeldzug der Tänzerin Nancy Callahan (Jessica Alba) gegen den mächtigen Senator Roark (dämonisch: Powers Boothe) simple Augeum-Auge-Parabeln sind, ist vor allem die titelgebende Geschichte feinster Pulp. Die „Braut, für die man mordet“ (so der deutsche Comic-Titel) wird von Eva Green als lüstern-fragile Femme fatale gegeben, die den ihr verfallenen Gelegenheitserpresser Dwight (Josh Brolin) so geschickt manipuliert, dass er ihr bei der Erfüllung ihrer verbrecherischen Lebensziele ebenso willig zu Diensten ist wie ihr bemitleidenswerter Ehegatte (Morton Csokas), ein hünenhafter Chauffeur und ein korrupter Cop. Die in zwei Etappen eingeschobene Geschichte um einen jungen Spieler (Joseph Gordon-Levitt), der in einer schicksalshaften Nacht eine sagenhafte Glückssträhne am Pokertisch mit furchtbaren Konsequenzen bezahlen muss, hätte das Potenzial für einen eigenen, sehr dunklen Thriller ergeben, für eine Art blutiges Update von „The Cincinnati Kid“, ist hier aber im Fegefeuer der Grausamkeiten etwas verschenkt.

Als Freund brachialer Pulp-Unterhaltung kommt man schon auf seine Kosten, zumal die schauspielerische Präsenz der hochkarätigen Besetzung für eine gewisse Qualität bürgt. Und es wäre Quatsch, hier mit Maßstäben politischer Korrektheit heranzugehen: Natürlich ist dieser Film gewaltverherrlichend, woran spätestens dann kein Zweifel mehr besteht, wenn die Japanerin Mido mit ihren Samuraischwertern wie ein menschlicher Helikopter die Köpfe einer Leibwächterarmee abmäht. Gewalt als Ornament, das kennt man zwar auch aus den Filmen von Rodriguez' Kumpel Quentin Tarantino. Doch so selbstzweckhaft und ermüdend monoton setzt der sie nie ein. Und als Erzähler ist Tarantino dem grobschlächtigen Duo Miller und Rodriguez (der auch für die bullernde Filmmusik im 90er-Big-Beat-Modus gesorgt hat) sowieso überlegen.

In 21 Berliner Kinos. OV: Central, Cinestar Sony-Center, Moviemento

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