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Zwischen Pop und Krach. Die norwegische Musikerin Jenny Hval.

© Jenny Berger Myhre

Jenny Hval live in Berlin: Vampirinnen tanzen im Blutplanschbecken

Jenny Hval feierte in der ausverkauften Berghain Kantine ein wild-witziges Elektronikspektakel mit den Songs ihres neuen Albums "Blood Bitch".

Blut ist das Thema des gerade erschienenen Album „Blood Bitch“ der norwegischen Musikerin Jenny Hval. Blut in Vampirfilmen, Menstruationsblut, Blut in allen Aggregatszuständen und Farben, darüber singt die 36-Jährige aus Oslo in den expliziten Texten mit ihrer eindrucksvollen Stimme. Dazu lässt sie elektronische Beats und schwer verdauliche Krachpassagen erklingen, die das Unwohlsein, das beim Thema Blut ohnehin leicht aufkommt, noch verstärkt.

Als dann aber bei Jenny Hvals Konzert in der ausverkauften Berghain Kantine das erste Blut zu sehen ist, kann auch jemand hinschauen, der sonst beim Anblick des roten Körpersafts in Ohnmacht fällt. Grell orange-pinkfarben ist die Flüssigkeit, mit der sich die zierliche Sängerin mit dem Jean-Seberg-Kurzhaarschnitt selbst beschmiert und sogar die Haare in Unordnung bringt. Das erinnert ein wenig an Cameron Diaz in der Filmkomödie „Verrückt nach Mary“, nachdem sie Sperma mit Haarfestiger verwechselt hat. Dazu singt Jenny Hval: „Es ist doch nur Blut.“

Permanenter Bühnenzauber

Es sind Momente wie diese, die dafür sorgen, dass Jenny Hvals Show keinen Moment lang zu ernst wirkt, sondern im Gegenteil gezeigt wird: Mit Blut rumzumachen, über Blut zu singen, das kann auch ein großer Spaß sein. Wie wunderbar zudem das Problem gelöst wird, dass Jenny Hval ja eigentlich nur eine Sängerin ist, die sich von einem Mann an den elektronischen Gerätschaften begleiten lässt: Normalerweise gibt es bei derartigen Elektronikkonzerten deprimierend wenig an Performativem zu sehen, bei Jenny Hval ist jedoch permanent Bühnenzauber geboten. Wofür vor allem ihre Künstlerfreundin Annie Bielski sorgt, die andauernd in Aktion ist und irgendwas veranstaltet, das mit dem jeweiligen Song in Verbindung steht, mitunter aber auch nicht.

Während man also Jenny Hvals zwischen Pop und Krach changierenden Songs lauscht, sieht man nebenbei einer Frau zu, die ein Bild malt, eine Banane isst, Rosenblätter verteilt, einen Workout veranstaltet, mit Jenny Hval in einem Planschbecken planscht und dann gemeinsam mit ihr abtanzt, als würde sie am liebsten gleich in der Panoramabar nebenan weitermachen.

Es passt einfach alles bei dieser Show. Souverän singt sich Jenny Hval mit ihrem Lana-Del-Rey-Organ durch ihre abgründigen Songs, die, wie sie selbst sagt, nach dem Konsum von viel zu vielen Vampir- und Horrorfilmen entstanden sind. Auch beim Planschen und sich selbst mit Blut beschmieren: Immer trifft sie den Ton. Dann bricht sie in Tränen aus, ihr Schluchzen wird Teil des meist sowieso schon apokalyptischen Sounds, andauernd wird man mit derartigen Effekten, Drehungen und Wendungen überrascht. Und nein: Keinen Moment lang kommt das Gefühl auf, dass diese eher als Performance denn als Konzert angelegte Show in der Kunstgalerie besser aufgehoben wäre. „Das ist Rock ’n’ Roll“, sagt Jenny Hval irgendwann während dieses Auftritts. Sie meint das nicht wirklich ernst, aber im Grunde hat sie recht.

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