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Sean Landers „Bobcat Kitten (Grand Canyon, AZ)“ von 2015 im Angebot der Galerie Rodolphe Janssen

© Art Brussels, 2017

Kunstmesse in Brüssel: Auf weisen Pfoten

Die Messe Art Brussels bewährt sich mit einer Mischung aus dekorativen Newcomern und minimalistischen Klassikern.

Ein Frosch. An ein Brett genagelt, grasgrün mit hellen Polkadots und Quackmaul. Das Stoffmaskottchen saß lange Zeit auf dem Sofa im Atelier des amerikanischen Künstlers Chris Martin. Nun ist es eines von über siebzig Künstler-Souvenirs, mehr oder weniger skurrilen, sentimentalen, komischen, banalen Erinnerungsstücken, Glücksbringern und Fetischen, die Ausstellungsmacher Jens Hoffmann und Kuratorin Piper Marshall für die Sonderausstellung der 35. belgischen Gegenwartskunstmesse Art Brussels zusammengetragen haben. In Glasvitrinen aneinandergereiht, beschreiben die Artefakte den vielleicht intimsten Impuls zu sammeln, das Bedürfnis, mit Hilfe von Objekten Erinnerungen und Emotionen zu bewahren und zu bannen.

Eine Sonderausstellung zeigt, was Künstler so sammeln

Deren eher immateriellen Werten stellen die 145 aus 28 Ländern angereisten Galeristen in den mit Glas überdachten Hallen des ehemaligen Zolllagers Tour & Taxis Werke eben jener Künstler gegenüber, die den Markt der Kunst in nüchternen Zahlen definieren. Denn ohne Markt keine Kultur, was natürlich auch umgekehrt gilt. In einer Zeit, in der jede Stammmesse von mindestens einem parallelen Satelliten begleitet wird wie die Art Brussels von der Independent, ist Kunst mehr denn je ebenso Identität stiftendes und humanisierendes Kapital wie auch Investition.

Vor diesem Hintergrund bietet die Art Brussels, dirigiert von Geschäftsführerin Anne Vierstraete mit ihren Sektionen „Prime“ der etablierten Galerien, „Discovery“ und „Rediscovery“ für (Wieder-)Entdeckungen sowie „Solo“ für künstlerische Einzelpräsentationen ein Spektrum, das den hohen internationalen Standard der Brüsseler Galerien- und Museumsszene widerspiegelt.

Einige internationale Galerie haben gleich Dependancen in Brüssel eröffnet

Tophändler wie die in Paris ansässigen Galerien Almine Rech, Daniel Templon und Nathalie Obadia tragen auf der Messe wie auch mit Dependancen in der Stadt dazu bei, und vom gesponserten Champagner zusätzlich beflügelte belgische Sammler reservierten und kauften bereits zahlreich bei der Vernissage. So freuten sich die Münchner Fred und Matthias Jahn sowie Partner Tim Geissler – mit neuem Firmenlogo „Jahn und Jahn“ zum ersten Mal auf der Messe – über Verkäufe von Arbeiten des deutschen Starkünstlers Imi Knoebel und des in Dillingen geborenen, mit 91 Jahren noch immer zu den Geheimtipps zählenden Heinz Butz.

Erstaunlich bescheiden klingen die Preise von rund 15 000 Euro für seine kleinformatigen, minimalistischen Papierarbeiten. „Er hat sich nie um seinen Markt gekümmert“, erklärt Fred Jahn, „dabei ist sein Potenzial riesig“. Ein Spätberufener, dessen Marktwert wie in ähnlichen Fällen in naher Zukunft rasant steigen könnte.

Zwischen 3000 und 35 000 Euro liegen die Durchschnittspreise der meisten, auf der Messe präsentierten Arbeiten. Ausnahmen bestätigen die Regel wie die 95 000 Dollar am Stand von Rodolphe Janssen, die ein „bedeutender europäischer Sammler“, so der Galerist, für eines der grotesk-pittoresken Tierstillleben von US-Künstler Sean Landers zahlte. Auch das Londoner New Art Centre verkaufte gut: Keramiken des Briten Edmund de Waal und Skulpturen der Bildhauerin Phyllida Barlow, die Großbritannien auf der Biennale Venedig vertritt, „zu Summen zwischen 50 000 und 150 000 Euro an englische wie neu gewonnene belgische Sammler“. Ebenso freute sich der als Designer wie Händler multitalentierte Antwerpener Axel Vervoordt über Verkauf und Reservierungen von Arbeiten des japanischen Gutai- Künstlers Ryuji Tanaka (Preise: 60 000–200 000 Euro).

Pearl Lam ist aus Shanghai angereist - und zieht weiter zur Art Cologne

„Jede Messe hat ihre eigene Schwingung“, stellt Christer Glein fest, ein junger norwegischer Künstler der Osloer Galerie Brandstrup, von dessen zwei am Stand präsentierten, futuristisch-kubistischen Gemälden (rund 15 000 Euro) das eine innerhalb der ersten Stunde einen neuen Besitzer fand. Den Vibe der Art Brussels beschreibt Glein als einen „gelungenen Prozess der Verschmelzung von lokaler und globaler Ästhetik“.

Folklore feiert, digital transformiert, als eine Art neuer Surrealismus Wiederauferstehung. Solche Verfremdung gelingt auch dem französischen Multimediakünstler Benoît Maire, der zusammen mit seiner Brüsseler Galerie Meessen De Clercq den „Solo“-Preis der Messe gewann und gut zu Preisen zwischen 4000 und 15 000 Euro verkaufte. Noch einen zweiten Shootingstar vertritt die Galerie, die Franco-Vietnamesin Thu Van Tran, deren floral-phantasmagorische Fotocollagen für rund 25 000 Euro gefragt sind.

Als ebenfalls begehrt gilt der 1977 geborene senegalesische Künstler Omar Ba, der für seine Bilder Öl, Gouache, Acryl, Bleistift und Tinte verwendet. Die großformatigen, virtuos-dekorativen Hybridporträts aus Mensch und Tier zeigt Daniel Templon in seiner Solo-Koje. (Preise: 20 000–45 000 Euro). Wenige Teilnehmer der Art Brussels, so die Schanghaier Galeristin Pearl Lam, wandern im Anschluss nach Köln zur Art Cologne weiter, die kommende Woche eröffnet. „Wir wollen das gesamte Feld der europäischen Sammler und Kuratoren kennenlernen“, meint die Grande Dame der asiatischen Kunstszene.

Nikolaus Oberhuber, einer der beiden Besitzer der Berliner Galerie Kow, verzichtet dieses Jahr dagegen auf die Teilnahme in der Rhein-Stadt. „Unsere Sammler haben wir eher hier in Belgien“, sagt er. Highlight an seinem Stand ist eine großformatige Faltarbeit von Franz Erhard Walther, bereits reserviert. „Die verkaufe ich bestimmt“, so der Galerist zuversichtlich. Mag der Art Brussels auch der Glam-Faktor der viel jüngeren Independent fehlen: Mit ihrer soliden Bodenständigkeit bewährt sie sich gerade in turbulenten Zeiten.

Art Brussels, Tour & Taxis, Avenue du Port 86C, Brüssel, bis 23.4.

Eva Karcher

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