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Alles Disco. In der Mitte Jake (Blake Jenner).

© Constantin

Richard Linklaters Film "Everybody Wants Some!!": Baseball, Pussy und sonst gar nichts

"Boyhood" war sein sanftes Kino-Meisterwerk. Diesmal lässt Richard Linklater es krachen - und lädt in „Everybody Wants Some“ zur Eighties-Party.

Es ist ja nicht leicht, dieses Erwachsenwerden, einsam und peinlich, und total überfordert ist man auch. Erst hinterher wird Kult draus. Die Musik, die Klamotten, die Energie, die Fülle an ungelebtem Leben, schön war die Zeit. Und weil Richard Linklater ein Meister der Form ist, hat er eine Popkultkomödie daraus gemacht, die einen mit Karacho zurück in die Zukunft beamt, ins Jahr 1980.

Wer sich eine Fortsetzung seines Coming-of-Age-und-noch-viel-mehr-Meisterwerks „Boyhood“ erhofft hat, sieht sich getäuscht. Zwar steht Mason am Ende der über zwölf Jahre gedrehten Patchworkfamilien-Saga vor dem Eintritt ins College. Aber so subtil Linklater seine Protagonisten in „Boyhood" beobachtet, so laut setzt er sie diesmal in Szene – in einem Film, den der Regisseur als spirituelle Fortsetzung seines Seventies-Highschoolfilms „Dazed and Confused“ annonciert.

Ab ins College im Oldsmobile mit einer Kiste voll Vinyl

Der Ort: ein Studentenwohnheim in Texas, für die Baseball-Asse. Der Held: Jake (Blake Jenner), der mit Oldsmobile und einer Kiste voller Vinyl im College eintrifft. Als Neuling wird er erst mal gemobbt. Zwischentitel zeigen den Countdown bis zur ersten Unterrichtsstunde an, Jake und den Jungs bleibt ein Wochenende für Party, Drogen, Alkohol, Macho-Wettkämpfe, Initiationsrituale und vor allem für Mädchen. Baseball und Pussys, das ist ihr Begehr: So viel Testosteron war lange nicht mehr im Kino.

Die Typen: fast karikiert, vom Womanizer (Glen Powell) über den Spaßvogel, den Hippie-Philosophen und den Kiffer bis zum Loser. Die Seventies-Bärte einen Tick zu lang, die Polyesterhemden zu plastik, die Brillen einen Tick zu groß, Billard, Tipp-Kick, Pingpong, Basketball, Flipperautomaten, Dart – alle paar Minuten wird ein neuer Wettstreit bejohlt.

Mit dem Soundtrack ist es nicht anders. Um Mädchen aufzureißen, intonieren die Jungs textsicher „Rapper’s Delight“ von Sugarhill Gang, stylen sich für den Dancefloor auf, tragen Karo zur Country-Musik, stürmen einen Punkschuppen. Pop, Rock, Pogo, früher Hip-Hop, anything goes in dieser Best-of-Show der Eighties. Erwachsenwerden, das ist auch die Kunst der Anpassung, der Camouflage. Und überall ist Übergang: Gerade schickt sich der Hollywood-Cowboy Ronald Reagan an, ins Weiße Haus einzuziehen.

Ein Film ohne Stars, aber mit Power

Jugend, das ist von allem zu viel. Wie in „Dazed and Confused“ hat Linklater eine Schar unbekannter Schauspieler versammelt und lässt sie mit Bedacht übertreiben. „Ich denke nicht, ich rede nur“ – man kennt das Dialogtempo aus Linklaters „Before“-Trilogie. Nur dass diesmal kein Kammerspiel der Stimmen und Bewegungen daraus entsteht, sondern eine rasante, oft alberne Choreografie der Körper. Welchen Mehrwert hat das Zuviel an Oberflächenreiz? Dass die topfitte Gang auch als leicht hysterische queere Truppe durchgehen könnte? Der Machoblick auf die Girls bleibt ungebrochen, vor allem auf Beverly (Zoey Deutch), die hübsche Schauspielstudentin, mit der Jake die Nacht am Fluss verbringt.

Und da ist er dann doch, dieser eine zauberhafte Moment, in dem der viele Lärm um nichts sich plötzlich legt, für den Beginn einer Liebe, vielleicht. Für zwei Stunden Film ist das aber am Ende zu wenig.

In Berlin im Cinemaxx, Kant, Kulturbrauerei; OV im Cinestar SonyCenter, OmU im Rollberg

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