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Kurz vor knapp. Nobelpreisträger Bob Dylan hat seine Rede eingereicht.

© dpa

Warum er seine Lyrics nicht für Literatur hält: Bob Dylans Nobelpreis-Rede: „Songs muss man singen, nicht lesen“

Was lange währt, wird endlich eingereicht: Bob Dylan weist in seiner Nobelpreisrede die Einschätzung zurück, dass seine Lyrics Literatur sind.

Er hat bis zur letzten Minute gewartet – und dann endlich getan, was sich die Schwedische Akademie von ihm gewünscht hat: Bob Dylan reichte am Wochenende kurz vor Ablauf der Frist seine Nobel-Vorlesung ein. Nun kann ihm das Preisgeld von acht Millionen Schwedischen Kronen (etwa 820 000 Euro) ausgezahlt werden.

Der 76-jährige Musiker übermittelte seinen Vortrag als 26-minütiges Tondokument, das mit leiser Klaviermusik unterlegt ist. Auf der Website der Akademie kann es abgerufen werden. Dylan spricht in seinem angenehmen Märchenonkel-Duktus, den man von seinen Radiosendungen kennt. „Als ich den Nobelpreis für Literatur erhielt, begann ich zu überlegen, was meine Songs mit Literatur verbindet“, hebt er an. „Ich werde versuchen, dies zu erklären.“ Zunächst geht es jedoch um einen frühen musikalischen Erweckungsmoment, als er zum ersten Mal Buddy Holly hörte und sich dem Sänger sofort verbunden fühlte. „Er war der Archetyp. Alles, was ich nicht war, aber sein wollte“, sagt Bob Dylan.

Anschließend schildert er seine Begeisterung für die frühen Folk-Musiker. Wie er ihre Songs aufgesogen, wie er ihre Sprache studiert hat. Diese Passage hat selbst etwas von einem Dylan-Songtext, bei dem sein Vortrag in melodisches Schwingen gerät: „You’ve seen the lusty Lord Donald stick a knife in his wife, and a lot of your comrades have been wrapped in white linen.“

Dylan erklärt, dass er in den Liedern seiner Vorbilder eine Sensibilität und eine Weltsicht wiedererkannt habe, die ihm bereits bei der Schullektüre begegnet waren. Drei Bücher, die er im Folgenden wortmächtig zusammenfasst, seien ihm seither besonders wichtig: „Moby Dick“, „Im Westen nichts Neues“ und die „Odyssee“. Mit ihren universellen Themen und Geschichten haben sie ihn und andere Songwriter beeinflusst. Diese Selbstauskunft hat für die Exegeten des Meisters sicher kaum Neuigkeitswert. Interessant ist jedoch, dass Dylan die Einschätzung, dass seine Lyrics Literatur sind, zurückweist, indem er das Primat des Klangs betont. Ihm sei die Bedeutung von Songtexten oft nicht wichtig, solange sie gut klängen, sagt er. Die zentralen Sätze lauten: „But songs are unlike literature. They’re meant to be sung, not read.“ (Aber Songs unterscheiden sich von Literatur. Sie sind dazu bestimmt, gesungen, nicht gelesen zu werden). Deshalb hoffe er, dass die Menschen seine Lyrics in der ihnen zugedachten Form hörten: auf Konzerten oder Platten. Genau deswegen ist der Mann ja auf seiner Never-ending-Tour. Also bitte keine Literaturpreise mehr für ihn.

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