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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU, rechts) auf dem B20-Podium im Berliner Tempodrom mit Accenture-Chef Pierre Nanterme (Mitte) und Jose Manuel Gonzales-Paramo aus dem Vorstand der spanischen Bank BBVA.

© AFP PHOTO / John MACDOUGALL

"Business 20" in Berlin: Die Streber der Weltwirtschaft machen ihre Hausaufgaben

Jetzt können die Deutschen sogar Englisch! Beim „Business 20“-Treffen in Berlin präsentieren sich Manager als Musterschüler und Weltverbesserer. Das behagt nicht jedem

Mancher hält die Deutschen für die Streber der Weltwirtschaft. Ein Klischee, natürlich. Vielleicht ist da aber auch was dran. Jetzt können sie sogar Englisch! Klaus Helmrich, Vorstandsmitglied der Siemens AG, sitzt am Dienstag in einer Runde auf dem Podium im Tempodrom in Berlin-Kreuzberg. Er referiert mit strahlenden Augen und – wie jeder an diesem Tag – auf Englisch, wie konzentriert, kooperativ und konstruktiv es gelaufen ist in seiner Arbeitsgruppe zum Thema Digitalisierung. 100 Unternehmen aus 27 Ländern hätten sich mehrfach getroffen und auf drei Punkte konzentriert: auf Konnektivität, also die Verbindungsfähigkeit von Geräten zum Beispiel, das Thema Industrie 4.0 beziehungsweise das industrielle Internet und die künstliche Intelligenz. Jetzt habe man sehr gute Vorschläge ausformuliert, die man der Politik übergeben könne.

Die Ergebnisse der Klausuren bekommt die Kanzlerin

Es war der Auftakt der zweitägigen „Business 20“-Konferenz im Rahmen der deutschen G 20-Präsidentschaft. Es kamen zwar nicht 2500 Repräsentanten aus allen Industrieländern der Welt zusammen, wie man im Vorfeld erwartet hatte. Es waren vielleicht 500 oder 600, aber dafür auch sehr prominente Redner wie Deutsche-Bank-Chef John Cryan. Der Engländer hatte natürlich im Rahmen der B 20-Beratungsprozesse die Arbeitsgruppe zur Finanzwirtschaft betreut, gemeinsam mit Allianz-Chef Oliver Bäte. Am Mittwoch wird die Bundeskanzlerin erwartet, der die Wirtschaft dann alle Arbeitsgruppenergebnisse symbolisch übergeben will – in der Hoffnung, dass Angela Merkel möglichst viele dieser Klausur-Ergebnisse im Juli auf dem Hamburger Gipfel der Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrienationen einspeist.

Es wurde so nicht ausgesprochen, die Botschaft der deutschen Spitzenverbände BDI, BDA und DIHK auf ihrem „B 20“-Gipfel war aber: Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Jetzt seid ihr dran.

Unternehmer Jürgen Heraeus (links) wurde von den Spitzenverbänden der Wirtschaft beauftragt, die "Business20 (B20)" zu koordinieren. Auf der Konferenz im Berliner Tempodrom tauschte er mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble aus.
Unternehmer Jürgen Heraeus (links) wurde von den Spitzenverbänden der Wirtschaft beauftragt, die "Business20 (B20)" zu koordinieren. Auf der Konferenz im Berliner Tempodrom tauschte er mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble aus.

© Kay Nietfeld/dpa

Manchen fundamentalen Globalisierungskritiker dürfte überraschen, wie ernsthaft und gewissenhaft führende Köpfe der Wirtschaft beraten haben. Es ging ihnen, soviel wurde schon am Dienstag deutlich, offenbar nicht schlicht um Deregulierung und möglichst freien Welthandel (letzteres aber auch). Die drei Verbände, die von der Bundesregierung gebeten worden waren, den Business-20-Prozess zu koordinieren, gaben den insgesamt 700 vernetzten Unternehmen aus insgesamt 40 Ländern ein eher sperrig formuliertes Aufgabengebiet vor. Es gehe um „Resilience, Responsibility, Responsiveness – Towards a Future-oriented, Sustainable World Economy“. Man könnte sagen, In diesem deutschen G20-Jahr engagiert sich die Wirtschaft für mehr Widerstandsfähigkeit, Verantwortung und Reaktionsfreudigkeit – alles mit Blick auf eine zukunftsorientierte Weltwirtschaft. Diesen Zungenbrecher galt es mit konkreten Inhalten zu füllen.

Was heißt "Sozialpartnerschaft" auf Arabisch?

„Unser Job wird nicht morgen erledigt sein, wenn wir die Ergebnisse weiterreichen“, sagte Jürgen Heraeus, der die B 20 koordiniert. Der Unternehmer schnitt auch die ganz großen Themen an, die mittlerweile auch in der deutschen Unternehmerschaft fest verankert sind wie sicher nicht in jedem der G 20-Länder von USA, China und Indien bis Saudi-Arabien und Südafrika: eine starke Sozialpartnerschaft zum Beispiel.

Aus der Praxis der G 20 berichtete Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Viele würden fragen, wie effektiv die G20 überhaupt sind. Auch auf Basis seiner Erfahrungen der jüngsten Finanzministertreffen in Baden-Baden und Washington könne er sagen: „G 20 funktioniert. Es sind die kleinen Schritte in die richtige Richtung“. Die Verteidigung des freien Warenverkehrs, die man sonst von Industrievertretern erwartet, übernahm er. Globalisierung sei die treibende Kraft hinter dem Wachstum seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts.

Ähnliche Töne schlug seine Kabinettskollegin Brigitte Zypries (SPD) an – und verteidigte ebenfalls das Format. „Die Arbeit der B20 zeigt, wie sehr sich die G20 in den vergangenen Jahren gewandelt haben. Es geht nicht mehr nur allein um klassische Wirtschafts- und Finanzfragen.“ Sondern auch um Gleichberechtigung. So erklärte die Bundeswirtschaftsministerin, dass es weltweit rund 250 Millionen weniger Internetnutzerinnen als Internetnutzer gibt. Diese digitale Kluft der Geschlechter könne sich schon in den nächsten drei Jahren um weitere 100 Millionen vergrößern, wenn man nicht gegensteuere. Zypries nutzte das Auditorium auch, um eine Lanze für den Verbraucherschutz im Internet – kein Kernanliegen dieser Runde – zu brechen.

Dem Briten scheint das nicht zu behagen

Dem obersten Deutschbanker John Cryan schien diese Präsentation der erfolgreichen Arbeitsbilanz der deutschen Industrievertreter dann doch ein wenig unheimlich zu sein. Er sparte nicht mit Kritik – auch an seiner Branche und dämpfte Erwartungen. „Wir Banken sind derzeit nicht aufgestellt um die ganz großen Infrastrukturprojekte zu lösen.“

Deutsche-Bank-Chef John Cryan bei einer Diskussionsrunde auf dem Berliner B-20-Forum. Rechts im Bild: Emily MacKay, Chefin der britischen Firma Croudsurfer.
Deutsche-Bank-Chef John Cryan bei einer Diskussionsrunde auf dem Berliner B-20-Forum. Rechts im Bild: Emily MacKay, Chefin der britischen Firma Croudsurfer.

© AFP PHOTO / John MACDOUGALL

Auf dem Podium wurde Cryan neben seiner britischen Landsfrau Emily Mackay platziert, die das junge Fintech-Unternehmen Crowdsurfer führt. Er betrachte die jungen Firmen nicht als Konkurrenten, sondern als Partner, behauptete er – und wurde dann für britische Verhältnisse ziemlich ehrlich. „Ich bin alt genug und habe schon einige Zyklen in unserer Branche durchlebt. Mir haben schon viele erklärt, wie sie besser und mehr Geld verleihen können. Das endet meistens doch in Tränen“.

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