Vielleicht sind so gut wie alle großen Romane Werke über die Macht des Zufalls, über die Flattersekunden im Leben, an denen sich entscheidet, ob man die Liebe des Lebens einer Zugverspätung wegen verpasst oder nicht, ob die Operation durch einen Landarzt glückt oder der Fuß amputiert werden muss, ob die Pest wütet und man aus Florenz zu ziehen hat oder eben nicht. Ein einzelnes Ereignis verändert den gesamten Lebensweg, und man wäre ein anderer geworden, wäre dieses oder jenes passiert oder nicht. Dieser schlichte und zugleich beunruhigende Umstand, den man sich als göttliches Schicksal oder nackte Kontingenz deutet, bildet den Kern des fast 1.300 Seiten umfassenden Buches 4 3 2 1 von Paul Auster. Der Roman trägt sein ästhetisches Programm im Namen. Es handelt sich gewissermaßen um vier Romane in einem. In jedem der sieben Kapitel des Buches werden hintereinander vier verschiedene Versionen von Lebensabschnitten des jugendlichen Helden Archie Ferguson erzählt. Sie verlaufen unterschiedlich aufgrund eines Ereignisses in der frühen Kindheit des Helden, das er nicht beeinflussen kann: Der Ausgang einer riskanten Wette und die kriminelle Energie eines Onkels lassen Archies Familie mal verarmen, mal auseinanderbrechen, mal bringen sie Archies Vater früh ins Grab. Ein kleiner Faktor ändert sich, hat Einfluss auf die soziale Umgebung, und Archie ist jeweils neuen, jeweils anderen Zufällen ausgesetzt. Eine der vier Geschichten, um ein prägnantes Beispiel zu bringen, bricht sehr früh ab, nämlich im 13. Lebensjahr von Archie, da er sich im Übermut während eines Gewitters unter einen Baum wagte. Da sind es nur noch drei Archies, und es liegen noch etwa 1.000 Seiten vor einem.