Als ich das Wort Pegida zum ersten Mal aufschnappte, hielt ich es für Hundefutter. Ich war gerade im Welpenanschaffungs-Biedermeier gefangen und hatte soeben meinen neuen kleinen Begleiter abgeholt, in einem Dorf hinterm Ruhrgebiet. Der Zug zurück nach Berlin war voll, brechend voll, und das ist wörtlich zu verstehen. Einen weißen Kleinspitzwelpen auf dem Arm zwängte ich mich durch die Gänge voller grölender Fußballfans. Da passierte etwas Merkwürdiges. Die Männer stoppten ihre lauten Ööööööös und ihre Bierflaschenbewegungen in dem Moment, als sie den flauschigen Welpen sahen. "Isderimmersokinderlieb?", fragte einer, der vergessen hatte, dass er schon lange kein Kind mehr ist, sondern nur betrunken.

Wer einmal ein ganz anderes Deutschland kennenlernen will, ein sehr sanftes, kindisches und mitfühlendes, der muss nur mit einem weißen Kleinspitz quer durchs Land fahren. Und anschließend versuchen, seine latente Menschenskepsis weiter zu pflegen. Seit ich so ein Tier an meiner Seite habe, fliegen mir die Zutraulichkeiten der anderen zu. Ihre Ooohs und Achs und, je nach Generation, unterschiedlich ausgeprägte zoologische und popkulturelle Kenntnisse. "Ein Schneemannhund!", kreischt ein kleiner Junge. "Wie bei Max und Moritz!", rufen die Eltern. Gebeugte Menschen jenseits der 80 bekommen feuchte Augen: "So ein Spitzchen hab ich seit meiner Kindheit nicht mehr gesehen."

Der Spitz, bis vor wenigen Jahrzehnten der Feld-, Wald- und Wiesenköter schlechthin, hat meiner Mitwelt offenbar schon lange gefehlt. Und zwar ohne, dass sie es selbst wusste. Ich habe den Eindruck, der eine oder andere Malteser- oder Westie-Halter hätte sich auch lieber einen Spitz angeschafft, hätte er nur geahnt, dass es diese Puschelrasse noch gibt. Und dass er so pflegeleicht ist: Er muss nur einmal pro Woche gebürstet werden. Nach Frischluft und Brötchen duftet er ganz von allein. Wie konnte es dann passieren, dass dieser schlaue und noch dazu sehr schöne Hund fast in Vergessenheit geriet?

Das schlechte Image ablegen

"Nissig", "kiebig" und "hinterfotzig" – solche Wörter lernt man eben auch, wenn ältere Herrschaften ihre Erinnerungen an den "Wadenbeißer" von früher kundtun. Das schlechte Image war bei einem Wächter von Haus und Hof allerdings gewollt, über Jahrhunderte und Jahrtausende. In dicht bewohnten Städten aber war lautstarkes Kläffen eine eher ungünstige Voraussetzung. Man kann es dem Spitz leicht abtrainieren. Aber das wissen nur die wenigsten.

Die Folge: Die offiziellen Wurfzahlen des Deutschen Spitzes in all seinen Varianten stagnieren seit Jahren auf niedrigem Niveau. Für 2015 meldete der Verband für das deutsche Hundewesen 184 Wolfsspitz- und 233 Kleinspitzwelpen, der vom Deutschen Spitz abstammende Japanspitz brachte es nur auf 63. Allein der Zwergspitz (Pomeranian) konnte mit 314 Welpen im Jahr 2015 erneut leicht zulegen. Demgegenüber stehen allerdings 2.591 neugeborene Labrador Retriever und 5.885 Dackel.

Doch der Zeitgeist steht günstig. Die Jüngeren sind unbefangen und ihr ästhetisches Empfinden ist globalisiert. Mit seiner Mischung aus Niedlichkeit und Seriosität verkörpert der Spitz das von Japan ausgehende Kawaii-Ideal und hat deshalb beste Karten für die Rückeroberung der Welt. Der älteste Haushund setzt gerade wieder zum Sprung an. Zurück auf die Leinwand hat er es schon geschafft. Helge Schneider etwa ließ 2013 seinen orangefarbenen Zwergspitz Zorro in seinem Film 00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse aus einer Citroen DS hüpfen, retro, albern, elegant. Im Animationsfilm Pets von 2016 organisiert die Zwergspitzdame Gidget die entscheidende Rettungsaktion für ihre Tierkumpels.

Dem Fellknäuel verfallen in jüngster Zeit auch reihenweise It-Girls und Promis. Paris Hilton hat schon länger einen, 30.000 Dollar soll der weiße Kleinspitz gekostet haben. Heidi Klum habe ihrer Tochter einen geschenkt, vermeldeten Klatschmagazine. Schlagersängertochter Nicole Richie gehört ebenfalls zu dem noch ausreichend exklusiven Kreis der Spitzbesitzerinnen. Und auf Instagram schmücken sich Novalanalove, Dagi Bee und Paola Maria, wichtige Instanzen für kleine Mädchen, mit ihren Poms.