Im Weltall ist Schwerelosigkeit der Normalzustand. Das Science-Fiction-Kino muss hingegen immer wieder gewaltige Anstrengungen auf sich nehmen, um die Illusion von "Zero Gravity" zu erzeugen. Es gibt Genrefans, die die Qualität eines Science-Fiction-Films allein aufgrund einer realistischen Umsetzung von Schwerelosigkeit beurteilen. Würde man tatsächlich so strenge Maßstäbe anlegen, beschränkte sich der Science-Fiction-Kanon auf eine Handvoll Filme.

Ganz oben auf dieser Liste stünde natürlich Stanley Kubricks Raumschiff-Ballett in 2001: Odyssee im Weltraum, zu den Klängen von Johann Strauss’ Donauwalzer. Alfonso Cuarón stellte in Gravity seinen beiden nominellen Stars Sandra Bullock und George Clooney einen weiteren ebenbürtigen Protagonisten zur Seite: die entfesselt dahintaumelnde Kamera von Emmanuel Lubezki, die dem Publikum buchstäblich den Boden unter den Füßen entzog. Schwerelosigkeit ist gewissermaßen die technische Königsdisziplin im Science-Fiction-Film, Pflicht und gleichzeitig Kür. Sie lässt auch erkennen, wie ernst es einem Regisseur mit dem Genre ist.

Zieht man dieses Qualitätskriterium für ein Urteil über Passengers, der Science-Fiction-Feuertaufe von Regisseur Morten Tyldum, heran, hätte der Film bereits ein Problem. An Tyldums Inszenierung von Schwerelosigkeit lassen sich leicht die Schwächen des Films festmachen, und sehr schnell käme man vom Technischen zum Prinzipiellen. Dem Drehbuch zum Beispiel, das jahrelang in Hollywood kursierte. Oder dem Charisma der Hauptdarsteller Chris Pratt und Jennifer Lawrence, zwei der größten Stars, die Hollywood aktuell zu bieten hat.

Schauspielerinnen und Schauspieler haben in dieser Art High-Concept-Blockbuster immer das Problem, mit Spezialeffekten konkurrieren zu müssen. Das erweist sich besonders dann als Herausforderung, wenn neben Star-Power auch menschliche Chemie gefragt ist, die dem Film ein emotionales Kraftfeld verleiht. Pratt und Lawrence spielen in Passengers in gewisser Weise die ersten und letzten Menschen, Adam und Eva. Zusammen mit 4.998 schlafenden Passagieren befinden sie sich auf einer 125-jährigen Sternenkreuzfahrt durch das Universum, an deren Ziel sie die Erdkolonie Homestead erwartet. Eine "Love Story", die der romantischen Idee des "Bis dass der Tod sie scheidet" eine bitterböse Pointe entgegenhält.

Das Poolwasser verformt sich zu Kugel

Es gibt in Passengers eine großartige Szene, die die Gesetze der Schwerkraft auf im Kino bisher nie gesehene Weise aus den Angeln zu heben scheint. Und letztlich auch das Dilemma des Films versinnbildlicht. Lawrence zieht in einem Infinity Pool, der diesen Namen wirklich mal verdient (die Ränder des Beckens scheinen sich in der Unendlichkeit des Weltraums zu verlieren), ihre Bahnen, als ein technischer Defekt die künstliche Schwerkraft auf dem Raumschiff Avalon für einen Moment aufhebt. Das Poolwasser formt sich entgegen jedem physikalischen Gesetz zu einer flüssigen Kugel, als würde ein unsichtbares Gravitationsfeld die Urelemente des Lebens zusammenhalten. Sie umhüllt Lawrence wie einen tödlichen Kokon. Die Panik in ihren Augen straft den atemberaubenden Anblick des schwebenden Wassertropfens vor der kosmischen Sternenkulisse Lügen.

Die physikalischen Grundlagen der Science-Fiction werden in Passengers genauso auf die Probe gestellt wie die Konventionen des Liebesfilms, einem anderen Genre, für das eine gewisse Leichtigkeit wesentlich ist. Denn die Prämisse der Sternenromanze zwischen Jim, der sich nahtlos in Pratts Rollenprofil des linkischen Prolls einfügt, und der intellektuellen Aurora, die Lawrence etwas zu schneewittchenhaft verkörpert, ist äußerst dünn. Sie beruht vielmehr auf einer Lüge. Jims Schlafkapsel wurde durch einen Systemschaden 90 Jahre zu früh geöffnet. Den kafkaesken Auskünften des Bordcomputers, die Technik des Raumschiffs sei unfehlbar, steht er als wandelnder Widerspruch gegenüber.

Das erste Jahr in Einsamkeit beendet er mit einer sein Gewissen marternden Entscheidung: Er öffnet die Kapsel Auroras und verurteilt sie damit ebenfalls zu einem vorzeitigen Tod im Space. Dieses pikante Geheimnis teilt er vorerst nur mit dem androiden Barkeeper des Sternenkreuzers (Michael Sheen). Den moralischen Konflikt der Liebesgeschichte, die im Kern also eine männliche Machtfantasie erzählt, überspielt das Skript später nonchalant, weil irgendwann eben doch die Mechanismen des Blockbusterkinos greifen müssen. Der Überbietungsdramaturgie des explosiven Finales fällt schließlich auch die erzählerische Restlogik zum Opfer.