In dichtem Nebel rollt eine Boeing 747 der Airline KLM über die einzige Piste des kleinen Flughafens Los Rodeos im Norden der Urlaubsinsel Teneriffa zu ihrer Startposition. Sie wendet, macht sich auf den Weg, um abzuheben. Plötzlich blitzen Lichter einer entgegenkommenden Maschine auf. Der KLM-Kapitän reißt seine Maschine hoch, doch es ist zu spät: Aufprall, Explosion. Fast 600 Menschen sterben. 

Die Kollision zweier Jumbo-Jets am 27. März 1977 ist bis heute das folgenschwerste Unglück in der Geschichte der zivilen Luftfahrt. Mehrere Ursachen kamen zusammen: schlechtes Wetter, mangelhafte Technik – und nicht zuletzt ein ungeduldiger Pilot. Könnte ein ähnlicher Unfall wieder geschehen? Oder ist die Luftfahrt heute bedeutend sicherer?

Das Unheil hatte 100 Kilometer entfernt auf der spanischen Nachbarinsel Gran Canaria begonnen. Zur Mittagszeit war dort am Flughafen Las Palmas eine Bombe explodiert, der Flughafen war gesperrt, Maschinen nach Teneriffa zum Landen umgeleitet worden. Darunter auch die Jumbo-Jets des niederländischen Flugkapitäns Jacob Veldhuyzen van Zanten (KLM) und des US-Piloten Victor Grubbs (Pan Am). Beide landeten im Abstand weniger Minuten auf dem Flughafen Los Rodeos. Dort hieß es: warten.

"Er war der Typ Pilot, der jeder von uns sein wollte"

Der damals 56-jährige Grubbs mit mehr als 21.000 Flugstunden Erfahrung hat damals das Kommando über den Pan-Am-Flug 1736 aus New York. Sein Erster Offizier ist Robert Bragg. Unterstützt von Co-Pilot Klaas Meurs steuert KLM-Kapitän Van Zanten, 50, Flug 4805 aus Amsterdam zur Urlaubsinsel. Auch Van Zanten hat bis dahin mehr als 11.000 Stunden im Cockpit vorzuweisen, ist Dienstältester Pilot und Chefausbilder seiner Airline, ein Vorbild für junge Kollegen, das Werbegesicht der Firma. "Er war der Typ Pilot, der jeder von uns sein wollte, die Spitze der Nahrungskette", beschreibt ihn der Luftfahrt-Gutachter John Nance später in der TV-Dokumentation The Deadliest Plane Crash. Am Tag des Unfalls ist es Van Zanten, der gleich mehrere folgenschwere Fehler begeht.

Wegen seiner Hochlage, gut 600 Meter über dem Meeresspiegel im bergigen Norden der Insel, ist der Flugplatz Los Rodeos damals wie heute unter Piloten berüchtigt: Häufige Nebel und plötzlich auftretende Scherwinde machen Start und Landung zur Nervenprobe. Und es gibt nur eine Piste für alle.

Der Tag der Katastrophe

Gemessen an dem Verkehrsaufkommen haben die Fluglotsen am 27. März 1977 im Tower weder die nötige technische Ausstattung noch die Kapazitäten, die Situation unter Kontrolle zu halten. Flugzeuge blockieren sich bereits, als KLM-Pilot Van Zanten beschließt, seine Maschine auf Teneriffa betanken zu lassen. Er will Zeit sparen und die Crew innerhalb der Arbeitszeit noch zurück nach Amsterdam bringen.

Zwei Stunden dauert es, bis seine Boeing 747 mit 55 Tonnen Treibstoff versorgt ist. Um kurz vor 17 Uhr kommt endlich das Signal: KLM-Flug Nummer 4805 darf sich bereit machen zum Start. Kapitän Van Zanten soll erst die Bahn zurückfahren, dann wenden. Drei Minuten später erhält Grubbs, der die Pan-Am-Maschine steuert, das Zeichen, dass er dem KLM-Kollegen ein Stück folgen soll. Bis zur dritten Ausfahrt der Start- und Landepiste. Dort soll Grubbs auf eine Querbahn abfahren, sich über Funk melden und auf seine Starterlaubnis warten (siehe Grafik).

Los Rodeos: So kam es zur Kollision der Jumbo-Jets

Zu diesem Zeitpunkt ist der Flughafen nicht nur überfüllt. Binnen weniger Minuten hat sich auch noch ein dichter Nebelschleier über das Rollfeld gelegt. "Unsere Sicht verringerte sich von unbegrenzt auf rund 500 Meter." So wird es Co-Pilot Robert Bragg später in der TV-Dokumentation erzählen. "Wir verloren das KLM-Flugzeug aus den Augen". Wenn die US-Piloten des startenden Jumbos die Maschine der KLM-Kollegen nicht erkennen konnten – wie hätten die anderen sie sehen sollen?