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Lebensretter für zwei Wochen

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Wasser und Westen: Die Helfer vom „Seefuchs“, hier bei einem Sea-Eye-Einsatz, versorgen die Menschen in den Schlauchbooten mit dem Nötigsten.
Wasser und Westen: Die Helfer vom „Seefuchs“, hier bei einem Sea-Eye-Einsatz, versorgen die Menschen in den Schlauchbooten mit dem Nötigsten. © Sea-Eye.org

Rene Greiner ist Segler. Üblicherweise zu seinem Vergnügen. Kommende Woche begibt er sich auf See, um Menschenleben zu retten. Er will Flüchtlinge vor der Libyschen Küste vor dem Ertrinken bewahren.

Gräfelfing – Wenn er sich vorstellt, wie jemand bei rauer See in einem Schlauchboot unterwegs ist, schaudert es Rene Greiner (54). Der Gräfelfinger ist ein alter Segler und weiß besser als viele andere: „Das ist eine scheußliche Situation.“ Flüchtlingen aus Nordafrika, die sich von Libyen aus in Schlauchbooten auf den Weg nach Europa machen, will er jetzt helfen. Der Inhaber einer Werbeagentur in Gräfelfing will sie davor bewahren, im Mittelmeer zu ertrinken.

Rene Greiner will vor Ort erste Hilfe leisten, sollten Flüchtlinge in Seenot geraten. Dass das nicht ganz einfach werden wird, ist ihm und seiner Familie bewusst. „Meine Frau war in Sorge“, sagt er. Aufgeregt und mulmig ist ihm selbst zumute. Seine Tochter habe aber gesagt: „Toll, Papa rettet die Welt.“ Und so fliegt Greiner am kommenden Samstag auf eigene Kosten nach Malta, um dort an Bord der „Seefuchs“ zu gehen, das zweite Boot der von Michael Buschheuer gegründeten Regensburger Hilfsorganisation Sea-Eye.

Rene Greiner ist nicht blauäugig, was seine Mission betrifft. Er hat sich impfen und schulen lassen und weiß genau: „Es ist kein Urlaub.“ Als er kürzlich bei einem Bekannten in Regensburg den Flyer der Hilfsorganisation entdeckte, erkannte er, dass er das Leid im Mittelmeer selbst mindern kann. Er wurde Mitglied bei „Sea-Eye“ und gab an, über welche Schiffsführerscheine er verfügt. „Da gab es dann gleich eine Mission, bei der man mich brauchen konnte.“ Der Gräfelfinger wird zwei Wochen lang Crewmitglied auf dem neuen Schiff der Organisation.

Die „Seefuchs“ ist ein 26,6 Meter langer Kutter aus dem Jahr 1958. Greiner selbst hat noch kein so großes Motorschiff gesteuert. „Ich bin gespannt, wie es sich verhält“, sagt er. Aber er ist auch nicht alleine auf dem Schiff. Neun andere freiwillige Helfer fahren mit, darunter ein Skipper, der bereits gut mit dem Schiff vertraut sei.

Wenn Greiner in Malta ankommt, hat die „Seefuchs“ ihre erste zweiwöchige Mission vor der Küste Libyens hinter sich. Anders ihr Schwesterschiff, die „Sea-Eye“. Deren Crews retteten im vergangenen Jahr bereits 5568 Menschen aus Seenot. Bis vergangene Woche erhöhte sich die Zahl auf rund 8400. Es gibt also genug zu tun für ein weiteres Schiff, eine weitere Crew. Die Fahrt von Malta ins Einsatzgebiet, die internationalen Gewässer vor der Küste Libyens, dauert 24 bis 33 Stunden, schätzt Greiner. Für Notleidende sind rund 800 Rettungswesten und sechs Rettungsinseln für 500 Menschen an Bord. Das Schiff sei nicht dafür konzipiert, Menschen aufzunehmen. „Ist aber schon passiert“, weiß Greiner. Üblicherweise bestehe die Aufgabe darin, Menschen in Seenot zu finden, diese der Seenotrettungsleitstelle in Rom (MRCC) zu melden und die Situation zu stabilisieren. Erste Hilfe heißt das Stichwort. Dazu würden zunächst Rettungswesten und Wasser an die Flüchtlinge in Seenot verteilt. Dann wird ihnen geholfen, auf ein größeres Schiff zu gelangen. Auch kipplige Holzboote würden entlastet, indem Rettungsinseln kurzfristig Menschen aufnehmen, bis Hilfe in Form von größeren Schiffen beispielsweise der italienischen Marine oder Küstenwache komme. Was im einzelnen Fall zu tun sei, erfahre die Crew immer vom MRCC.

Greiner ist gespannt, was die Zeit auf dem Boot bringen wird. Mit den anderen Crewmitgliedern wird er in Wachen eingeteilt und sich alle zwei bis drei Stunden abwechseln. „Das bedeutet relativ wenig Schlaf und Ruhe“, das ist sicher. Wenn er zurückkommt, plant er dennoch keine Pause. Er will gleich in seiner Werbeagentur weiterarbeiten. „Wenn man selbstständig ist, sind zwei Wochen lang“, erklärt er.

Victoria Strachwitz

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