Kleines Haus ganz gross

Auf stille, nach aussen hin unspektakuläre Weise setzte das Londoner Designmuseum seine ehrgeizigen Pläne um. An einer neuen, feinen Adresse belebt es ein teilweise denkmalgeschütztes Gebäude neu.

Marion Löhndorf
Drucken
Dynamischer Erlebnisraum – das expressive Dach belebt die atriumartige Foyerlandschaft des Design Museum. (Bild: Hufton + Crow)

Dynamischer Erlebnisraum – das expressive Dach belebt die atriumartige Foyerlandschaft des Design Museum. (Bild: Hufton + Crow)

Mit glamourösen Ausstellungen, die etwa Manolo Blahniks Schuhe zu Objekten der Begierde stilisierten, wurde das Design Museum London weltbekannt. Doch seine Anfänge waren bescheiden. Als Boilerhouse Project startete es 1983 mit einem Ausstellungsraum im Kellergeschoss des Victoria & Albert Museum. Dann zog es 1989 um ans südliche Themseufer in eine ehemalige Lagerhalle für Bananen an Butler's Wharf nahe der Tower Bridge. So kam es zu seinem eigenen Haus. Die folgenden Jahrzehnte waren eine gute Zeit. Mit dem allerorts rasant steigenden Interesse an Design und mit einem publikumsnah gestalteten Programm wuchs der Erfolg. Abermals drängte sich eine Expansion auf. Aber das Geld für einen Neubau konnte das Museum nicht aufbringen. So zog es erneut in ein vorhandenes Haus, diesmal ins ehemalige Commonwealth Institute an der Kensington High Street, eine noble Adresse in einem guten Viertel und ein vornehmes Gebäude dazu.

Bei der Renovierung musste die äussere Form des Gebäudes erhalten bleiben, denn das spektakuläre Dach des Hauses steht unter Denkmalschutz. Mit dieser Aufgabe und der sanften Erneuerung der Fassade wurde das von Rem Koolhaas geleitete Architekturbüro OMA zusammen mit dem britischen Team Allies and Morrison beauftragt. Um die Anpassung des Inneren an die neue Aufgabe kümmerte sich der für seine minimalistische Formensprache bekannte Architekt John Pawson. Das Dach mit seiner Struktur eines hyperbolischen Paraboloids, das oft mit einem Zelt verglichen wurde, bildet auch im Innenraum den Blickfang – zusammen mit dem atriumartigen Eingangsfoyer. Dieses Atrium, Herzstück des Museums, ist theatralisch, aber nicht laut. Es ist riesig und doch intim. Die Treppenaufgänge sind ähnlich dramatisch wie der Schwung des Daches über dem Atrium, und doch sind sie gezügelt.

Elegante Atmosphäre

Die grosszügige Verwendung von Eichenholz, die diskrete Installation der Lichtquellen – hinter Handläufen und Bänken – und der Einsatz von Weiss und hellen Grautönen erzeugen eine elegante Atmosphäre, ebenso die Farbe des Holzes und des hellen Marmors. Es gibt wenig Tageslicht. Der gestylte Museumsshop ist gross, aber im Verhältnis zur Weite des Foyers wirkt er klein. Um das Atrium herum laufen Galerien, die zu den Museumssälen führen, aber auch zu Lehrräumen, zur Bibliothek, zum Mitgliederraum und zu den Büros.

Pawsons Entwurf, mäkelte die Tageszeitung «The Guardian», ähnele der Innenausstattung eines fashionablen Geschäfts und erinnere daran, dass der Architekt auch schon teure Modeläden und schicke Hotels ausgestattet habe. Dass er zudem ein asketisches Kloster gebaut hat, erwähnte der Artikel nicht.

Zwei bedeutende Architekten bauten das Commonwealth Institute zum neuen Sitz des Design Museum London um. Rem Koolhaas erneuerte den Aussenbau, während John Pawson das Innere mit minimalistischer Eleganz versah.Drei balkonartige Laubengänge erschliessen das von John Pawson zum umgestaltete, überdachte Atrium. (Bild: Hufton + Crow)
8 Bilder
Rem Koolhaas und sein Büro OMA erneuerten zusammen mit dem britischen Team Allies and Morrison die Aussenhaut des 1962 von Robert Matthew erbauten ehemaligen Commonwealth Institute, das heute als Meisterwerk der britischen Nachkriegsmoderne gilt. (Bild: PD)
Ein Detail von Metalldach und Glasfassade.(Bild: Luke Hayes)
Das Dach mit seiner Struktur eines hyperbolischen Paraboloids verleiht dem Design Museum eine Leichtigkeit, welche ein wenig an die 1950er Jahre erinnert. (Bild: Hufton + Crow)
Auf der obersten Umgangsebene des Foyers erlebt man die dynamische Kraft des Daches hautnah. (Bild: Hufton + Crow)
Die Haupttreppe im atriumartigen Foyer wird von den Besuchern gerne als Sitzgelegenheit genutzt. (Bild: Hufton + Crow)
Der gestylte Museumsshop ist gross, wirkt aber im Verhältnis zur Weite des Foyers klein. (Bild: Hufton + Crow)
Die von John Pawson inszenierte Promenade architecturale endet auf der Galerie unter dem monumentalen Dach. (Bild: Hufton + Crow) Zum Artikel

Zwei bedeutende Architekten bauten das Commonwealth Institute zum neuen Sitz des Design Museum London um. Rem Koolhaas erneuerte den Aussenbau, während John Pawson das Innere mit minimalistischer Eleganz versah.
Drei balkonartige Laubengänge erschliessen das von John Pawson zum umgestaltete, überdachte Atrium. (Bild: Hufton + Crow)

Der Schriftsteller Bruce Chatwin, mit dem John Pawson befreundet war, rühmte an Pawsons Werk die «melancholische Schönheit in der Einsamkeit, Einfachheit und natürlichen Symmetrie». Dabei ging er ausführlich auf den starken Einfluss japanischer Kultur auf das Schaffen Pawsons ein. Tatsächlich fühlte sich dieser schon früh zur japanischen Kultur hingezogen, und er lebte auch zeitweise in Japan. Der von ihm verehrte Architekt Shiro Kuramata ermutigte ihn, Architektur zu studieren. Vor seinem Japanaufenthalt hatte Pawson in Oxford studiert und im Textilbetrieb seines Vaters gearbeitet, ohne darin seine Berufung zu finden. Auch sein Architekturstudium schloss der Quereinsteiger nie ab. Stattdessen begann er, der gute Kontakte zur Londoner Kunstszene besass und mit Donald Judd zusammenarbeitete, mit der Gestaltung von Wohnungen und Galerien seiner Freunde, bis sich sein Talent herumsprach. So gelangte er an immer prestigeträchtigere Aufträge. Eine wundersame, ungewöhnliche Karriere.

Zu Pawsons Freunden zählt auch der Direktor des Designmuseums, Deyan Sudjic, der ein Buch über ihn schrieb, ihm eine grosse Einzelausstellung ermöglichte und ihn nun mit der Innenausstattung des neuen Museums beauftragte. Pawson wollte dem Haus ein Innenleben geben, in dem sich, wie er sagt, «die Menschen wohl fühlen».

Eine «Kathedrale des Designs»

Das von Pawson und Koolhaas transformierte Gebäude stammt aus dem Jahr 1962. Es wurde von Robert Matthew vom Architekturbüro Johnson-Marshall entworfen und galt als Musterbeispiel der britischen Nachkriegsmoderne. Bevor das Design Museum mit dem Umbau des Commonwealth Institute begann, stand es jahrelang leer. «Es ist ein ziemlich fragiles Gebäude», hatte Sudjic damals gesagt. «Als wir es zum ersten Mal besuchten, war es wie ein Kühlschrank, den man im Regen hatte stehen lassen.» Seither wurde das Haus zu neuem Glanz renoviert und kann nun das Design auf einer dreimal so grossen Ausstellungsfläche wie zuvor feiern. All dies verdient ebenso Beifall und Beachtung wie die Tatsache, dass die Londoner Museumslandschaft um ein Gebäude dieser Dimensionen bereichert werden konnte. Zu den diskret treibenden Kräften hinter dem Projekt gehörte neben Sudjic vor allem Terence Conran, einer der Gründer des Design Museum. Der 85-jährige Conran beeinflusst den Geschmack der Briten als Designer, als Restaurateur und mit seiner Habitat-Möbelkette schon seit Jahrzehnten. Für ihn ging mit dem Museum der Traum von einer «Kathedrale des Designs» in Erfüllung.

Der Museumskomplex, dessen Umgestaltung 83 Millionen Pfund kostete, wird von drei neuen, luxuriösen Apartmentblocks flankiert, die von Rem Koolhaas' Architekturbüro OMA entworfen wurden: Diese Wohnbauten versperren die Sicht auf das Museum von der Hauptstrasse her weitgehend und trauen sich auch nicht so recht, mit dem schönen, alt-neuen Museum in einen Dialog zu treten. Doch Chelsfield PLC, der Eigentümer des Geländes, machte die Genehmigung des Wohnbauprojekts zur Bedingung für die Stiftung des Museumsgebäudes. Ursprünglich sah Chelsfield das ehemalige Commonwealth Institute als Flagship-Store für Modefirmen oder als Kasino vor. Aber die Gemeinde setzte die museale Nutzung durch. Dabei sollte die Museumsnähe den teuren Wohnungen mit privatem Swimmingpool, Spa und Kino ein zusätzliches Gütesiegel verpassen: Kultur, wie so oft, als Aushängeschild.

Gegen die Langeweile

Dejan Sudjic träumte von einem ganz anderen Zusatzeffekt des Museums an diesem Ort. «Es ist eine Gelegenheit, Kensington wieder ein bisschen Leben einzuhauchen», erklärte er. Denn der Stadtbezirk Kensington war früher einmal so angesagt, wie Hoxton es heute ist. «Aber nun», so Sudjic, «ist es sehr wohlhabend, und Wohlstand kann Orte manchmal langweilig machen.» Noch aber fügt sich das Museum eher erhaben statt aufregend ins bürgerliche Ambiente. Viel Spielraum für witzige oder wilde neue Szeneläden bietet die Umgebung nicht – und wenn es so wäre: Wer könnte die Mieten bezahlen? Aufstrebende junge Kreative sicher nicht.

Nach seinem Umzug hat das Design Museum mit 10 000 Quadratmetern dreimal so viel Platz wie an seinem vorherigen Ort an Butler's Wharf. Es zählt nun eine halbe Million Besucher pro Jahr. Sudjic hofft, dass das Museum für das Design erreichen wird, was die Tate Modern für die Kunst in London geleistet hat. Ehrgeizig ist das Design Museum wie eh und je: Es möchte die weltweit führende Institution seiner Art werden.