Die Oscar-Verleihung ist mit einem Paukenschlag zu Ende gegangen: Der falsche Film wurde als Gewinner ausgerufen. Kritik an Präsident Trump äusserten vor allem ausländische Stars.
Laut einer Umfrage der National Research Group haben 66 Prozent der Trump-Wähler damit gedroht, den Fernseher abzudrehen, sobald die Dankesreden bei den Oscars politisch würden. Es ist unklar, ob die Stars an den 89. Academy Awards von dieser Studie gehört hatten, aber im Gegensatz zu den meisten anderen Award-Shows gab es bei diesen Oscars nur wenige politische Reden. Das soll aber nicht heissen, dass Gewinner wie Asghar Farhadi oder Präsentatoren wie Gael Garcia Bernal nichts zu sagen hatten.
Die Message des iranischen Regisseurs, der der Verleihung aus Protest fernblieb, war klar. Der zweifache Gewinner des Oscars für den besten fremdsprachigen Film für «The Salesman» liess seine Dankesrede von der iranischen Astronautin und Ingenieurin Anousheh Ansari lesen. «Meine Absenz geschieht aus Respekt für die Leute meines und sechs anderer Länder, denen die Einreise in die USA verboten wird», erklärte Farhadi. Er appellierte an die Stärke von Filmemachern, Brücken zu Schlagen und in Menschen grösseres Einfühlungsvermögen zu kreieren, das heute nötiger sei denn je.
Eigentlich hätte Gael Garcia Bernal mit Hailee Steinfeld den Academy Award für den besten Animationsfilm präsentieren sollen, als er zum Unbehagen seiner Partnerin seinem Frust Luft machte und Schauspieler mit Gastarbeitern verglich. «Als Mexikaner, als Lateinamerikaner, als Gastarbeiter und als Mensch bin ich gegen jede Mauer, die uns voneinander trennen soll», erklärte Bernal und bekam dafür höflichen, aber nicht tosenden Applaus vom Publikum, bestehend aus Hollywoods obersten zwei Prozent.
Protest hatte es im Vorfeld der Verleihung gegeben. Letzte Woche sagte eine der grössten Talentagenturen, United Talent Agency, ihre Oscar-Afterparty ab und ersetzte sie durch eine Anti-Trump-Demonstration vor der Oscar-Nacht: «Wir hielten es nicht für angebracht, eine grosse Party zu veranstalten, um unsere Errungenschaften zu feiern», erklärte Jeremy Zimmer, CEO von UTA. Stars wie Michael J. Fox und Jodie Foster drückten an dieser Veranstaltung ihre Solidarität für die Rechte von Immigranten aus. Das millionenschwere Budget, das für die Afterparty bestimmt gewesen wäre, wurde Flüchtlings- und Bürgerrechts-Organisationen gespendet.
Auch auf dem roten Teppich wurden politische Zugehörigkeiten mit Glamour und Luxus kombiniert. Die als beste Nebendarstellerin für «Loving» nominierte Ruth Negga trug ein unbezahlbares, einzig für sie angefertigtes Couture-Kleid des Designers Valentino mit einer blauen Ansteck-Schleife der ACLU, der American Civil Liberties Union. Die «Stand with ACLU»-Kampagne wurde letzte Woche lanciert und lässt Hollywoodstars ihre Solidarität mit der unparteiischen, gemeinnützigen Organisation bekunden, die seit 100 Jahren die individuellen Rechte und Freiheiten verteidigt, die durch die amerikanische Verfassung gewährleistet werden.
Seit Trumps Amtsantritt hat sich die ACLU um eine Million Mitglieder ausgedehnt und hat über 24 Millionen Dollar in Spendengeldern erhalten. Negga war nicht die einzige, von Lyn-Manuel Miranda bis zum Supermodel Karlie Kloss war der blaue Anstecker an vielen Revers und Kleidersäumen zu sehen. Kloss dekorierte ihre Zivilcourage mit Juwelen von Stuart Weitzman, die teurer sind als ein Einfamilienhaus.
Eine neue Umfrage der NBC-Fernsehstation hat ergeben, dass 55 Prozent aller Amerikaner keinen der für einen Oscar nominierten Filme gesehen hat. Daran scheint sich auch seit der «Oscar so White»- Kontroverse wenig geändert zu haben. Diese hat dazu geführt, dass die stimmberechtigten Mitglieder der Motion Picture Academy nach ihrer heutigen Relevanz in Hollywood kategorisiert und ausgemistet wurden. Details zu dieser «Säuberung» hat die Academy aber keine gegeben. Das Resultat war eine grössere Vielfalt unter den Nominierten und den Gewinnern der diesjährigen Oscars wie Mahershala Ali als bester Nebendarsteller für «Moonlight» oder Viola Davis für «Fences».
Die Show gab sich grosse Mühe, moderner zu erscheinen. Von der dynamischen Eröffnungsnummer «Can't stop the feeling» mit Justin Timberlake bis zum Gastgeber Jimmy Kimmel, ein bei einem jüngeren Publikum beliebter Late-Night-Host, war die Verleihung zwar länger und chaotischer, aber definitiv weniger verstaubt als in vergangenen Jahren. Kimmel nahm gleich vorweg, dass er nicht derjenige sei, der das Land wieder vereinigen wolle. «Wenn jeder von uns jemanden anruft, mit dem wir nichts gemein haben und dann eine höfliche Konversation haben, dann können wir anfangen, unsere Differenzen beizulegen», meinte Kimmel, worauf er über Stars wie Matt Damon, Dwayne Johnson und sogar Meryl Streep herzog.
Erinnern wir uns noch einmal an die Umfrage der National Research Group, die nicht nur Trump- sondern auch Clinton-Wähler zu ihrem Oscar-Verhalten befragt hat. Das Ergebnis dieser Umfrage war, dass politische Oscar-Reden offenbar nur wenig Einfluss auf die Wähler haben. Nur etwa 25 Prozent der Befragten auf beiden Seiten meinten, dass ihre Meinung je von einem Hollywood Star geändert worden sei. Es ergibt also Sinn, dass Warren Beatty, der Präsentator des Oscars für den besten Film, seine Meinung generell für sich behielt: «Unser Ziel in der Politik ist dasselbe wie das Ziel der Kunst: Wir alle suchen nach der Wahrheit.»
Doch dann nahm er es mit der Wahrheit nicht mehr so genau. Beatty und seine Ko-Präsentatorin Faye Dunaway erklärten «La La Land» zum Gewinner des Oscars für den besten Film. In einer brutalen Wende des Schicksals und zur generellen Konfusion aller Anwesenden stellte sich jedoch heraus, dass die beiden ein altes Couvert in der Hand hielten und damit den falschen Gewinner kürten. Der Oscar für den besten Film des Jahres ging an «Moonlight», worauf M. Knight Shyamalan, der Regisseur solcher Horrorfilme wie «The Sixth Sense», twitterte: «Ich habe das Ende der Academy Awards 2017 geschrieben. @jimmykimmel wir haben sie alle ganz schön reingelegt.»