Chaos um den Gewinner

Die Oscar-Verleihung ist mit einem Paukenschlag zu Ende gegangen: Der falsche Film wurde als Gewinner ausgerufen. Kritik an Präsident Trump äusserten vor allem ausländische Stars.

Gabriela Tscharner Patao, Los Angeles
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Fehlgriff beim Oscar für den besten Film des Jahres. (Bild: Aaron Poole / EPA)

Fehlgriff beim Oscar für den besten Film des Jahres. (Bild: Aaron Poole / EPA)

Laut einer Umfrage der National Research Group haben 66 Prozent der Trump-Wähler damit gedroht, den Fernseher abzudrehen, sobald die Dankesreden bei den Oscars politisch würden. Es ist unklar, ob die Stars an den 89. Academy Awards von dieser Studie gehört hatten, aber im Gegensatz zu den meisten anderen Award-Shows gab es bei diesen Oscars nur wenige politische Reden. Das soll aber nicht heissen, dass Gewinner wie Asghar Farhadi oder Präsentatoren wie Gael Garcia Bernal nichts zu sagen hatten.

Kritik von Asghar Farhadi

Die Message des iranischen Regisseurs, der der Verleihung aus Protest fernblieb, war klar. Der zweifache Gewinner des Oscars für den besten fremdsprachigen Film für «The Salesman» liess seine Dankesrede von der iranischen Astronautin und Ingenieurin Anousheh Ansari lesen. «Meine Absenz geschieht aus Respekt für die Leute meines und sechs anderer Länder, denen die Einreise in die USA verboten wird», erklärte Farhadi. Er appellierte an die Stärke von Filmemachern, Brücken zu Schlagen und in Menschen grösseres Einfühlungsvermögen zu kreieren, das heute nötiger sei denn je.

Eigentlich hätte Gael Garcia Bernal mit Hailee Steinfeld den Academy Award für den besten Animationsfilm präsentieren sollen, als er zum Unbehagen seiner Partnerin seinem Frust Luft machte und Schauspieler mit Gastarbeitern verglich. «Als Mexikaner, als Lateinamerikaner, als Gastarbeiter und als Mensch bin ich gegen jede Mauer, die uns voneinander trennen soll», erklärte Bernal und bekam dafür höflichen, aber nicht tosenden Applaus vom Publikum, bestehend aus Hollywoods obersten zwei Prozent.

Protzen und Protestieren

Protest hatte es im Vorfeld der Verleihung gegeben. Letzte Woche sagte eine der grössten Talentagenturen, United Talent Agency, ihre Oscar-Afterparty ab und ersetzte sie durch eine Anti-Trump-Demonstration vor der Oscar-Nacht: «Wir hielten es nicht für angebracht, eine grosse Party zu veranstalten, um unsere Errungenschaften zu feiern», erklärte Jeremy Zimmer, CEO von UTA. Stars wie Michael J. Fox und Jodie Foster drückten an dieser Veranstaltung ihre Solidarität für die Rechte von Immigranten aus. Das millionenschwere Budget, das für die Afterparty bestimmt gewesen wäre, wurde Flüchtlings- und Bürgerrechts-Organisationen gespendet.

Auch auf dem roten Teppich wurden politische Zugehörigkeiten mit Glamour und Luxus kombiniert. Die als beste Nebendarstellerin für «Loving» nominierte Ruth Negga trug ein unbezahlbares, einzig für sie angefertigtes Couture-Kleid des Designers Valentino mit einer blauen Ansteck-Schleife der ACLU, der American Civil Liberties Union. Die «Stand with ACLU»-Kampagne wurde letzte Woche lanciert und lässt Hollywoodstars ihre Solidarität mit der unparteiischen, gemeinnützigen Organisation bekunden, die seit 100 Jahren die individuellen Rechte und Freiheiten verteidigt, die durch die amerikanische Verfassung gewährleistet werden.

Seit Trumps Amtsantritt hat sich die ACLU um eine Million Mitglieder ausgedehnt und hat über 24 Millionen Dollar in Spendengeldern erhalten. Negga war nicht die einzige, von Lyn-Manuel Miranda bis zum Supermodel Karlie Kloss war der blaue Anstecker an vielen Revers und Kleidersäumen zu sehen. Kloss dekorierte ihre Zivilcourage mit Juwelen von Stuart Weitzman, die teurer sind als ein Einfamilienhaus.

Oscar not so White

Eine neue Umfrage der NBC-Fernsehstation hat ergeben, dass 55 Prozent aller Amerikaner keinen der für einen Oscar nominierten Filme gesehen hat. Daran scheint sich auch seit der «Oscar so White»- Kontroverse wenig geändert zu haben. Diese hat dazu geführt, dass die stimmberechtigten Mitglieder der Motion Picture Academy nach ihrer heutigen Relevanz in Hollywood kategorisiert und ausgemistet wurden. Details zu dieser «Säuberung» hat die Academy aber keine gegeben. Das Resultat war eine grössere Vielfalt unter den Nominierten und den Gewinnern der diesjährigen Oscars wie Mahershala Ali als bester Nebendarsteller für «Moonlight» oder Viola Davis für «Fences».

Am Sonntagabend sind in Hollywood die Oscar-Filmpreise worden. Der Favorit, das Musical «La La Land», erhielt mit sechs Oscars die meisten Trophäen. Bild: Damien Chazelle, der preisgekrönte Regisseur. (Bild: Paul Buck / EPA)
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Die Schauspielerin Emma Stone mit ihrem Oscar. (Bild: Lucas Jackson / Reuters)
Durch den Abend führt der Moderator Jimmy Kimmel. Als Zwischenverpflegung landen Donuts an kleinen Fallschirmen im Publikum des Dolby Theaters in Los Angeles. (Bild: Chris Pizzello / AP)
Zunächst spricht Warren Beatty (M.) dem Überflieger «La La Land» den Titel als bester Spielfilm zu. Dann wird ihm eingeflüstert, der Gewinner sei «Moonlight». (Bild: Lucy Nicholson / Reuters)
Nach der fatalen Verwechslung macht Produzent Jordon Horowitz schliesslich klar, welcher Spielfilm dieses Jahr in Hollywood gewonnen hat: «Moonlight». (Bild: Lucy Nicholson / Reuters)
Justin Hurwitz, Justin Paul und Benj Pasek (v.l.n.r.) erhalten Oscars für ihr Lied «City of Stars» aus dem Musical «La La Land». (Bild: Chris Pizzello / AP)
Spannender als die Anzahl Oscars für die Favoriten gestaltete sich die Frage, wer den neuen Präsidenten Donald Trump kritisieren und ob dieser darauf reagieren würde. Bild: Das Trump-Bashing betreibt Ruth Negga in stiller Form, indem sie wie viele andere einen blauen Bändel trägt, den ACLU Ribbon (American Civil Liberties Union). Die ACLU konnte mit ihrer Klage Trumps Einreiseverbote für Muslime vorerst aussetzen. (Bild: Jordan Strauss / AP)
Auch Karlie Kloss trägt den blauen Bändel, der auf dem weissen Kleid besonders gut zur Geltung kommt. (Bild: Jordan Strauss / AP)
Der amerikanische Schauspieler und Musiker Lin-Manuel Miranda zeigt sich an der Gala in Los Angeles ebenfalls mit Bändel. (Bild: Jordan Strauss / AP)
Später sieht man Lin-Manuel Miranda, wie er auf dem grossen Screen Tweets liest. Der Kurznachrichtendienst war an der Preisverleihung omnipräsent, weil man jederzeit einen Tweet von Präsident Donald Trump erwartete. (Bild: Chris Pizzello / AP)
Bei den Bändeln gab es auch Konfusion. Barry Jenkins (l.) trägt den blauen Protestbändel; was das rote Abzeichen von Tarell Alvin McCraney drückt mit der roten Schleife den HIV- und AIDS-Patienten seine Unterstützung aus. Die beiden nehmen den Oscar für die beste Regie (Jenkins) und das beste Drehbuch (McCraney) für «Moonlight» in Empfang. (Bild: Chris Pizzello / AP)
Der ABC-Moderator Jimmy Kimmel führt durch den Abend. Nachdem er bereits zweimal die Verleihung der Emmys moderiert hat, sind jetzt zum ersten Mal die Oscars dran. Kimmel bleibt in seiner Rolle als souveräner Showmaster, aber harmloser Spötter. (Bild: Aaron Poole / EPA)
Kimmel schickt im Verlauf der Show einen Tweet an US-Präsident Donald Trump ab. Diesen hält er passend zum Empfänger sehr knapp: «U up?» (Bild: Mark Suban / EPA)
In der Kategorie «Best Foreign Language Film» gewinnt «The Salesman» von Asghar Farhadi den Oskar. Der Iraner reiste aufgrund der Einreisesperre der US-Regierung gegen Muslime nicht an die Preisverleihung, weshalb die amerikanisch-iranische Millionärin und Weltraumtouristin Anousheh Ansari (l.) sein Statement vorliest. (Lucy Nicholson / Reuters)
Die Regisseure Martin Butler (l.) und Bentley Dean (r.) zeigen sich mit australischen Ureinwohnern auf dem roten Teppich. Die Gäste spielen in ihrem Film «Tanna» mit; Australien ist von den Dekreten Trumps nicht direkt betroffen. (Bild: Mario Anzuoni / Reuters)
In der Nähe der Oscar-Zeremonie kommt es auch zu vereinzelten Demonstrationen für Donald Trump. (Bild: Andrew Cullen / Reuters)
Die Bühne der Oscar-Verleihungen nutzen auch diese Dakota-Indianer, um gegen die geplante Pipeline durch ihr geschütztes Reservat zu demonstrieren. (Bild: Andrew Cullen / Reuters)
Viola Davis freut sich über ihren Oscar für die beste Nebenrolle in «Fences». (Bild: Lucas Jackson / Reuters)
Stilvoll gekleidet erscheint die Crew des Films «Moonlight» mit (v.l.n.r.) Trevante Rhodes, Alex R. Hibbert und Ashton Sanders. (Bild: Mike Blake / Reuters)
Ein Fan küsst die Hand der Schauspielerin Nicole Kidman. (Bild: Lucy Nicholson / Reuters)
Die üppige Bühnenshow der amerikanischen Sängerin und Schauspielerin Auli'i Cravalho wird der Traumfabrik Hollywood gerecht. (Bild: Lucy Nicholson / Reuters)
Auch die Schauspielerin Scarlett Johansson darf bei den Oscars nicht fehlen. (Bild: Mario Anzuoni / Reuters)
Halle Berry schreitet mit der Frisur des Abends über den roten Teppich. (Bild: Mike Blake / Reuters)
Die Show ist auch eine Retrospektive auf verstorbene Leinwandgrössen. Hier erinnert Sara Bareilles an Debbie Reynolds . . . (Bild: Chris Pizzello / AP)
. . . und an Gene Wilder. (Bild: Chris Pizzello / AP)
Javier Bardem (r.) und Meryl Streep überreichen dem Kameramann Linus Sandgren (l.) einen Oscar für «La La Land». Meryl Streep hatte kürzlich bei den Golden Globes für Aufsehen gesorgt, weil sie Präsident Trump kritisierte. An der Oscar-Verleihung erhielt sie vom Moderatoren ein zweifelhaftes Kompliment: «Schönes Kleid, ist das ein Ivanka?» (Bild: Chris Pizzello / AP)
John Legend spielt das Lied «City of Stars» aus dem Film «La La Land». (Bild: Chris Pizzello / AP)
Und Sting interpretiert den nominierten Song «The Empty Chair» aus der «James Foley Story». (Bild:Lucy Nicols / Reuters)

Am Sonntagabend sind in Hollywood die Oscar-Filmpreise worden. Der Favorit, das Musical «La La Land», erhielt mit sechs Oscars die meisten Trophäen. Bild: Damien Chazelle, der preisgekrönte Regisseur. (Bild: Paul Buck / EPA)

Die Show gab sich grosse Mühe, moderner zu erscheinen. Von der dynamischen Eröffnungsnummer «Can't stop the feeling» mit Justin Timberlake bis zum Gastgeber Jimmy Kimmel, ein bei einem jüngeren Publikum beliebter Late-Night-Host, war die Verleihung zwar länger und chaotischer, aber definitiv weniger verstaubt als in vergangenen Jahren. Kimmel nahm gleich vorweg, dass er nicht derjenige sei, der das Land wieder vereinigen wolle. «Wenn jeder von uns jemanden anruft, mit dem wir nichts gemein haben und dann eine höfliche Konversation haben, dann können wir anfangen, unsere Differenzen beizulegen», meinte Kimmel, worauf er über Stars wie Matt Damon, Dwayne Johnson und sogar Meryl Streep herzog.

Ein falsches Couvert

Erinnern wir uns noch einmal an die Umfrage der National Research Group, die nicht nur Trump- sondern auch Clinton-Wähler zu ihrem Oscar-Verhalten befragt hat. Das Ergebnis dieser Umfrage war, dass politische Oscar-Reden offenbar nur wenig Einfluss auf die Wähler haben. Nur etwa 25 Prozent der Befragten auf beiden Seiten meinten, dass ihre Meinung je von einem Hollywood Star geändert worden sei. Es ergibt also Sinn, dass Warren Beatty, der Präsentator des Oscars für den besten Film, seine Meinung generell für sich behielt: «Unser Ziel in der Politik ist dasselbe wie das Ziel der Kunst: Wir alle suchen nach der Wahrheit.»

Doch dann nahm er es mit der Wahrheit nicht mehr so genau. Beatty und seine Ko-Präsentatorin Faye Dunaway erklärten «La La Land» zum Gewinner des Oscars für den besten Film. In einer brutalen Wende des Schicksals und zur generellen Konfusion aller Anwesenden stellte sich jedoch heraus, dass die beiden ein altes Couvert in der Hand hielten und damit den falschen Gewinner kürten. Der Oscar für den besten Film des Jahres ging an «Moonlight», worauf M. Knight Shyamalan, der Regisseur solcher Horrorfilme wie «The Sixth Sense», twitterte: «Ich habe das Ende der Academy Awards 2017 geschrieben. @jimmykimmel wir haben sie alle ganz schön reingelegt.»