Wo die flammenden Reden gegen Trump geblieben sind

An der Oscar-Verleihung herrschte weitgehend lähmende Schwere und dröge Langeweile. Nach vier Stunden gab es am Schluss immerhin einen grossen Aufreger um den besten Film.

Tobias Sedlmaier
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Die Produzenten von «La La Land» nehmen den Oscar für den «Besten Film» entgegen – müssen ihn aber gleich wieder zurückgeben. (Bild: Mar Suban / EPA)

Die Produzenten von «La La Land» nehmen den Oscar für den «Besten Film» entgegen – müssen ihn aber gleich wieder zurückgeben. (Bild: Mar Suban / EPA)

Explizite politische Statements kommen ohnehin sehr selten aus der Traumfabrik. Doch ausgerechnet im ersten Jahr unter Präsident Trump geriet die Verleihung der Oscars zur überraschend unpolitischen, stellenweise zähen Show. Hollywood tat das, was es am besten kann: Sich selbst feiern. Und flüchtete sich in halbgare Gags und viel Musik. Auch von der zuvor angekündigten Kürze blieb am Ende mit fast vier Stunden Laufzeit wenig übrig.

Der Eröffnungssong

Dabei startete die Veranstaltung sehr beschwingt: Justin Timberlake gibt den Ordnern draussen am Eingang Fistbumbs und stürmt dann mit seiner Tanzcrew die Bühne mit «Can't Stop the Feeling». Der Song stammt aus dem Animationsfilm «Trolls» und ist für einen Oscar nominiert, den er später gegen die Konkurrenz von «City of Stars» («La La Land») nicht erringen kann. Hollywood steht auf und tänzelt, die Verleihung ist eröffnet! Ganz so unterhaltsam ging es leider nicht weiter, nach einer Stunde waren erst sechs Trophäen vergeben.

Die Spässchen von Jimmy Kimmel

Der diesjährige Gastgeber war ABC-Moderator Jimmy Kimmel. Nachdem er bereits zweimal durch die Verleihung der Emmys führen durfte, sind jetzt zum ersten Mal die Oscars dran. Kimmel bleibt während der ganzen in seiner bekannten Rolle als souveräner Showmaster, aber harmloser Spötter. Ganz so als moderiere er eine Langversion seiner Late Night Show. Chris Rock letztes Jahr war weitaus boshafter.

Am Sonntagabend sind in Hollywood die Oscar-Filmpreise worden. Der Favorit, das Musical «La La Land», erhielt mit sechs Oscars die meisten Trophäen. Bild: Damien Chazelle, der preisgekrönte Regisseur. (Bild: Paul Buck / EPA)
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Die Schauspielerin Emma Stone mit ihrem Oscar. (Bild: Lucas Jackson / Reuters)
Durch den Abend führt der Moderator Jimmy Kimmel. Als Zwischenverpflegung landen Donuts an kleinen Fallschirmen im Publikum des Dolby Theaters in Los Angeles. (Bild: Chris Pizzello / AP)
Zunächst spricht Warren Beatty (M.) dem Überflieger «La La Land» den Titel als bester Spielfilm zu. Dann wird ihm eingeflüstert, der Gewinner sei «Moonlight». (Bild: Lucy Nicholson / Reuters)
Nach der fatalen Verwechslung macht Produzent Jordon Horowitz schliesslich klar, welcher Spielfilm dieses Jahr in Hollywood gewonnen hat: «Moonlight». (Bild: Lucy Nicholson / Reuters)
Justin Hurwitz, Justin Paul und Benj Pasek (v.l.n.r.) erhalten Oscars für ihr Lied «City of Stars» aus dem Musical «La La Land». (Bild: Chris Pizzello / AP)
Spannender als die Anzahl Oscars für die Favoriten gestaltete sich die Frage, wer den neuen Präsidenten Donald Trump kritisieren und ob dieser darauf reagieren würde. Bild: Das Trump-Bashing betreibt Ruth Negga in stiller Form, indem sie wie viele andere einen blauen Bändel trägt, den ACLU Ribbon (American Civil Liberties Union). Die ACLU konnte mit ihrer Klage Trumps Einreiseverbote für Muslime vorerst aussetzen. (Bild: Jordan Strauss / AP)
Auch Karlie Kloss trägt den blauen Bändel, der auf dem weissen Kleid besonders gut zur Geltung kommt. (Bild: Jordan Strauss / AP)
Der amerikanische Schauspieler und Musiker Lin-Manuel Miranda zeigt sich an der Gala in Los Angeles ebenfalls mit Bändel. (Bild: Jordan Strauss / AP)
Später sieht man Lin-Manuel Miranda, wie er auf dem grossen Screen Tweets liest. Der Kurznachrichtendienst war an der Preisverleihung omnipräsent, weil man jederzeit einen Tweet von Präsident Donald Trump erwartete. (Bild: Chris Pizzello / AP)
Bei den Bändeln gab es auch Konfusion. Barry Jenkins (l.) trägt den blauen Protestbändel; was das rote Abzeichen von Tarell Alvin McCraney drückt mit der roten Schleife den HIV- und AIDS-Patienten seine Unterstützung aus. Die beiden nehmen den Oscar für die beste Regie (Jenkins) und das beste Drehbuch (McCraney) für «Moonlight» in Empfang. (Bild: Chris Pizzello / AP)
Der ABC-Moderator Jimmy Kimmel führt durch den Abend. Nachdem er bereits zweimal die Verleihung der Emmys moderiert hat, sind jetzt zum ersten Mal die Oscars dran. Kimmel bleibt in seiner Rolle als souveräner Showmaster, aber harmloser Spötter. (Bild: Aaron Poole / EPA)
Kimmel schickt im Verlauf der Show einen Tweet an US-Präsident Donald Trump ab. Diesen hält er passend zum Empfänger sehr knapp: «U up?» (Bild: Mark Suban / EPA)
In der Kategorie «Best Foreign Language Film» gewinnt «The Salesman» von Asghar Farhadi den Oskar. Der Iraner reiste aufgrund der Einreisesperre der US-Regierung gegen Muslime nicht an die Preisverleihung, weshalb die amerikanisch-iranische Millionärin und Weltraumtouristin Anousheh Ansari (l.) sein Statement vorliest. (Lucy Nicholson / Reuters)
Die Regisseure Martin Butler (l.) und Bentley Dean (r.) zeigen sich mit australischen Ureinwohnern auf dem roten Teppich. Die Gäste spielen in ihrem Film «Tanna» mit; Australien ist von den Dekreten Trumps nicht direkt betroffen. (Bild: Mario Anzuoni / Reuters)
In der Nähe der Oscar-Zeremonie kommt es auch zu vereinzelten Demonstrationen für Donald Trump. (Bild: Andrew Cullen / Reuters)
Die Bühne der Oscar-Verleihungen nutzen auch diese Dakota-Indianer, um gegen die geplante Pipeline durch ihr geschütztes Reservat zu demonstrieren. (Bild: Andrew Cullen / Reuters)
Viola Davis freut sich über ihren Oscar für die beste Nebenrolle in «Fences». (Bild: Lucas Jackson / Reuters)
Stilvoll gekleidet erscheint die Crew des Films «Moonlight» mit (v.l.n.r.) Trevante Rhodes, Alex R. Hibbert und Ashton Sanders. (Bild: Mike Blake / Reuters)
Ein Fan küsst die Hand der Schauspielerin Nicole Kidman. (Bild: Lucy Nicholson / Reuters)
Die üppige Bühnenshow der amerikanischen Sängerin und Schauspielerin Auli'i Cravalho wird der Traumfabrik Hollywood gerecht. (Bild: Lucy Nicholson / Reuters)
Auch die Schauspielerin Scarlett Johansson darf bei den Oscars nicht fehlen. (Bild: Mario Anzuoni / Reuters)
Halle Berry schreitet mit der Frisur des Abends über den roten Teppich. (Bild: Mike Blake / Reuters)
Die Show ist auch eine Retrospektive auf verstorbene Leinwandgrössen. Hier erinnert Sara Bareilles an Debbie Reynolds . . . (Bild: Chris Pizzello / AP)
. . . und an Gene Wilder. (Bild: Chris Pizzello / AP)
Javier Bardem (r.) und Meryl Streep überreichen dem Kameramann Linus Sandgren (l.) einen Oscar für «La La Land». Meryl Streep hatte kürzlich bei den Golden Globes für Aufsehen gesorgt, weil sie Präsident Trump kritisierte. An der Oscar-Verleihung erhielt sie vom Moderatoren ein zweifelhaftes Kompliment: «Schönes Kleid, ist das ein Ivanka?» (Bild: Chris Pizzello / AP)
John Legend spielt das Lied «City of Stars» aus dem Film «La La Land». (Bild: Chris Pizzello / AP)
Und Sting interpretiert den nominierten Song «The Empty Chair» aus der «James Foley Story». (Bild:Lucy Nicols / Reuters)

Am Sonntagabend sind in Hollywood die Oscar-Filmpreise worden. Der Favorit, das Musical «La La Land», erhielt mit sechs Oscars die meisten Trophäen. Bild: Damien Chazelle, der preisgekrönte Regisseur. (Bild: Paul Buck / EPA)

Eine kleine Auswahl von Kimmels launischen Sprüche aus der Eröffnungsrede: «Als Matt Damon und ich uns kennenlernten, war ich noch der Dicke». – «Letztes Jahr waren es noch die Oscars, die rassistisch waren». – «In Hollywood diskriminieren wir nicht nach der Hautfarbe, sondern nach Alter und Geschlecht». Witzig, aber wenig schmerzhaft auch seine Kommentare über O. J. Simpson oder die «Lügenpresse», die er scherzhaft des Hauses verweisen wollte.

Ähnlich wie in seiner eigenen Show setzte der Moderator des Abends auf Streiche und Sketche. Der ausführlichste: Kimmel lockte eine «ahnungslose» Touristengruppe in den Saal des Dolby Theatres. Während die überraschten Besucher cool blieben, fielen die Reaktionen der Stars wahlweise amüsiert oder reserviert aus. Eine etwas deplacierte Aktion, irgendwo zwischen rührselig und peinlich.

Auch die Tweets, die Kimmel an Donald Trump schickte, waren nur leicht politisch angehaucht (#Merylsayshi). Dass die Stars beim Sketchvideo «Mean Tweets» beleidigende Twitternachrichten von Internet-Trollen vorlesen, ist ebenfalls mehr selbstverliebter Gestus als eine starke politische Geste.

Diversity

Was die Show selbst an politische Kritik vermissen liess, zeigten zahlreiche Schauspielerinnen dezent durch das Tragen blauer Schleifen an den Kleidern. Sie symbolisieren die Zugehörigkeit zur amerikanischen Bürgerrechtsunion ACLU, die mit ihrer Klage das Einreiseverbot vorerst aussetzen konnte. Immerhin musste man dieses Jahr kein zweites #oscarssowhite erleben: Mit insgesamt sieben Nominierungen farbiger Darsteller und Darstellerinnen herrschte zumindest emanzipatorische Aufbruchstimmung; gewonnen haben am Ende Viola Davis, Mahershala Ali und Barry Jenkins gleich doppelt für das beste Drehbuch und den besten Film («Moonlight»).

Erinnerungen

Eine neue Präsentationsform, die an sich gar nicht so uncharmant gewesen wäre, gab es auch: Die Stars erzählen von eindrücklichen Filmerlebnissen. So zum Beispiel Charlize Theron, wie sie an ihrem 17. Geburtstag in Deutschland «The Apartment» gesehen hat. Doch das ganze diente nur dem Zweck, um anschliessend mit der Hauptdarstellerin der Billy-Wilder-Komödie, Shirley MacLaine, zur Präsentation anzutreten.

Bei seiner Erinnerung an «We Bought a Zoo» konnte Moderator Kimmel, wie zuvor schon häufiger im Verlauf des Abends, seine öffentlich ausgetragene «Fehde» mit Matt Damon zelebrieren, den er dann auch noch als Dirigent des Orchesters bei der Präsentation für das beste Originaldrehbuch abwürgte. Zeitschinden statt Nostalgie. Die gab es dafür bei der obligatorischen Ehrung aller gestorbenen Künstler, derer es ja im abgelaufenen Jahr nicht wenige gab. Gene Wilder, Anton Yelchin, John Hurt, Abbas Kiarostami, Carrie Fisher und vorgestern erst überraschend Bill Paxton zum Beispiel.

Candycare

«Nächstes Jahr sollten die Awards so verliehen werden» sagte Jimmy Kimmel, als nach knapp einer Stunde kleine Ballons mit Päckchen voller Süssigkeiten von der Decke schweben. Nach drei Stunden regnet es dann erneut, diesmal Cookies und Donuts zur Musik von Wagners Walkürenritt. Von solchen Auflockerungen abgesehen, herrschte eher lähmende Schwere und dröge Langeweile. Von den erwarteten flammenden Reden gegen Donald Trumps Politik keine Spur. Am Schluss dann noch Aufregung: Warren Beatty und Faye Dunaway täuschen sich im Sieger und rufen fälschlicherweise «La La Land» statt dem politischeren «Moonlight» als besten Film aus. Eine bittere, ironische Pointe für diesen seltsamen Abend.