An der Oscar-Verleihung herrschte weitgehend lähmende Schwere und dröge Langeweile. Nach vier Stunden gab es am Schluss immerhin einen grossen Aufreger um den besten Film.
Explizite politische Statements kommen ohnehin sehr selten aus der Traumfabrik. Doch ausgerechnet im ersten Jahr unter Präsident Trump geriet die Verleihung der Oscars zur überraschend unpolitischen, stellenweise zähen Show. Hollywood tat das, was es am besten kann: Sich selbst feiern. Und flüchtete sich in halbgare Gags und viel Musik. Auch von der zuvor angekündigten Kürze blieb am Ende mit fast vier Stunden Laufzeit wenig übrig.
Dabei startete die Veranstaltung sehr beschwingt: Justin Timberlake gibt den Ordnern draussen am Eingang Fistbumbs und stürmt dann mit seiner Tanzcrew die Bühne mit «Can't Stop the Feeling». Der Song stammt aus dem Animationsfilm «Trolls» und ist für einen Oscar nominiert, den er später gegen die Konkurrenz von «City of Stars» («La La Land») nicht erringen kann. Hollywood steht auf und tänzelt, die Verleihung ist eröffnet! Ganz so unterhaltsam ging es leider nicht weiter, nach einer Stunde waren erst sechs Trophäen vergeben.
Der diesjährige Gastgeber war ABC-Moderator Jimmy Kimmel. Nachdem er bereits zweimal durch die Verleihung der Emmys führen durfte, sind jetzt zum ersten Mal die Oscars dran. Kimmel bleibt während der ganzen in seiner bekannten Rolle als souveräner Showmaster, aber harmloser Spötter. Ganz so als moderiere er eine Langversion seiner Late Night Show. Chris Rock letztes Jahr war weitaus boshafter.
Eine kleine Auswahl von Kimmels launischen Sprüche aus der Eröffnungsrede: «Als Matt Damon und ich uns kennenlernten, war ich noch der Dicke». – «Letztes Jahr waren es noch die Oscars, die rassistisch waren». – «In Hollywood diskriminieren wir nicht nach der Hautfarbe, sondern nach Alter und Geschlecht». Witzig, aber wenig schmerzhaft auch seine Kommentare über O. J. Simpson oder die «Lügenpresse», die er scherzhaft des Hauses verweisen wollte.
Ähnlich wie in seiner eigenen Show setzte der Moderator des Abends auf Streiche und Sketche. Der ausführlichste: Kimmel lockte eine «ahnungslose» Touristengruppe in den Saal des Dolby Theatres. Während die überraschten Besucher cool blieben, fielen die Reaktionen der Stars wahlweise amüsiert oder reserviert aus. Eine etwas deplacierte Aktion, irgendwo zwischen rührselig und peinlich.
Hey @realDonaldTrump u up?
— Jimmy Kimmel (@jimmykimmel) February 27, 2017
Auch die Tweets, die Kimmel an Donald Trump schickte, waren nur leicht politisch angehaucht (#Merylsayshi). Dass die Stars beim Sketchvideo «Mean Tweets» beleidigende Twitternachrichten von Internet-Trollen vorlesen, ist ebenfalls mehr selbstverliebter Gestus als eine starke politische Geste.
Was die Show selbst an politische Kritik vermissen liess, zeigten zahlreiche Schauspielerinnen dezent durch das Tragen blauer Schleifen an den Kleidern. Sie symbolisieren die Zugehörigkeit zur amerikanischen Bürgerrechtsunion ACLU, die mit ihrer Klage das Einreiseverbot vorerst aussetzen konnte. Immerhin musste man dieses Jahr kein zweites #oscarssowhite erleben: Mit insgesamt sieben Nominierungen farbiger Darsteller und Darstellerinnen herrschte zumindest emanzipatorische Aufbruchstimmung; gewonnen haben am Ende Viola Davis, Mahershala Ali und Barry Jenkins gleich doppelt für das beste Drehbuch und den besten Film («Moonlight»).
Eine neue Präsentationsform, die an sich gar nicht so uncharmant gewesen wäre, gab es auch: Die Stars erzählen von eindrücklichen Filmerlebnissen. So zum Beispiel Charlize Theron, wie sie an ihrem 17. Geburtstag in Deutschland «The Apartment» gesehen hat. Doch das ganze diente nur dem Zweck, um anschliessend mit der Hauptdarstellerin der Billy-Wilder-Komödie, Shirley MacLaine, zur Präsentation anzutreten.
Bei seiner Erinnerung an «We Bought a Zoo» konnte Moderator Kimmel, wie zuvor schon häufiger im Verlauf des Abends, seine öffentlich ausgetragene «Fehde» mit Matt Damon zelebrieren, den er dann auch noch als Dirigent des Orchesters bei der Präsentation für das beste Originaldrehbuch abwürgte. Zeitschinden statt Nostalgie. Die gab es dafür bei der obligatorischen Ehrung aller gestorbenen Künstler, derer es ja im abgelaufenen Jahr nicht wenige gab. Gene Wilder, Anton Yelchin, John Hurt, Abbas Kiarostami, Carrie Fisher und vorgestern erst überraschend Bill Paxton zum Beispiel.
«Nächstes Jahr sollten die Awards so verliehen werden» sagte Jimmy Kimmel, als nach knapp einer Stunde kleine Ballons mit Päckchen voller Süssigkeiten von der Decke schweben. Nach drei Stunden regnet es dann erneut, diesmal Cookies und Donuts zur Musik von Wagners Walkürenritt. Von solchen Auflockerungen abgesehen, herrschte eher lähmende Schwere und dröge Langeweile. Von den erwarteten flammenden Reden gegen Donald Trumps Politik keine Spur. Am Schluss dann noch Aufregung: Warren Beatty und Faye Dunaway täuschen sich im Sieger und rufen fälschlicherweise «La La Land» statt dem politischeren «Moonlight» als besten Film aus. Eine bittere, ironische Pointe für diesen seltsamen Abend.