Routine und Ausflucht

Die beiden Catherines – Deneuve und Frot – spielen in Martin Provosts berührendem Film ein ungleiches Frauenduo, verbunden durch eine tragische Familiengeschichte, das langsam zueinanderfindet.

Patrick Straumann
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(Bild: Ascot Elite Entertainment)

(Bild: Ascot Elite Entertainment)

Mit «Séraphine» und «Violette», seinen vorhergehenden Filmen, kam Martin Provost auf die Biografien zweier Künstlerinnen zurück, deren Werk jeweils auch von den gesellschaftlichen Kräften geprägt war, an denen sich die Frauen zu Lebzeiten wundgerieben hatten. «Sage femme», in der Gegenwart angesiedelt, baut auf das changierende Verhältnis zwischen zwei Protagonistinnen und setzt den Akzent auf deren innere Grenzen: Claire (Catherine Frot) ist eine Geburtshelferin aus einer Pariser Vorstadt, die ihre freien Tage in ihrem Gemüsegarten am Seineufer verbringt; Béatrice (Catherine Deneuve), die einstige Geliebte von Claires Vater, die auch in fortgeschrittenem Alter noch von ihrer früheren Schönheit zehrt, leidet an einem Hirntumor und verspielt ihre dürftigen Mittel am Pokertisch.

Provosts Drehbuch hält keine grösseren Überraschungen bereit, doch die Annäherung der beiden Frauen, die sich jahrzehntelang gemieden haben, ist nuanciert genug in Szene gesetzt, um die minimalistische Handlung unter subtiler Spannung zu halten. Während Béatrice aufgrund ihrer Krankheit gezwungen ist, bei ihren hedonistischen Lebensprinzipien Abstriche zu machen und sich von ihrem Smaragdschmuck zu trennen, sieht sich Claire zwischen der anstehenden Vaterschaft ihres Sohnes und den Avancen eines charmanten Nachbars (Olivier Gourmet) unverhofft mit einer offenen Zukunft konfrontiert.

Die Wiederbegegnung erfolgt im Anschluss an einen Anruf von Béatrice, der Claire unvorbereitet nach einer strapaziösen Nachtschicht erreicht, und die Hebamme wird den Rest der knapp zweistündigen Dauer des Filmes benötigen, um ihre zwiespältigen Gefühle für die ehemalige Stiefmutter überwinden zu können. Überzeugend wirkt die Aussöhnung letztlich, weil beide Figuren zugleich auch einen Prozess der Emanzipation durchlaufen; das Vergnügen, das man hierbei empfinden kann, ist jedoch grösstenteils Deneuve zuzuschreiben, die Béatrice auch in den verletzlichsten Momenten die bald irrlichternde, bald glamouröse Gestalt einer Diva verleiht.

★★★★☆ Kinos Arthouse Le Paris, Houdini.