Mit Galgenhumor durch die Gegenwart

Einst hat er die Unterhaltungsmusik Europas und der Schweiz bereichert mit seinen schönen Liedern. Doch dann verschwand Stephan Sulke aus der Öffentlichkeit. Jetzt feiert der Pop-Barde ein Comeback.

Jürg Zbinden
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Stephan Sulke kehrt für einmal auf die Bühne zurück. (Bild: Selina Haberland / NZZ)

Stephan Sulke kehrt für einmal auf die Bühne zurück. (Bild: Selina Haberland / NZZ)

Kolumnen mit dem Titel «What ever became of . . .» oder auf Deutsch «Was macht eigentlich . . .» werden sowohl im angelsächsischen als auch im hiesigen Raum gern gelesen. Man will einfach wissen, was aus den verblassten Jugenderinnerungen geworden ist. Konkret: Was zum Beispiel macht der Auslandschweizer Stephan Sulke? Im «Dschungelcamp» sah man ihn bis dato nicht – ein gutes Omen? Ein gelinde beruhigendes immerhin, auf den Bodensatz der Prominenz verzichtet er.

Kosmopolit von Kindesbeinen auf

Der 73-Jährige lebt ganz in der Gegenwart. Was bleibt ihm anderes übrig? Seine Gemütslage pendelt bedacht zwischen Augenzwinkern und Galgenhumor. Mittlerweile sei er in einem Alter, in dem er nur schon den Gedanken an einen Flughafen abstellen müsse (im Anschluss an das Rencontre muss er wohl oder übel dennoch zum Flughafen Zürich).

Eigentlich ist er ein Kosmopolit von Kindesbeinen auf. Geboren 1943 in Schanghai, grossgezogen in der Schweiz in Obhut seiner Mutter, die Deutsch sprach, mit dem Stiefvater parlierte er auf Französisch, und bei einer Tante in Atlanta lernte er English by Doing – ohne ihren fürchterlichen Akzent.

Bei Stephan Sulke alias Steff wurde der Beach-Boys-Hit «Little Honda» zu «He, Little Blondie». (Bild: pd)

Bei Stephan Sulke alias Steff wurde der Beach-Boys-Hit «Little Honda» zu «He, Little Blondie». (Bild: pd)

Die früh erworbene Sprachgewandtheit und der Entschluss seiner Frau Mama, hinterlassene Aktien von Daimler und Siemens zu verkaufen, anstatt sie zu behalten, trugen den 18-jährigen «Steff» der leichten Muse zu und vorerst nach Frankreich. Er gewann auf Anhieb den Grand Prix du Premier Disque, den Preis überreichte ihm kein Geringerer als Maurice Chevalier, der Grandseigneur des Chansons. Weil die Tantièmen aber armselig ausfielen, kehrte er La France den Rücken und versuchte sein Glück in Deutschland. Immer noch unter dem Pseudonym Steff erschien 1965 die Single «He, Little Blondie», eine deutsche Coverversion des Beach-Boys-Hits «Little Honda» – mit ein wenig Sammlerglück findet man die Scheibe heute auf Ebay.

Sulkes «Blondie» blieb der spätere Durchbruch, anders als der gleichnamigen Band um Debbie Harry, zwar verwehrt, aber er steckte nicht auf, im Gegenteil. Als einer der ersten Europäer diente er sich in Nashville, Tennessee, dem Mekka der Country-Music an: «Where Did She Go» war allerdings kein Country, sondern astrein produzierte Beatmusik ohne Anspruch auf Tiefgang. Den ja auch der Löwenanteil des Country nicht hatte.

Sänger, Jurist, Tontechniker

1967 dann die Rückkehr in die Schweiz, die Achtundsechziger grüssten schon. Eine ernsthafte Zäsur und Zensuren standen an, ein Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Zürich und Bern. Parallel dazu folgten weitere Schallplatten in Englisch und Französisch. 1969 baute der singende Jurastudent sein eigenes Tonstudio in Biel, im Jahr darauf begegnete er Claude Nobs, dem Leiter des Montreux Jazz Festival. Für die ersten Festival-Aufnahmen in der dannzumal neuen 24-Spur-Technik war Stephan Sulke verantwortlich, bis 1973. Aus dem angehenden Juristen wurde ein gefragter Spezialist für Tontechnik mit Kunden wie ARD, ZDF und BBC.

1976 erschien sein erster Longplayer, eine LP, von deren sepiabraunem Cover nicht mehr «Steff» extrabreit grinste, sondern in Versalien «STEPHAN SULKE». Auf dem Debüt das wundervoll melancholische Erinnerungslied an «Lotte», das sich anhört wie das Stück einer männlichen Knef: «Heute weiss ich nicht, hab’ ich etwas falsch gemacht / hab’ ich etwas übersehn, etwas nicht bedacht». Medienwirksame TV-Auftritte bei Rudi Carrell und Alfred Biolek, den Zampanos der Abendunterhaltung, steigerten Sulkes Bekanntheitsgrad. Daraus resultierte, 1977, der Deutsche Schallplattenpreis – im Alter von 34 Jahren durfte er sich endlich «Nachwuchskünstler des Jahres» nennen. Besser spät als nie.

Vom «Nachwuchskünstler des Jahres» bis zum «Künstler des Jahres» sollten noch einmal fünf Jahre verstreichen. Massgebliche Schützenhilfe leistete eine Dame, die auf den Namen Uschi hörte: «Uschi (mach kein Quatsch») geriet, der unflektierten Empfehlung zum Trotz, zum Ohrwurm, der sich im Juli 1982 bis auf Platz 3 der ZDF-Hitparade und von da ins Gehör des Massenpublikums wand. Ein Hit, bei dem nicht allein Sulke den Verdacht hegt, vielleicht habe dieser auf einem gründlichen (Text-)Missverständnis beruht.

Sulke schrieb auch Titel für die Grandes Dames Katja Ebstein und Erika Pluhar, Herbert Grönemeyer erwies ihm mit einer Coverversion des Lieds «Ich hab’ dich bloss geliebt» seine Reverenz. Trotzdem hatte der Pop-Barde das Musikgeschäft weitere fünf Jahre später satt. Er zog sich 1987 für unbestimmte Zeit aus der Öffentlichkeit zurück («zu viel Leere, zu viel Ego»).

Wieder da

Was zählt, das ist die Gegenwart. Jetzt ist er wieder da. Aber vorläufig nur für ein einziges Mal, diesen Samstag im Bernhard-Theater. Am 16. Juni kommt ein neues Album heraus, «Liebe ist nichts für Anfänger». Vor dem singulären Gastspiel und danach wieder frönt er mit der Ehefrau dem Savoir-vivre Südfrankreichs. Mit den Kenntnissen eines Fortgeschrittenen.

Zürich, Bernhard-Theater, 20. Mai, 20 Uhr.