Diese Braut traut sich – etwas

Die ultraorthodoxe israelische Regisseurin Rama Burshtein durchbricht die Konventionen der Liebeskomödie und gibt dem Genre neuen Schwung. Ihr neuer Film erzählt von einer Braut ohne Bräutigam.

Susanne Ostwald
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Alles ist parat für die Hochzeit von Michal (Noa Koler), aber wo ist der Bräutigam – und wer ist dieser Mann überhaupt? (Bild: PD)

Alles ist parat für die Hochzeit von Michal (Noa Koler), aber wo ist der Bräutigam – und wer ist dieser Mann überhaupt? (Bild: PD)

Was tut frau nicht alles, um zum Glück zu finden. Michal beispielsweise geht so weit, sich von einer Quacksalberin angeblich Wunderdinge wirkendes Fischblut ins Gesicht schmieren zu lassen, auf dass sie endlich einen Mann finde. Und tatsächlich: Schon bald darauf ist sie verlobt. Doch welches Glück ist schon zu erwarten, wenn der Bräutigam bei der Auswahl des Hochzeitsessens seiner Gattin in spe gesteht, sie nicht zu lieben? So verzweifelt ist die attraktive Michal keineswegs, dass sie diesen Kerl trotzdem ehelichte. Am vereinbarten Hochzeitstermin aber hält sie eisern fest – es wird sich in den nächsten vier Wochen schon jemand finden, um mit ihr vor den Traualtar zu treten. Sie will mit dem Kopf durch die Wand.

Es ist eine so simple wie charmante Grundidee, welche (Verweis) Rama Burshtein ihrem zweiten Spielfilm, «Through the Wall», zugrunde gelegt hat. Schon mit ihrem von den Romanen Jane Austens inspirierten Debütfilm «Fill the Void» hat sich die ultraorthodoxe israelische Regisseurin als Meisterin der Romantic Comedy erwiesen. Allein, bei seiner Premiere am Filmfestival Venedig regte sich in Teilen des Publikums Unmut angesichts der sympathischen Darstellung einer an tradierten Werten festhaltenden Religionsgemeinschaft, die vielen als frauenfeindlich gilt. Burshtein erlaubt einen Einblick in die Welt des chassidischen Judentums, und manchem gilt dieses als Bekenntnis zu einem hassenswerten Konservativismus. Dabei ist es Burshtein, die Konventionen durchbricht und ein Filmgenre wiederaufleben lässt, das im Kino amerikanischer Prägung inzwischen meist nurmehr zwischen Déjà-vus und Ordinärem schwankt, statt originell und witzig zu sein.

Eine selbstbewusste Heldin

Die Hochzeitskomödie hat im Laufe der Jahrzehnte viele Höhepunkte erlebt – von Screwball-Comedys wie «The Philadelphia Story» (1940) über Screwball-Hommagen wie «What's Up, Doc?» (1972) bis hin zum britischen Kassenschlager «Four Weddings and a Funeral» (1994) und zur australischen Erfolgskomödie «Muriel's Wedding» (1994). In jüngeren Jahren indes überwog uninspirierte Konfektionsware, und manchmal gab es sogar geschmackliche Tiefschläge wie die unsägliche Zote «Bachelorette» (2012). Hollywoods Komödien, einst getragen von eleganten Dialogen und verspielter Erotik, greifen zu immer ordinäreren Mitteln. Gleichzeitig erleben die feinsinnigen Romane Jane Austens, dieser Meisterin in Sachen Liebesheirat contra Geldehe, eine neue Renaissance. Doch so mancher Verfilmung, wie auch der jüngsten, «Love & Friendship» (2016, nach Austens «Lady Susan»), mangelt es an Esprit.

Nicht so den Filmen von Rama Burshtein. Sie hat dem Genre Leichtigkeit und verträumten Humor zurückgegeben. Ihre Skripts sind zudem von unaufdringlicher Intellektualität und könnten zeitgemässer nicht sein, während sie im selben Zuge klassische Erzählmuster aufgreifen und neu interpretieren. Es ist bemerkenswert, dass ausgerechnet Burshtein, die sich dem latenten Vorwurf des religiösen Konservativismus ausgesetzt sieht, eine Heldin geschaffen hat, welche die Traditionen nicht nur ihres Glaubens herausfordert und letztlich emanzipierter ist als so manche Hollywoodfigur, die nichts anderes als ein Happy End mit Hochzeit im Sinn hat.

Michal (Noa Koler) ist eine selbstbewusste, redegewandte und eigenständige Frau. Sie betreibt einen mobilen Streichelzoo und eckt mitunter damit an, dass nicht nur flauschige Kaninchen, sondern auch Schlangen zu ihren Schmusetieren gehören. Jemanden zum Schmusen hätte sie nun auch gern. Doch die Männer ihres Glaubens, die ihr professionelle Matchmaker vermitteln (nichts anderes als Dating-Portale im Internet), erweisen sich allesamt als Nieten der einen oder anderen Art. In smarten Dialogen und beredten Pausen ergründet Burshtein diese immer neuen Enttäuschungen, leuchtet die Ambivalenzen und Gefühlslagen mit grosser Sensualität aus. Die tolle Hauptdarstellerin verleiht ihrer Figur dabei mit agilem Mienenspiel enorme Tiefe.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Auf einer Pilgerreise lernt Michal den erfolgreichen Sänger Yos (Oz Zehavi) kennen, der sie charmant umwirbt und ihr einen Antrag macht. Aber ist er der Richtige? Hollywood hätte eine klare Antwort darauf, à la «Notting Hill». Burshtein aber, so viel sei verraten, hat anderes im Sinn. Dabei hat es ihre Protagonistin wirklich eilig, denn die Einladungen sind versandt, der Saal ist gemietet, das Kleid gekauft. Dann ist sie da, die achte Hanukka-Nacht und der Tag der Hochzeit. Und wer ist der Bräutigam? Michal hofft bis zuletzt . . .

Die 1967 in New York geborene Burshtein hat sich erst spät dem Glauben verschrieben und gehört zu einer Gruppe ultraorthodoxer Filmemacherinnen, die sich in einer «verbotenen» Disziplin üben und dabei Werke von erstaunlicher Frische hervorbringen, was man aus dem Innern dieser relativ geschlossenen Welt des strenggläubigen Judentums kaum erwarten würde. Geradezu reflexhaft begegnen manche ihren Darstellungen mit Ablehnung, was in einigen Fällen wenn nicht unbedingt von Antisemitismus, so doch zumindest von einer mangelnden Bereitschaft zeugt, sich unvoreingenommen auf diese Welt erst einmal einzulassen. Tatsächlich vermag das israelische Kino immer wieder zu überraschen und Erwartungshaltungen zu durchbrechen, gerade im Hinblick auf die Behandlung von Beziehungsfragen und Liebesdingen. Hollywood, aufgepasst!

★★★★★ Kinos Arthouse Movie, Houdini.