Das könnte der Abschied vom Meisterdetektiv sein

An Pfingsten zeigt die ARD Sherlock IV. Die Macher deuten hinsichtlich der mangelnden Verfügbarkeit ihrer Hauptdarsteller an, dass erst einmal Schluss sein könnte.

Tobias Sedlmaier
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Mycroft Holmes gibt unter anderem wichtige Informationen an Sherlock weiter. (Bild: Hartswood Films 2016/BBC)

Mycroft Holmes gibt unter anderem wichtige Informationen an Sherlock weiter. (Bild: Hartswood Films 2016/BBC)

Gerade einmal sieben magische Jahre ist es her, dass eine der angestaubten und bis zur Parodie ausgereizten Figuren der Fernsehgeschichte ihre fundamentale Neuerfindung erlebte. Die Produzenten und Autoren Steven Moffat und Mark Gatiss, die zuvor schon der britischen Science-Fiction-Serie «Doctor Who» die dringend benötigte Frischzellenkur verpasst hatten, beamten den von Arthur Conan Doyle ersonnenen brillanten Privatdetektiv Sherlock Holmes direkt ins 21. Jahrhundert. Von da an beherrschte dieser nicht nur die Deduktionskunst in der heimischen Baker Street 221b, sondern konnte auch ziemlich effektiv kämpfen, simsen und twittern.

Die grösste Zaubershow

Die ersten drei Staffeln der BBC-Produktion «Sherlock» waren aufregend, impulsiv, überraschend, sexy – der trockene Meisterdetektiv wurde zum prickelnden Magier. Lange bevor Hauptdarsteller Benedict Cumberbatch selbst für die Marvel-Studios bereitwillig in den Umhang eines hexenden Superhelden schlüpfte («Doctor Strange»), bot er als nur widerwillig die prominente Deerstalker-Kopfbedeckung tragender Sherlock Holmes in der Unterwelt Londons seine grösste Zaubershow. In insgesamt neun Episoden, inklusive eines online verfügbaren Weihnachtsspecials («The Abominable Bride») und einer auf nostalgisch gemachten Brückenfolge, verblüffte der dünngliedrige Zappelphilipp nicht nur die Zuschauer, sondern auch seine wenigen, doch umso teureren Verbündeten. Sein Adlatus Dr. Watson, Inspektor Lestrade, Assistentin Molly Hooper und die zumindest zeitweise sehr resolute Mrs. Hudson wirkten wie unbeteiligte Schlafwandler angesichts der unfassbaren Schnelligkeit, Kombinationsgabe und Präzision des selbsterklärten «high-functioning sociopath».

Mycroft Holmes wird gespielt von Mark Gatiss. (Bild: Hartswood Films 2016/BBC)

Mycroft Holmes wird gespielt von Mark Gatiss. (Bild: Hartswood Films 2016/BBC)

Gestorben wurde in schöner Regelmässigkeit, mal zum Schein, mal nach Notwehr und mal als diabolischer Trick von Moriarty, der sich selbst in den Kopf schoss, um seine Nemesis Sherlock zu vernichten. Nach drei Staffeln dieser irrwitzigen Trickserei mit überraschenden Twists steht nun auch in Deutschland und der Schweiz die Ausstrahlung der vierten Staffel «Sherlock» an. Inzwischen haben sich allerdings Ermüdungserscheinungen eingestellt. Genau wie jede Zaubershow, die ein bisschen zu lange dauert, weicht die Aufregung irgendwann der Gewohnheit. Die magische Vorstellung, an der man so gutgläubig festgehalten hat, wird wieder zum billigen Hütchenspielertrick, erlahmt gerade durch ihren Überraschungszwang.

Nicht erst, aber vor allem in der vierten Staffel tendiert die Serie dazu, die Marotten ihrer Hauptfigur immer weiter selbst zu übernehmen und zu kultivieren: Sie wird selbstverliebt, abgehoben, aufmerksamkeitsgeil. Fast so, als schreie sie permanent: Seht her, einen habe ich noch! Und dann wird eine Matrjoschka-Puppe nach der nächsten hergezeigt, Ebene nach Ebene entblättert sich, und zurück bleibt das schale Gefühl der unendlichen postmodernen Leere.

Die Karten liegen auf dem Tisch

Staffel 4 ist gewissermassen Höhepunkt wie Endpunkt dieser Entwicklung, jetzt werden alle Karten auf den Tisch gelegt. Die Familienverhältnisse des Holmes-Clans werden offenbart. Die Freundschaft zwischen Dr. Watson und Sherlock steht vor einer tragischen Zerreissprobe. Wir erfahren, dass Moriarty nicht das ultimative Mastermind war, für das man ihn hielt, und lernen einen schmierigen Geschäftsmann kennen, dessen Ähnlichkeit mit Donald Trump kein Zufall sein kann.

Sherlock ist auf der falschen Fährte. (Bild: Hartswood Films 2016/BBC)

Sherlock ist auf der falschen Fährte. (Bild: Hartswood Films 2016/BBC)

Für Sherlock war die Lösung seiner Fälle stets ein Spiel, die letzte Folge, «The Final Problem», wird denn auch zum fast zynisch quälenden Folter-Endspiel. Die letzte Einstellung könnte ein Schlussbild sein. Allerdings heisst Serialität auch potenzielle Unendlichkeit. The show can go on. Auch die Macher deuten hinsichtlich der mangelnden Verfügbarkeit ihrer Hauptdarsteller, die inzwischen Megastars geworden sind, an, dass erst einmal Schluss sein könnte. Manchmal braucht es für eine richtig gelungene Show keine Zugabe.