Alles so schrecklich gemütlich hier

Die alten Niederländer, das Matterhorn und die Sachertorte – Karen Kilimniks Malerei zelebriert den Kitsch und stellt Fallen.

Thomas Ribi
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Karen Kilimnik: «hunt for the dinner feast – in the forest with garlands & bow decor», 2016. (Bild: PD)

Karen Kilimnik: «hunt for the dinner feast – in the forest with garlands & bow decor», 2016. (Bild: PD)

Irgendwie kennt man das. Alles schon gesehen, irgendwo: eine Landschaft wie von Claude Lorrain, eine Jagdszene wie auf einer Tapisserie aus dem 18. Jahrhundert, «Zermatt at night» wie aus einem Hochglanzprospekt und ein graudüsterer, dramatischer Himmel, der niederländischer aussieht, als jeder Niederländer ihn hätte malen können. Bei Karen Kilimnik ist fast alles genau so, wie wir es uns vorstellen. Aber nichts ist so, wie es eigentlich ist. Viele Bilder der amerikanischen Künstlerin glaubt man vage zu kennen. Nur, woher? Und warum? Erst auf den zweiten Blick fragt man sich, weshalb man das, was man sieht, zu kennen meint. Und beim dritten Blick ist man plötzlich unsicher, ob das, was man sieht, nicht eher das ist, was man zu sehen meint, als das, was man tatsächlich sieht.

Das Bild des Bildes im Bild

Denn selbstverständlich ist das, was man auf Kilimniks Bildern kennt, nicht das, was man kennt. Wir sehen, was wir zu kennen meinen, gefiltert durch den Blick und den Pinselduktus der Malerin. Hinter den Bildern stehen Vorbilder aus der Malerei, aus dem England des 17. und 18. Jahrhunderts zum Beispiel. Doch wenn Karen Kilimnik ein Bild «kopiert», etwa eine Landschaft von Giorgione aus der National Gallery, hat die Kopie mit der Vorlage etwa so viel zu tun wie eine Polaroid-Aufnahme des Petersdoms mit dem Original. Wir sehen nie ein Bild, sondern immer ein Bild im Bild. Das wissen wir auch. Und Karen Kilimnik tut alles, um uns das nie vergessen zu lassen.

Karen Kilimnik: «The Sylvan Glade», 2001. (Bild: PD)

Karen Kilimnik: «The Sylvan Glade», 2001. (Bild: PD)

Kein doppelter Boden also, sondern ein dreifacher. Das idyllische Bild des nächtlichen Zermatt stammt in Tat und Wahrheit nicht aus einem Faltblatt von Zermatt Tourismus, sondern aus dem Beatles-Film «Help». Und die Hütte in der verschneiten, kältestarrenden Winterlandschaft stammt aus einem Gemälde von Jacob von Ruisdael. Putzig in Porzellanblau gemalt, wird die Landschaft zur Dekoration, die sich in gefälliger Vertrautheit anbiedert und zugleich entzieht. Denn eben, wir sehen nicht, was wir sehen.

Die Auswahl von Werken, die Kilimnik in der Galerie Eva Presenhuber auf dem Löwenbräu-Areal zeigt, spielen mit der Wahrnehmung von Bildern und von Kunst generell. Und sie treiben ein trickreiches Spiel mit dem Betrachter, der sich seiner Wahrnehmung nie sicher sein darf und doch nicht anders kann, als das, was er sieht, mit etwas zu verbinden, an das er sich durch ein Bild erinnert fühlt.

Die Katze auf dem Klubtisch

Die kunsthistorisch informierte Betrachtungsweise der Bilder führt sich selber ad absurdum, die spontane läuft ins Leere. Spätestens dann, wenn eine sorgsam drapierte heroische Landschaft mit einem englischen Klubtisch möbliert ist, auf dem sich eine Katze fläzt, wenn sich zwei Tulpen mitsamt Schmetterling allzu aufdringlich in den Vordergrund schieben oder wenn sich die Schwarzwäldertorte selbstbewusst neben das Matterhorn stellt, spürt man, dass es besser ist, dem Frieden nicht zu trauen, den Karen Kilimniks Bilder suggerieren.

Karen Kilimnik inszeniert lustvoll den Schein – nicht der Dinge, sondern der Bilder, die sich Maler von Dingen machen. Und damit verweist sie umso eindringlicher auf die Abgründe, die sich dem eröffnen, der hinter die Fassade blicken will. Sie zelebriert grosse Malerei als Zitat, als Kitsch und weist damit auf die Tiefe hin, die in der Oberfläche liegt. Die Reminiszenzen an Henry Raeburn, François Boucher oder die alten Niederländer sind keine Auseinandersetzung mit einer als verpflichtend empfundenen Tradition, sondern ironische Zwiegespräche mit den trivialisierten Abbildern, die wir uns von dieser Tradition machen.

Das Wesen der Malerei ist Illusion. Vom antiken griechischen Maler Zeuxis erzählte man sich, er habe Trauben so realitätsgetreu gemalt, dass die Vögel sie anpickten. Dieser Art von Illusion erliegt Karen Kilimnik nicht. Sie unterläuft sie, indem sie das, was wir Realität nennen, völlig ausblendet. Ihre Realität ist die der Kunst – eine Realität, die vielleicht wirklicher ist als die unseres Alltags. Nur, auch sie ist voller Fallen. Nicht nur für den Betrachter, sondern auch für den Künstler. Als Zeuxis einen Vorhang beiseiteschieben wollte, um ein Bild seines Konkurrenten Parrhasios besser zu sehen, merkte er, dass der Vorhang nur gemalt war. Auch wer wissen müsste, dass das, was er sieht, nicht das ist, was er meint, sieht manchmal das, was er zu sehen glaubt.

Zürich, Galerie Eva Presenhuber (Löwenbräu-Areal), bis 27. Mai.

Karen Kilimnik: «Zermatt at Night», 2002. (Bild: PD)

Karen Kilimnik: «Zermatt at Night», 2002. (Bild: PD)