WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Kultur
  3. Film
  4. Geht doch: Die Flüchtlingskomödie „Willkommen bei den Hartmanns“

Film Flüchtlingskomödien

Das ist ja mal eine komische Willkommenskultur

Willkommen bei den Hartmanns

Ein Film zur Lage der Nation. Mit der Gesellschaftssatire "Willkommen bei den Hartmanns" wirft Regisseur Simon Verhoeven einen ebenso kritischen wie humorvollen Blick auf die Flüchtlingskrise.

Quelle: Warner

Autoplay
Darf man aus dem Flüchtlingsthema Kinokomödien machen? Aber sicher! Wenn sie so ausfallen wie Simon Verhoevens Film „Willkommen bei den Hartmanns“ oder Rune Dengstad Langlos „Welcome to Norway“.

Ja, ja man hört sie schon, die politisch korrekten Kollegen, die sagen, aus dem Flüchtlingsthema dürfe man keine Komödie machen. Dafür sei das Thema viel zu ernst und diese Form viel zu oberflächlich! Dabei kann sich zur Zeit ja jeder den Flüchtlingsfilm ansehen, der ihm passt.

Ein Drama über einen minderjährigen Flüchtling aus Mali zum Beispiel, der in Berlin bei einem pensionierten Polizeibeamten landet („Der Andere“, Regie: Feo Aladag). Einen Dokumentarfilm über Frauen, die in Zentralafrika von kongolesischen Söldnern vergewaltigt wurden („Cahier Africain“, Regie: Heidi Specogna). Oder einen über ein ehemaliges Vier-Sterne-Hotel in Bautzen, in dem Flüchtlinge aus Eritrea, Syrien, Irak und Palästina zusammengewürfelt wurden („Spree Hotel“, Regie: Vivien Hartmann).

Welcome to Norway Kinofilm
Primus (Anders Baasmo Christiansen) will Profit aus der Krise schlagen. Er hat ein Hotel im kalten Norden. Abedie (Olivier Makutu) macht den Vermittler. Läuft leider nicht. Ist abe...r lustig
Quelle: Neue Visionen Filmverleih

Aber was ist eigentlich so schlimm daran, dem Thema komische Seiten abzugewinnen? Auch mal über uns selbst und unserer Phobien und Hysterien zu lachen? Und überhaupt, ist nicht Rune Dengstad Langlos Komödie „Welcome to Norway“ ganz wohlwollend aufgenommen worden?

Jetzt also „Willkommen bei den Hartmanns“. Schöner Titel. Die Kultur steckt quasi schon drin. Beziehungsweise der unvermeidliche Clash der Kulturen. Die Hartmanns leben ja nicht irgendwo, sondern in Grünwald, Münchens teuerster Ecke.

Er (Heiner Lauterbach) ist Chirurg, sie (Senta Berger) Studienrätin. Pensioniert. Vernachlässigt. Sie will etwas tun. Bringt schon mal ein paar abgelegte Klamotten in die Erstaufnahme. Frauen, die Deutsch unterrichten wollen, gibt’s da leider schon genug. „Die ganzen Rentner“, sagt Heimleiter Berger (Elyas M’Barek), als Angelika Hartmann wieder raus ist aus seinem Büro, „die rennen uns die Bude ein.“

„Wo soll der denn wohnen? Im Schuppen?“

Plan B ist, einen Flüchtling aufzunehmen. Richard Hartmann ist entsetzt. „Wo soll der denn wohnen?“, fragt er entgeistert. „Im Schuppen?“ Und kommt ziemlich in Rage, als seine Frau erklärt man habe doch mehr Platz als genug ... „Es reicht, dass Frau Merkel die ganze Dritte Welt eingeladen hat – wir machen das hier nicht!“

Tja, kurz darauf sitzt er mit seiner Angelika in Bergers Büro. Seine Frage, ob man sich einen Flüchtling aussuchen könne, kommt nicht gut an. Man sei hier nicht im Tierheim, belehrt ihn Berger milde. Trotzdem kommt es zu einer Art Flüchtlings-Casting in Grünwald.

Haus Hartmann. Kinofilm WILLKOMMEN BEI DEN HARTMANNS
Richard Hartmann (Heiner Lauterbach) hatte Diallo (Eric Kabongo) eigentlich in den Keller verbannt. Das hält nicht lange vor. Und wird lustig
Quelle: Jürgen Olczyk/Warner Bros

Nach dem Motto „Besser paranoid als tot!“ Wenn’s nach Richard geht, kommt, wenn überhaupt, nur ein Christ in Frage. Angelikas Einwand, Arschlöcher gebe es in jeder Religion, wischt er beiseite: „Wie viele Selbstmordattentäter sprengen sich denn im Jahr in die Luft und rufen dabei: ‚Jesus ist groß!‘?“

Am Ende zieht Diallo (Eric Kabongo) ein. Ein knopfäugiger Mann aus Nigeria, der von Richard gleich mal in den Keller verfrachtet wird. Wo es immerhin eine Dusche gibt, weil Richard da seine Muckibude eingerichtet hat. Was zu ersten Annäherungen führt. Und eine schöne und interessante Versuchsanordnung ist. Er da unten, die da oben. Immerhin am Esstisch vereint.

Politische Fensterreden werden nicht gehalten

Anzeige

Weshalb Diallo schnell mitkriegt, was bei den Hartmanns nicht stimmt. Da ist ja noch Richards Kollege Sascha (Uwe Ochsenknecht), der dem Freund Botox spritzt und mit Mädchen verkuppelt, die jünger sind als dessen Tochter Sophie. „Du musst dich“, sagt Diallo empört, „um deine Frau kümmern!“ Dass Sophie (Palina Rojinski) noch keine Kinder hat, entsetzt ihn fast noch mehr. „Du bist doch schon so alt!“ Sie: „31.“ Er: „Eben!“

Es gibt viel zu lachen in Simon Verhoevens Komödie. Schön auf Zug geschnitten ist sie auch. Gags werden nicht ausgewalzt, politische Fensterreden – fast – gar nicht gehalten.

Hier wird den Helfern geholfen

Schauspielerisch ist sowieso alles glänzend: die Berger, der Lauterbach, von dem man zwischendurch mal vergessen hatte, was für ein Komödiant das sein kann, der Ochsenknecht, der aussieht wie eine Mischung aus Robert Geiss und Jürgen Drews und wirklich zum Brüllen komisch ist, und alle anderen auch.

Am Ende ist den Helfern am meisten geholfen. Die Hartmanns sind dank Diallo wieder näher zusammengerückt, und weil Verhoeven nicht nur ein intelligenter Regisseur, sondern auch ein guter Drehbuchschreiber ist, hat er zwischendurch auch mal ein bisschen ernstgemacht. Nigeria, das ist eben auch Boko Haram, das sind mordende Horden, das wollen und sollen wir nicht vergessen.

„Welcome to Norway“

Primus hat ein brach liegendes Hotel in Norwegen. Die Asylkrise kommt ihm daher gerade recht. Kurzerhand funktioniert er das Haus in ein Flüchtlingsheim um. Doch so einfach, wie er dachte, ist sein Plan nicht umzusetzen.

Quelle: Neue Visionen

Vergleicht man Verhoevens Film mit dem von Rune Dengstad Langlo, dann schneiden die Münchner besser ab als die Norweger. Sympathisch ist er ja, dieser rotwangige Primus (Anders Baasmo Christiansen war schon der schräge Held in Langlos Debütfilm „Nord“), der irgendwo im kalten Nirgendwo ein klappriges Hotel besitzt, aus dem er mit Hilfe Flüchtlinge eine Goldgrube machen will. Fünfzig von denen will er aufnehmen, 100.000 Kronen pro Nase soll es monatlich geben.

Wenn da nicht die Kontrollen wären! Mal werden fehlende Türen moniert, dann ist die komplette Elektrik im Eimer. Sunniten wollen nicht mit Shiiten unter einem Dach hausen, Muslime nicht mit Christen, einer schreit immer „Wo ist das Buffet?“, ein anderer zertrümmert eine Fensterscheibe, weil das falsche Fernsehprogramm läuft und so weiter und so weiter – ganz so einfach, wie Primus sich das vorgestellt hat, ist es also nicht, Millionär zu werden. Und das N-Wort kommt auch nicht gut an. Als Deutscher staunt man, dass sich Langlo das traut: seinen Primus immer wieder „Neger“ sagen zu lassen.

Ein Kulturclash, zwei Komikkulturen

Ist sehr norwegisch, dieser Film. Während die Münchner pausenlos reden, wird bei Langlo viel geschwiegen. Während sich in Grünwald die Ereignisse überschlagen, braucht Primus schon mal lange, bis er die Waschmaschine ins Haus geschafft hat. Ziemlich lange. Es ist eine völlig andere Art der Komödie, obwohl der Clash der Kulturen derselbe ist.

Langlo und Verhoeven sind ein Jahrgang. Sie sind jetzt Mitte vierzig. Ihre Filme sind im besten Sinne europäisch. Soll heißen, es mangelt ihnen nicht an einem gewissen Tiefgang. So viel an die Adresse derer, die denken, dass es sich verbietet, aus dem zugegebenermaßen schwierigen Flüchtlingsthema Komödien zu machen.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema