Diane Kruger, die gerade in Cannes als beste Schauspielerin des Festivals ausgezeichnet wurde, hat eigentlich drei Karrieren. Fangen wir mit der geringsten an, der deutschen: Als sie fünfzehn Jahre alt war, hat sie in Deutschland einen Modelwettbewerb gewonnen, und damit war diese Karriere im Grunde auch schon wieder vorbei. Wenn man in Deutschland ernst genommen werden möchte, sollte man es um jeden Preis vermeiden, Modelwettbewerbe zu gewinnen. Das ist allgemein bekannt.
Kruger zog also nach Paris und begann dort ihre französische Karriere: Sie beackerte die Laufstege sämtlicher relevanter Modehäuser, posierte in den Kampagnen von Burberry, Yves Saint Laurent und Louis Vuitton und hatte sich auf das Cover der französischen „Vogue“ hochgearbeitet, da war sie gerade zwanzig.
Als es für sie in dieser Branche nichts mehr zu erobern gab, lancierte sie im Jahr 2002 ihre dritte Karriere, die amerikanische, und spielte in einem grauenhaften B-Movie mit Dennis Hopper mit. Nur zwei Jahre später tauchte sie als schöne Helena neben Brad Pitt und Orlando Bloom in „Troja“ auf und hatte damit schon wieder etwas getan, was in der deutschen Kulturlandschaft eigentlich nicht erlaubt ist: Sie hat in einem kommerziellen Blockbuster völlig ungerührt die Sehgewohnheiten nicht unterlaufen.
Heimlich hat sie Geschmack
Dass sie im Laufe ihrer Karriere so beharrlich harmlose Rollen in unerheblichen Filmen angenommen hat, dass sie also tatsächlich schwer geschuftet hat und ständig auf französischen und amerikanischen Leinwänden zu sehen war, obwohl sie von den zuständigen Stellen – den deutschen Schauspielschulen, den Theaterbühnen, den Redakteuren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – dazu überhaupt keine Erlaubnis hatte, wurde ihr in Deutschland nie verziehen. Dabei hat sie heimlich sogar Geschmack.
Sie spielte mit Ed Harris und Jesse Eisenberg, ihre Regisseure hießen Cédric Klapisch und Bille August. Obwohl sie nicht gemusst hätte und obwohl es genau genommen ohnehin niemand von ihr erwartete, hat Kruger immer die Nähe des Autorenkinos gesucht. Weil sie aber ihre Interviews trotzdem lieber „Vanity Fair“ und „Vogue“ gab als dem Feuilleton und weil sie auf den obligatorischen Stadttheaterausflug verzichtete, wurde sie von der deutschen Kritik nie ganz angenommen.
Selbst ihr Auftritt in Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ konnte die Deutschen nicht versöhnen. Wahrscheinlich hätten sie lieber Birgit Minichmayr gesehen. Tarantino aber besetzte Kruger.
Zu kosmopolitisch, zu schön
Ein Jahr darauf gelang ihr der Durchbruch als ernsthafte französische Schauspielerin, was in Deutschland allerdings niemand bemerkt hat: In „Pieds nus sur les limaces“ schulterte sie damals gemeinsam mit Ludivine Sagnier einen sonnigen südfranzösischen Landhausfilm. Die letzte Deutsche, die sich in diesem Genre so selbstverständlich bewegt hat, hieß Romy Schneider.
Mit dem Preis von Cannes, den sie jetzt für ihre erste deutschsprachige Rolle überhaupt bekommen hat, ist Kruger in der ersten Liga angekommen. Der deutschen Filmwelt, der sie immer zu ehrgeizig, zu kosmopolitisch, zu schön gewesen ist, winkt sie jetzt von oben.