Die Mumie – Bösewicht in einer langen Serie von Filmen über einen zufällig wiederbelebten altägyptischen Priester – ist in der 15. Wiederauferstehung eine Frau, eine ägyptische Prinzessin, die ihren Vater, seine Frau und deren gerade geborenen Sohn tötete und einen Pakt mit Seth einging, dem Gott des Verderbens. Wenn sie während der Wirren des Irak-Kriegs nach aberhunderten Jahren in ihrem dunklen Grab ins Leben zurückkehrt, macht sie sich unverzüglich daran, ihre Mission zu vollenden: das Böse über das Gute triumphieren zu lassen.
Glücklicherweise ist da noch Tom Cruise. Er schläft auch nicht. Und obwohl er bei weitem nicht dazu taugt, fürs Gute zu stehen, hat er doch einen guten Kern, irgendwo tief in seiner Seele vergraben, unter all den Manierismen und Mackerismen, die ihm die Gelegenheit geben, erstens prächtige Stunts, zweitens prächtige Zähne und drittens einen Charme zu demonstrieren, der in jeder Dorfdisse prächtig ankäme.
Die Mumie also, eine Geschichte, die das Kino nicht mehr loswerden kann. 1932 machte Boris Karloff den Anfang, ab 1999 wurde eine Trilogie auf das Publikum losgelassen, der erste Teil noch ziemlich spektakulär, die beiden anderen schon ziemlich routiniert, also ziemlich langweilig. Jetzt will Universal es noch einmal wissen.
Universal gräbt seine alten Monster wieder aus
Die neue „Mumie“ gehört zum Plan, all die klassischen Monster, die das Studio erschaffen hat – Frankensteins Braut, Doktor Jekyll und Mr. Hyde, den Glöckner von Notre Dame, den Unsichtbaren usw. – wieder zum Leben zu erwecken und in einem gemeinsamen Universum, dem „Dark Universe“ anzusiedeln. Wahrscheinlich ist es das, was man 2017 noch tun kann, um das Blockbuster-Kino zu retten, Markenbildung statt gute Filme zu machen. Es ist, kann man nachlesen, eine Strategie, von deren Erfolg für Universal viel abhängt.
Für die neue Mumie wurde Alex Kurtzman als Regisseur engagiert, ein Mann, der Kassenknüller produziert und geschrieben hat („Xena“, „Transformers“ etc.); des weiteren Tom Cruise, der in Europa mittlerweile ein wenig belächelt wird, aber in Asien noch wahnsinnig zieht, zum Kämpfer für das Gute gemacht und zwei weibliche Hauptrollen hinein geschrieben.
Sofia Boutella, algerische Breakdancerin und bekannt aus Daft Punk- und Madonna-Videos und der Nike-Werbung, spielt die böse ägyptische Prinzessin Ahmanet, schwarze Haare, kantiges Gesicht, ihr Körper über und über mit Hieroglyphen tätowiert. Annabelle Wallis spielt eine sich als Archäologin ausgebende Soldatin gegen die Dunkelheit und trägt deswegen honigblonde Haare, ein blütenweißes T-Shirt, unverdrossen das Gute im Herzen und kein einziges sichtbares Tattoo.
Die Gute hat – Überraschung! – honigblonde Haare
Ist es nicht beleidigend, fragt man sich, wie leicht einem in der populären Kultur das Auseinanderhalten von Gut und Böse gemacht wird? Dabei wäre man für jede Zweideutigkeit und jeden Zwang zum Nachdenken ungeheuer dankbar, es passiert ja in „Die Mumie“ nichts, was man nicht nach einer Zehntelsekunde begriffen hätte: Eine böse Macht kehrt aus der Vergangenheit zurück, um sich die Gegenwart zu unterwerfen, und muss daher zurück in ihren Sarg gekloppt werden, koste es, was es wolle, und sei es das eigene Leben.
Auch in der westlichen Kultur gibt es Märtyrer-Geschichten, in denen einer, der eben noch ein unernstes Leben führte, seine Existenz aufs Spiel setzt. In diesem Fall ist es Tom Cruise, der sowohl darauf verzichtet, sich vom ägyptischen bad girl zum unsterblichen Gott machen zu lassen und mit ihr bis in alle Ewigkeit kosmischen Sex zu haben, als auch der tollen blonden Frau entsagt, mit der er ganz sicher ein schönes partnerschaftliches Leben finden und irgendwann ansehnliche Kinder bekommen könnte.
Stattdessen muss er mit seinem besten Buddy, der früh im Film eine Quecksilbervergiftung, einen Spinnenbiss und drei finale Rettungsschüsse erleidet, für immer und ewig durch die Wüsteneien der Welt ziehen.
Was bedeutet der Geschlechtswechsel der Mumie?
Bis es so weit ist, kann man immerhin darüber meditieren, was die Geschlechtsanpassung der Mumie bedeutet. Er würde starke Frauen wahnsinnig mögen, hat Alex Kurtzman in einem Interview gesagt, und von dem Augenblick an, an dem er beschlossen hatte, die Mumie zu verweiblichen, hätte die Geschichte zu knallen begonnen. So etwas klingt gut, wenn auch ein wenig ranschmeißerisch.
Aber in Wahrheit ist es arg diabolisch, dass Kurtzman die Mumie zu einer Frau gemacht hat. Denn am Ende wird sie wieder mit Quecksilber betankt, damit sie nicht weiter herumspuken kann, und der Kerl, der sie ins Reich der Toten zurückschickt, ist Tom Cruise, ein feministischer Sympathien gänzlich unverdächtiger Mann, der wahrscheinlich bis zu seinem allerletzten Atemzug unkaputtbare Maskulinität spielen wird.
Spätestens, wenn einem das aufgegangen ist, wünscht man sich, dass das Spiel mit Geschlechtsrollenidentitäten, das man für smart hält, endlich einmal konsequent durchgezogen wird. Eine böse Frau, die Tom Cruise in jene Mumie verwandelt, die er als Schauspieler ohnehin seit langem ist, wäre ein filmhistorischer Fortschritt, für die man jeden noch albernen Plot und jeden noch so durchsichtigen 3D-Effekt gerne in Kauf nähme.