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Film „Ein Kuss von Beatrice“

Hebammen sind eben doch die besseren Menschen

Leitender Feuilletonredakteur
„Ein Kuss von Béatrice“ - Bewegender Film über Freundschaft

„Ein Kuss von Beatrice" erzählt von der ungewöhnlichen Freundschaft zwischen zwei sehr verschiedenen Frauen. Die Hebamme Claire lebt bescheiden, Béatrice schätzt hingegen schöne und teure Dinge.

Quelle: Universum

Autoplay
Die eine ist bescheiden, fleißig: Hebamme. Die andere verantwortungslos, glamourös: Lebedame. Der Film „Ein Kuss von Beatrice“ ist ein Kampf der Gigantinnen Catherine Frot und Catherine Deneuve.

Filmtitel können ja so nichtssagend sein. Und dazu noch ziemlich in die Irre führen. Was um Himmels Willen soll man sich zum Beispiel unter „Ein Kuss von Beatrice“ vorstellen? Einen von seiner Angebeteten endlich erhörten Dante in einem neuen Biopic? Eine zeitgenössische Herz-Schmerz-Schmonzette?

Näher kommt man der Story wahrscheinlich, wenn man den französischen Originaltitel nimmt. „Sage Femme“, also Hebamme, lautet der. Und in der Tat: Eine der beiden weiblichen Hauptfiguren hier geht diesem Gewerbe nach, dessen Wichtigkeit leider noch immer in keinerlei Verhältnis zu seiner gesellschaftlichen Anerkennung steht – der Film leuchtet übrigens die prekären Arbeitsbedingungen seiner Protagonistin sehr eindrücklich aus.

Aber selbst das ist nur ein Teilaspekt einer Versuchsanordnung, die auf etwas ganz anderes hinauswill: auf die Konfrontation zweier weiblicher Selbstentwürfe nämlich. Wenn die etwa 50-jährige Geburtshelferin Claire, eine Seele von Mensch, bescheiden, zurückhaltend, pflichtbewusst, urplötzlich auf die traumatische Vergangenheit ihres Vaters in Form von dessen ehemaliger Geliebter, die circa 70-jährige Lebedame Beatrice, trifft, dann stehen Hedonismus gegen Askese, Schein gegen Sein, Charisma gegen Aufopferung.

Schönste Frau der Nouvelle Vague

Doch auch das ist nur die eine, gewissermaßen stoffliche Ebene des Films. Im Grunde läuft nämlich – zumindest für den Cinephilen – „Ein Kuss von Beatrice“ auf einen Kampf der Gigantinnen hinaus. Catherine Deneuve, die große alte Dame des französischen Films, die noch in ihrer Matronenhaftigkeit majestätisch auftrumpfende ehemals schönste Frau der nouvelle vague, Catherine Deneuve also darf hier alles auffahren, was ihre Fans von ihr erwarten können.

Und sie darf all dies Glamouröse, Auratische, das seit Langem um sie ist, gegen die fast schon heiligmäßige Sanftheit setzen, für die ihre Partnerin Catherine Frot steht. In Frankreich ist auch sie, die wir in Deutschland zuletzt 2015 als durchgeknallte Florence Foster Jenkins in „Madame Marguerite oder die Kunst der schiefen Töne“ gesehen haben, längst ein Star, ja mehr noch: eine „Marke“.

Die Frot verkörpert einen Typus Frau, der lange keine übermäßig große Rolle im französischen Kino spielte, aber spätestens seit ihrem großen Erfolg als scheue Literaturschwärmerin in „Odette Toulemonde“ von vor zehn Jahren die perfekte Identifikationsfigur für diejenigen Zeitgenossen darstellt, die sich weigern, den heute überall lauernden Zwängen zur Selbstoptimierung zu gehorchen.

Nicht immer nur die Alphatiere

Catherine Frot erinnert mit ihren Filmrollen vielmehr daran, dass es in unserer von der Aufmerksamkeitsökonomie bestimmten Welt keineswegs nur immer um die Alphatiere geht. Ganz im Gegenteil weist die „Marke Frot“ mit Recht darauf hin, dass es weit eher die mitunter etwas farblosen, unscheinbaren Menschen aus den hinteren Reihe sind, die unser gesellschaftliches Gefüge im Turbokapitalismus am Funktionieren halten.

Das kriegen natürlich irgendwann auch die Alphatiere spitz. Und Beatrice, die aus heiterem Himmel Catherine mit großer Gönnergeste in ein gerade angesagtes Pariser Lokal einlädt, tut dies selbstverständlich aus Berechnung. Bei ihr wurde nämlich ein Hirntumor diagnostiziert. Dramaqueen, die sie ist, sieht sie schon das Ende ihrer Tage gekommen und denkt sich in ihrer Not, dass sie sich in dieser Lage am besten der braven Catherine anvertraut.

Natürlich weist die das finanziell gut unterfütterte Begehren zunächst strikt zurück. Doch dann erwacht langsam, aber sicher das Verantwortungsgefühl in ihr. Die beiden Frauen nähern sich einander an. Wohin das schließlich führt, soll nicht verraten werden. Nur eines sei immerhin gesagt: Die Ausleuchtung vor allem von Catherines Hintergrund verharrt denn doch ein bisschen im Klischee. Aber das stört nicht weiter. Der Reiz der Geschichte liegt in der Darstellungskunst der beiden Stars. Ein Schauspielerfilm vom feinsten kommt hier auf uns zu. Ein sehr französischer überdies. Aber auf eine Weise, die auch die weniger Frankophilen überzeugen wird. Weil seine Problemlage universell ist.

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