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Medien „Tatort“-Kritik

So unlustig war der Kölner Karneval noch nie

Literarischer Korrespondent
Alaaf: Freddy und der eher widerwillige Max feiern Karneval im Polizeipräsidium Alaaf: Freddy und der eher widerwillige Max feiern Karneval im Polizeipräsidium
Schluss mit lustig: die Kommissare Freddy Schenk (Dietmar Bär, rechts) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt)
Quelle: WDR/Thomas Kost
Das muss man erst mal hinkriegen: einen so ernsten, deprimierenden Tatort ausgerechnet unter Kölschen Karnevalisten zu drehen. In „Tanzmariechen“ geht es um fatalen Leistungsdruck, Mobbing und Trauer.

Wer am 11.11. Geburtstag hat und dazu noch in Köln am Rhein, wer also „jedäuf met 4711“ (getauft mit 4711) wurde, dessen Horoskop muss man nicht mehr stellen: Als Mann kann das höchste Ziel im Leben nur sein, Karnevalsprinz zu werden. Als Frau muss es das Funkenmariechen sein. Alles darunter kann in die neue Kategorie total losers sortiert werden, die im diesjährigen Karneval äußerst beliebt ist: Trump-Doubles, wohin man auch schaut.

Alaaf: Freddy und der eher widerwillige Max feiern Karneval im Polizeipräsidium
Rivalinnen: Nur eine kann das Tanzmariechen sein.
Quelle: WDR/Thomas Kost

Doch brennender Ehrgeiz und Wettbewerbsdenken spielen in der „Session“ schon lange eine viel größere Rolle, als es der Mythos vom dauerfröhlichen Feiervolk will. Eine Karnevalskarriere ist hammerharte Arbeit und irrer Konkurrenzdruck, der an jedem Aschermittwoch immer schon für das nächste Jahr beginnt. Es geht um Ruhm und Ehre, aber auch ums Geschäft. Wer bis ins Fernsehen kommt, hat es geschafft.

Karneval als Leistungssport

Dieser Kölner „Tatort“ widmet sich dem brutalen Leistungssport namens „Tanzmariechen“, in dem man sich selbst bei Ermüdungsfußbruch mit Schmerz- und Aufputschmitteln auf den Beinen hält. Eine, die es nicht mehr ausgehalten hat, springt gleich zu Beginn von der Südbrücke. An ihr haben sich alle versündigt: die neidischen Konkurrentinnen, die knallharte Trainerin, der gierige, klüngelnde, von Herbert Knaup routiniert aalglatt gespielte Vereinspräsident der „Jecke Aape“ (der närrischen Affen).

ARD/WDR TATORT: TANZMARIECHEN, Buch: Jürgen Werner, Regie: Tomas Jauch, am Sonntag (19.02.17) um 20:15 Uhr im ERSTEN. Günther Kowatsch (Herbert Knaup) ist Präsident des Karnevalsvereins und will „de Jecke Aape“ ganz groß rausbringen. © WDR/Thomas Kost, honorarfrei - Verwendung gemäß der AGB im engen inhaltlichen, redaktionellen Zusammenhang mit genannter WDR-Sendung bei Nennung "Bild: WDR/Thomas Kost" (S2). WDR Presse und Information/Bildkommunikation, Köln, Tel: 0221/220 -7132 oder -7133, Fax: -777132, bildkommunikation@wdr.de
Nur die große Bühne zählt: Herbert Knaup gibt den klüngelnden Vereinspräsident
Quelle: WDR/Thomas Kost

Und nicht zuletzt die ebenfalls bis zur Verzweiflung jecken Eltern, die ihrer Tochter Glanzleistungen abverlangten und nun, nach deren Tod, als spezielle Form der Trauerarbeit auch den offensichtlich total unbegabten Sohn zum Büttenreden zwingen.

Eine Doku als Vorbild

ARD/WDR TATORT: TANZMARIECHEN, Buch: Jürgen Werner, Regie: Tomas Jauch, am Sonntag (19.02.17) um 20:15 Uhr im ERSTEN. Ihre Tochter war Tänzerin im Karnevalsverein und nahm sich das Leben: Martina Pösel (Milena Dreissig, r) mit Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, l) und Freddy Schenk (M). © WDR/Martin Menke, honorarfrei - Verwendung gemäß der AGB im engen inhaltlichen, redaktionellen Zusammenhang mit genannter WDR-Sendung bei Nennung "Bild: WDR/Martin Menke" (S2+). WDR Presse und Information/Bildkommunikation, Köln, Tel: 0221/220 -7132 oder -7133, Fax: -777132, bildkommunikation@wdr.de
Wer trieb die Tänzerin in den Selbstmord? Milena Dreißig spielt großartig die trauernde Mutter
Quelle: WDR/Martin Menke

Vor drei Jahren hat Claus Wischmann den großartigen Dokumentarfilm „Wir sind positiv bekloppt“ gemacht, der hier deutlich erkennbar als Vorbild diente. Die tragische Geschichte des untalentierten Nachwuchs-Jecken findet sich dort ebenso wie der Drill der Tänzerinnen, der Druck der Vorauswahlen für Auftritte auf großen Bühnen.

Was dort in seiner irritierenden Ambivalenz gezeigt wurde, als Heuchelei von Frohsinn ebenso wie als lebenslange Sinngebung, das wird im „Tatort“ zum Motiv von Mord, Mobbing und Totschlag.

„Tschiller: Off Duty“ - Trailer zum Schweiger-Tatort

Nach gut zwei Jahren kam Til Schweigers Kino-Tatort „Tschiller: Off Duty“ nun auch ins Fernsehen - und sorgte für Kritik. Sehen Sie hier den Trailer zum Film.

Quelle: Warner

Das Duo Ballauf und Schenk ermittelt sich tapfer durch einen ganz und gar unlustigen Fall, in dem es am Ende um Schuldgefühle und unverarbeitete Trauer geht. Das muss man erst mal hinkriegen, zumal als WDR: einen total ernsten, deprimierenden Film ausgerechnet im rheinischen Karnevalistenmilieu zu drehen. Aber wie Carolin Kebekus in ihrer grandiosen Adele-Parodie „Helau“ singt: „Fasching ist im anderen Saal.“

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