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  4. „Narkopop“: Wolfgang Voigt alias GAS vertont den deutschen Wald

Pop Neues Album von GAS

Maximale akustische Konfusion - ein Meisterwerk!

Wolfgang Voigt. Fotos über Felix Göllner Wolfgang Voigt. Fotos über Felix Göllner
Wolfgang Voigt. Fotos über Felix Göllner
Quelle: UNLAND
Von den vielen Musikern, die den deutschen Techno erfunden haben sollen, ist Wolfgang Voigt der seltsamste. Er hieß schon Mike Ink, M:I:5 und Dieter Bowie. Unter dem Namen GAS vertont er nun den Wald.

Es wird dunkel im Wald. Ein kalter Wind weht heran, es raschelt in Blattwerk und Geäst. Die Sicht ist getrübt, aber es besteht Hoffnung, dass man den Weg noch findet. Hier geht’s lang, genau, hier lang. Oder geht‘s vielleicht dort lang? Schwer zu sagen.

Die Streicher wabern wie Abendnebel übers Unterholz. Wo eben noch ein Pfad war, ist keiner mehr. Immerhin erklingt jetzt aus der Ferne ein Viervierteltakt, zwar ein bisschen dumpf, aber dafür unbeirrt.

Wenn wir uns an ihm orientieren, sind wir gewiss bald auf bekanntem Terrain. Also horchen wir dem Beat hinterher und versuchen, ihm zu folgen – und geraten immer tiefer in den Wald hinein.

Wagner, Mahler – zur Unkenntlichkeit behandelt

Man muss sich das neue, großartige GAS-Album „Narkopop“ als ein Meisterstück maximaler akustischer Konfusion vorstellen, ein einziges Dräuen, Dröhnen und Flirren, das zu einem melancholischen Klangteppich verwoben ist, der sich in sämtliche Richtungen gleichzeitig auszurollen scheint. Die Stücke bestehen aus digital manipulierten Schnipseln klassischer Musik, zumindest hört es sich danach an.

Wegen der Schwere des Klangs wird in dem Zusammenhang gern vermutet, dass GAS sich zu diesem Zweck beim Werk von Richard Wagner bedient, es könnte sich aber auch um Samples handeln, die von Schönberg, Bruckner oder Mahler stammen, wenn sie nicht sogar ganz anderen Ursprungs sind. Das Ausgangsmaterial wird in der Regel so lange behandelt, dass es eigentlich unmöglich ist, es hinterher zu identifizieren.

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„Untitled 1“ zum Beispiel, das erste Stück des ersten, namenlosen GAS-Albums von 1996, dem bereits jenes wunderbar undefinierbare Brummen und Summen der späteren GAS-Werke innewohnt, soll, so will es zumindest ein neugieriger Fan herausgefunden haben, im Wesentlichen auf dem Sample einer Discogitarre basieren. Das hört man allerdings erst, wenn man die Vinyl-Version zur Hand nimmt und das Stück mit 75 Umdrehungen pro Minute abspielt – und zwar rückwärts.

Damals hatte GAS allerdings noch nicht seine Bestimmung gefunden, es war einfach nur eines der zahlreichen Projekte des Kölner Musikers Wolfgang Voigt. Der Mitbegründer des Technolabels Kompakt nannte sich je nach Laune Mike Ink, Love Inc., Dom, Freiland, Studio 1, Wassermann, Sog, Tal, Gelb, Strass, Riss und M:I:5. In vermutlich heiterer Laune verpasste er sich auch mal die Namen Vinyl Countdown und Dieter Bowie.

Doch als er in der zweiten Hälfte der Neunziger damit anfing, sich musikalisch mit einer Mischung aus Ambient, Techno und Dub zu beschäftigen, gefiel ihm der Name GAS. Und so flüchtig dieses Alias zunächst geklungen haben mag, erwies es sich als sein stabilstes.

Der deutsche Wald als Inspiration

Als GAS veröffentlichte Voigt von 1996 bis 2000 die Alben „Gas“, „Zauberberg“, „Königsforst“ und „Pop“ sowie zwischendurch die EP „Oktember“. Doch erst nach dem GAS-Debüt beschloss er, dass für GAS der deutsche Wald die Hauptinspiration sei, weshalb beim ersten Album so getan wird, als würde es nicht existieren. Als Ende vergangenen Jahres eine GAS-Werkschau als Zehn-Vinyl-Prachtbox „Box“ erschien, blieb es daher leider außen vor.

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Andererseits hätte es vor allem visuell nicht in die Sammlung gepasst, denn auf dem Albumcover fehlt jeder Bezug zur Natur. Stattdessen gab es darauf einen roten Schriftzug auf verpixelt weiß-gelbem Grund, also nichts, was auch nur entfernt an deutsche Wälder erinnern würde.

Das Cover des zweiten Albums „Zauberberg“ zeigte hingegen ein blutrot eingefärbtes, leicht unscharfes Foto eines finsteren Nadelwaldes. Auf „Königsforst“ sah man dann Laubbaumäste vor orangefarbenem Himmel, während „Pop“ mit einer beinah naturalistischen Aufnahme von angenehm grünen Kiefernzweigen besticht.

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In der internationalen GAS-Deutung wird „Pop“ gemeinhin als Ausnahmefall betrachtet. Nicht etwa, weil der Titel nach „Zauberberg“ und „Königsforst“ vollkommen unpassend war, auch nicht weil „Pop“ im herkömmlichen Sinne poppiger klingen würde, sondern weil die dumpfe Kickdrum und das Bedrohliche, das den Sound von GAS bis dahin kennzeichnete, fast vollkommen fehlte.

Was übrig blieb war wunderbare Flächenmusik mit Andeutungen von Melodien, die sich ins Unendliche verlängerten, und wie die akustische Entsprechung erster Sonnenstrahlen waren, die nach einer langen Wanderung im Dunklen durch dichte Baumkronen brachen.

Als das Album erschien, ging man davon aus, dass Voigt sein GAS-Projekt damit beendet hätte, ein Schlusspunkt auf einer versöhnlichen Note. Doch 17 Jahre später ist jetzt „Narkopop“ erschienen und man fühlt sich ein bisschen wie Hänsel & Gretel.

Schon der türkisblaue Mischwald auf dem Cover verheißt nichts Gutes. Wie die Werkschau „Box“ kommt die Vinylversion von „Narkopop“ mit einem Bildband daher, in dem es zu jedem Stück ein Foto gibt. Mal sind sie bläulich, mal geht es in Grüne, so mancher Baum ist in Violett und Magenta getaucht.

Alles in allem macht der „Narkopop“-Wald einen leicht kränklichen Eindruck, wobei auf den digital bearbeiteten Fotos auch Spuren von Architektur auffallen, die Silhouette eines Gewächshauses vielleicht, Schemen einer Fassade, ein Zaun, ein Dach ohne dazugehöriges Gebäude, das einigermaßen sinnlos zwischen den Bäumen hängt.

Mehr Beats, mehr Neurosen

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Das neue Werk wirkt schon äußerlich neurotischer als die Vorgängeralben, entsprechend abwechslungsreicher klingt die Musik. Es gibt mehr Stimmungswechsel, mehr Instrumente, die man als solche identifizieren kann, im Vergleich zu „Pop“ gibt es auch wieder mehr Beats.

Hier ein paar Tupfer auf dem Piano, da ein Fagott, zwischendurch Bläser. Bei „Narkopop 5“ meint man, es würde von irgendwoher eine Armee durch den Wald marschieren – direkt auf einen zu und gleichzeitig vorbei. Bei „Narkopop 6“ scheinen Harfe, Xylophon sowie ein riesiger Stahltank im Spiel zu sein, in dem jemand vor einer Orgel sitzt und mächtig in die Tasten greift.

Bestanden die frühen GAS-Alben vor allem aus endlosen, übereinanderliegenden Loops, die dadurch einen unwiderstehlichen Sog entwickelten, dass Voigt fortwährend Details veränderte, geht es jetzt für GAS-Verhältnisse relativ kreuz und quer.

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Wobei natürlich immer noch alle Stücke miteinander zusammenhängen und folglich ohne Namen auskommen. Um sie zumindest halbwegs zu identifizieren, hat Voigt sie wie bei den anderen Alben durchnummeriert. Zum Argwohn mancher Fans, die gern bei allem den Überblick behalten, sind Nummern für Voigt offenbar nur von nachgeordneter Bedeutung, wie etwa das Beispiel „Königsforst“ zeigt.

Was in der Vinylversion „Königsforst 2“ ist, heißt auf der CD „Königsforst 3“, während „3“ „4“ ist und „4“ „2“. Wie soll man sich da bitteschön zurechtfinden? Andererseits: Warum sollte man sich überhaupt zurechtfinden wollen?

Verlieren wir uns im schönen Wald

Selbst auf „Narkopop“ klingt alles wie aus einem Guss und jederzeit nach GAS. Dabei kann man bestimmt nicht sagen, dass sich alle Stücke gleich anhören. Man könnte allerdings sagen, dass sie sich anhören, als hörten sie sich gleich an.

Wie die Geschichte von GAS nach „Narkopop“ weitergeht, ob es wieder eine lange Pause gibt oder das Projekt nun sein Ende gefunden hat, bleibt schwer zu sagen. So oder so ist es recht. Falls nichts Neues mehr kommen wird, ist der schöne Wald, den GAS bislang angelegt hat, groß und unübersichtlich genug, um sich darin bis auf Weiteres gewinnbringend zu verlieren.

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